Seit mehr als 25 Jahren entwirft Todd Hido in seinen Serien, die er in Ausstellungen und bevorzugt in Bildbänden präsentiert, immer wieder Geschichten, die gleichzeitig vertraut und unbekannt, verlockend und beunruhigend wirken. Sein Stil ist dabei längst unverwechselbar geworden: geheimnisvolle Vorstadtszenen, Landstraßen und menschenleere Landschaften, meist bei trübem Wetter fotografiert. Selten auch Interieurs oder Porträts, die sich in den Fluss der Bilder einfügen. Gefunden hat der Fotograf die Motive vor allem in den USA, in unmittelbarer Nähe seines Wohnortes, aber es verschlug ihn für seinen neuen Bildband auch von den Hawaii-Inseln bis hin zu ihren meteorologischen Gegensätzen, den Küsten der Beringsee und den nordischen Fjorden oberhalb des Polarkreises.
Wie kam es zum Titel Ihres neuen Bildbandes?
Der Satz stammt aus dem Essay von Alexander Nemerov, der so freundlich war, etwas über mein vorheriges Buch, Bright Black World, zu schreiben. Sein Aufsatz war so bewegend, und tatsächlich hat mich die erste Zeile beim Lesen regelrecht durchbohrt: „Das Ende sendet eine Vorwarnung.“ Ich bin ein sehr visueller Mensch, aber ich liebe Worte – oft habe ich nur eine kurze Phrase oder einen Satz im Kopf. Diese wenigen Worte führen mich herum, und als ich diesen ersten Satz las, wusste ich, dass er perfekt die Szenen beschrieb, die ich bereits fotografiert hatte, die ich aber nicht in Worte fassen konnte.
Der Titel klingt sehr alarmierend.
In gewisser Weise betrachte ich das neue Buch als Fortsetzung von Bright Black World, das 2018 erschienen ist und Landschaften zeigt, die mit Schnee und Feuer bedeckt und in Dunkelheit getaucht waren. The End Sends Advance Warning mag einen noch düsterer klingenden Titel haben, aber letztlich ist es eine Liebesgeschichte. Eine persönliche Geschichte, aber auch eine, in der es darum geht, die Welt zu lieben, egal wie katastrophal sie ist. Die Schönheit in so vielen alltäglichen Situationen wie möglich zu finden, denn ohne sie ist man verzweifelt. Wir leben in einer wirklich schwierigen Zeit – es gibt so viele Quellen der Angst und sehr reale Ängste, dass man sich leicht überwältigt fühlt. Aber ich denke, dass es in dieser Zeit sehr wichtig ist, Hoffnung und Schönheit in der Welt zu finden und dies in Bildern zu zeigen. Dabei ist es mir sehr wichtig, dass die Bedeutung des Bildes in den Betrachtenden liegt und dass die Menschen ihre eigenen Erfahrungen und Gefühle in jedes Foto einbringen. Ich versuche nicht, jemandem vorzuschreiben, wie er reagieren soll, sondern ich fordere einfach dazu auf, hinzusehen und zu fühlen.
Das neue Buch ist noch aufwendiger gestaltet…
Sequenzen sind ein wichtiger Teil meines Arbeitsprozesses, und in diesem Buch gibt es eine entschiedene Veränderung – durch eine sorgfältige Erzählung von aufeinanderfolgenden Bildern, die Momente der Wärme und Leichtigkeit vermitteln. Außerdem gibt es neben Familienbildern kleine, extra eingefügte Motive. Ich sehe sie als kleine Echos – Erinnerungen an die Vergangenheit, kleine Bilder wie Schnappschüsse, die in den Einband gesteckt werden. In meiner Vorstellung dienen sie als Erinnerung an eine Ahnung von etwas, das sich dort früher ereignet haben könnte, oder als Tagtraum von der Zukunft.
Sie produzieren nicht nur Bücher, sondern Sie sind auch ein passionierter Sammler.
