Artikel aus dem Leica Courrier Nr. 90 aus dem Jahr 2011

Einer der ganz Grossen des Jazz dürfte schon bald mit einem weiteren Talent aufhorchen lassen: Billy Cobham hat jahrelang seine musikalischen Weggefährten fotografiert und möchte jetzt das Akkustische und das Visuelle vereinen. 

Billy Cobham? Klar, der weltberühmte Jazz-Musiker, der seine Drumsticks einst an der Seite von Miles Davies über das Schlagzeug fliegen liess. Aber ein Fotograf mit diesem Namen? Nun – die Lösung ist simpel: William, Bill oder Billy Cobham, Drummer oder Fotograf – alle sind ein und dieselbe Person.

Schlagzeuger und Komponist

Cobham ist heute 67 Jahre alt, wirkt frisch und jugendlich und wohnt seit 31 Jahren in der Schweiz. Der gebürtige Panamaer ist musikalisch immer noch sehr aktiv. Mit seiner Billy Cobham Band tourt er durch die ganze Welt und sein aktuelles Album «Palindrome» (2010) ist alles Andere als verstaubt. Im Gegenteil: Es ist modern und kosmopolitisch. Es enthält Soundcollagen, die in die Vergangenheit reichen und bekanntes thematisches Material aufnehmen, wartet aber gleichzeitig mit überraschenden und neuen Arrangements auf. Cobham überwindet mit seiner Musik Grenzen, vereint Jazz-, World- und Roots-Elemente zu einer ganz besonderen Fusion. Sein Renommée freilich verdankt der in New York aufgewachsene Schlagzeuger und Komponist seinen frühen Jahren, als er Weggefährte von Grössen wie Miles Davis, John McLaughlin, Jack Bruce, Chet Baker, Larry Coryell und Randy Brecker war. Er war massgeblich an vielen Schlüsselproduktionen des Jazz beteiligt, unter anderem an «Bitches Brew» von Miles Davis oder an «Birds of Fire» des Mahavishnu Orchestra. Und mit «Spectrum» (1973) und «Crosswinds» (1974) gab er selber legendäre Alben heraus.

Weltstar Sting in frühen Jahren, dokumentiert von Billy Cobham

Gut möglich, dass dieses «Who is Who» des Jazz nun bald in Galerien bewundert werden kann: Billy Cobham hat nämlich viele seiner Weggefährten fotografiert und seine musikalischen Reisen dokumentiert. «Unterwegs bist du als Musiker meist ganz allein – das ist der Grund für die hohe Scheidungsrate in diesem Beruf», blickt der 67-Jährige zurück. Eine Tatsache, die auch ihn ereilte: Er ist zweimal geschieden, lebt aber jetzt wieder glücklich mit einer Partnerin zusammen. Wegen des Alleinseins habe er früh mit Fotografierenbegonnen, sagt der Amerikaner. «Auf diese Weise wird die Kamera zur Ehefrau und das Schlagzeug zum besten Freund, denn der Kreis der wirklichen Freunde ist in diesem Metier sehr klein.»

Miles Davis, fotografiert mit LEICA R-System.

Rund 500 Konzerte hat Billy Cobham seit 1979 gegeben und an zahllosen Studio-Produktionen mitgewirkt – genügend Material also für sein aktuelles Projekt, den Bildband «Places I’ve seen, people I’ve met». Geschossen hat er die vielen Bilder mit einer LEICA R3, später mit einer R4 und einer R5. Auch im 6 x 6-Format sammelte er anfangs mit einer Hasselblad Erfahrungen. Zuletzt fotografierte er dann aber digital – mit einer LEICA Digilux, einer M9 und neu auch mit einer S2. Er schätzt es sehr, dass er wie bei der Musik auch beim Fotografieren jeden Tag dazulernen und sich weiterentwickeln kann. «Und Fotografieren hat durchaus auch einen therapeutischen Effekt.» Ganz zentral sei für ihn aber, das Akustische übers Fotografieren mit dem Visuellen zu vereinen. «Das führt zu einer wichtigen Reflexion.»

Der Schalk blitzt da und dort auf, wenn Billy Cobham erzählt, wie er bei Profi-Fotografen für grosse Augen sorgt, wenn er seine Kameras zückt. «Leica – wo hast du denn die her?», werde er oft gefragt. Er selber schätzt besonders die Reportagequalitäten der M9, die ihm ein fast unbemerktes Fotografieren einer Situation erlaube. Zusammen mit der S2 und seinem Laptop hat er den Schritt ins digitale Zeitalter nahtlos vollzogen – von Ruhestand kann beim 67-Jährigen keine Rede sein.

Fotografie rückt ins Zentrum

Vom Schlagzeug aus fotografiert mit der LEICA S2.

Im persönlichen Gespräch wirkt Billy Cobham bescheiden und tiefgründig. Oft zeigt er sich auch philosophisch. Etwa, wenn er erklärt, weshalb Miles Davis der Musiker war, der ihn am meisten beeindruckt habe. «Er hat mir gezeigt, dass man selber für sich und sein Leben verantwortlich ist.» Lieblingsfotos hat er keine – viele seiner Aufnahmen aus den Siebzigern sind noch nicht geordnet und gescannt. Aber ein Verlag hat schon sein Interesse bekundet, und Cobham zweifelt nicht daran, dass der Bildband erscheinen wird. Seine in diesem «verrückten Jahr» 2011 etwas spärlicher gewordenen Engagements als Musiker haben so auch etwas Positives: «Ich habe mehr Zeit, mich diesem Projekt zu widmen.»