Schon vor sehr langer Zeit habe ich erkannt, dass Fotobücher fast das perfekte Medium für die Fotografie sind. Abzüge an der Wand spielen eine wichtige Rolle, aber ein Buch hat etwas ganz Unglaubliches an sich. Ich habe über Jahrzehnte hinweg etwa 8500 Fotobücher gesammelt, die mir wirklich etwas bedeuten. Wie die Prints, die bei mir zu Hause an den Wänden hängen, wollte ich sie auch um mich herum in meinen Räumen haben, um mich zu inspirieren – und das tun sie täglich.
Als Bücherkenner haben Sie kürzlich auch eine Auswahl für die neue Leica Galerie in New York zusammengestellt?
Ja, für den neuen Store habe ich eine sorgfältig kuratierte Auswahl von Büchern getroffen, die auch für andere Fotografen zugänglich sind und von denen die meisten auch leicht erhältlich sind. Darunter sind auch einige der wichtigsten Bücher, aus denen ich in meiner Karriere gelernt habe.
Wie lange arbeiten Sie schon mit Leica Kameras?
Ich benutze eine Leica, seit ich Jason Momoa im September 2020 getroffen habe. Er ist ein leidenschaftlicher und langjähriger Leica Nutzer und hat mir freundlicherweise eine Leica S3 gegeben, als er eine Dokumentation über meine Arbeit drehte. Ich kann sagen, dass sie meine Arbeit wirklich verfeinert und besser gemacht hat. Meine Hauptkamera ist die S3, aber ich habe auch eine SL2.
Woran arbeiten Sie derzeit?
Im nächsten Jahr habe ich sechs Ausstellungen. Die Hälfte davon in Leica Galerien, und ich arbeite daran, etwas Einzigartiges und Andersartiges zu schaffen, das meinen Arbeitsprozess und meine Vorliebe zeigt, Bilder nebeneinander zu stellen, um ein Geflecht aus verschiedenen Bedeutungen zu schaffen.
Die Ausstellungen sind auch mit Workshops verbunden. Was sind für Sie die wichtigsten Themen, die Sie an die Teilnehmer und vielleicht auch an jüngere Nachwuchsfotografinnen und -fotografen weitergeben möchten?
Ich liebe das Unterrichten. Wirklich neugierige Schüler bringen mein eigenes Wissen zum Vorschein, all die Dinge, die ich seit den 1980er-Jahren in meinem Kopf gesammelt habe. Es macht mir Spaß, diese Erfahrungen weiterzugeben. Und das schärft und hilft, die Kenntnisse zu verfeinern. Ich habe das Gefühl, dass das Unterrichten von Natur aus diese Qualität hat. Es ist ein Geschenk, gefragt zu werden, was man von einem anderen wissen könnte.
AUSSTELLUNGEN: A Series of Several Small Decisions, Leica Galerie Los Angeles (11. April bis 27. Mai); Leica Store San Francisco (18. April bis 8. Juni), Leica Galerie Boston (25. April bis 7. Juni); Leica Galerie New York (5. September bis 29. Oktober). Workshops werden die Ausstellungen begleiten.
BUCH: The End Sends Advance Warning, 104 Seiten, 80 Farbabb., 9 Einsteckbilder und Einlegerbroschüre, 35,5 × 43,1 cm, Englisch, Nazraeli Press
Weitere Informationen und ein umfangreiches Portfolio zu Todd Hido im LFI Magazin 3.2024.
Der Fotograf Todd Hido wurde am 25. August 1968 in Kent, Ohio, USA, geboren. Er studierte an der Tufts University in Medford, Massachusetts, und an der School of the Museum of Fine Arts in Boston. Seinen M.F.A. erwarb er 1996 am California College of Arts and Crafts in Oakland, Kalifornien. Seine Arbeiten wurden vielfach ausgestellt und sind in zahlreichen Sammlungen vertreten. Bevorzugt veröffentlicht er seine Serien in Bildbänden; bisher sind mehr als 15 Publikationen erschienen. Er lebt heute in der der San Francisco Bay Area. Weitere Informationen über seine Arbeiten finden Sie auf seiner Webseite und seinem Instagram-Kanal.
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