Wie ein Fernglas entsteht
Sigurn Kammans
Ich hatte gehörigen Respekt, als ich den ersten Arbeitstag in den traditionsreichen Leitz-Werken antrat. Respekt habe ich heute noch vor der Lektion, die mir an diesem Tag beigebracht wurde: „Innovationen sind das Ergebnis von vielen Gesprächen und intensivem Austausch mit den Anwendern – ihre Bedürfnisse sind am wichtigsten“.
Kundenbedürfnisse zu verstehen ist also der erste Schritt – doch beim zweiten kommt bereits die Physik ins Spiel. Wie funktioniert die Fernglasentwicklung? Welche Möglichkeiten gibt es, um unsere Grenzen der natürlichen Wahrnehmung zu erweitern? Und wie können wir das neue Noctivid sogar noch besser machen? Erkenntnisse der Forschung, neue Materialien und Fertigungsverfahren bieten auch neue Chancen für die Verbesserung von Ferngläsern, mechanisch und optisch. Zu Beginn meiner Laufbahn als Optikrechnerin, war es kaum möglich, Ferngläser mit mehr als 80% Lichttransmission zu entwickeln. Heute gibt es optische Gläser mit extrem hoher Transmission. Im Noctivid verwenden wir sie für die Linsen; vor allem aber für die Prismen, in denen der Lichtweg lang ist. Darüber hinaus haben wir auch unser Know-how bei der Entwicklung reflexmindernder Schichten, die auf alle Linsen und Prismen aufgetragen werden, noch weiter verbessert.
All diese Verfeinerungen sorgen dafür, dass das Licht über das gesamte sichtbare Spektrum, den ganzen Farbbereich, nahezu verlustfrei durch das Fernglas gelangt. Das ergibt einen sehr hellen und farbneutralen Bildeindruck. Oft werde ich gefragt, ob das nun für Beobachtungen am Tag oder in der Nacht geeignet ist. Die Antwort lautet: für beides sensationell.
Transmission und Farbneutralität beurteilen wir bei Leica nach internationalen Standards und Normen, etwa am Transmissionsmessgerät. Bei unseren Noctivid Ferngläsern liegen wir in der Farbwiedergabe sogar aussergewöhnlich dicht am so genannten „Unbuntpunkt“, also dem Punkt absoluter Farbneutralität.
Alles perfekt durchdacht. Doch an dieser Stelle erweist sich die Lektion meines ersten Arbeitstages als absolute Wahrheit. Die Entwicklung eines Fernglases ist Teamarbeit. So hat die Optik des Noctivid mein Kollege Michael Hartmann präzise gerechnet. Er konnte die von unseren HD-Plus Ferngläsern bekannte, herausragende Abbildungsleistung bei den Noctivid Ferngläsern noch weiter steigern. Das brillante Bild ist kontrastreicher und schärfer. Hier bei der Leica Camera AG profitieren wir besonders durch Synergien mit unseren Objektiv-Optik-Entwicklern. Die Anforderungen an ein Kameraobjektiv sind schliesslich ähnlich. Die Kunden beider Instrumente wünschen sich die besten Kontraste, die Auflösung feinster Details und die Möglichkeit, beinahe wie in 3D zu sehen. Kurz gesagt – das perfekte Bild. Der einzige Unterschied: Bei Kameras wird dieses Bild auf einen Sensor gebannt; bei Ferngläsern bleibt dieses Bild im Gedächtnis gespeichert – für immer.
Leica Noctivid
Fortschritt, durch den man sehen kann.
Inspiriert von der Natur und der perfekten Balance, von Fähigkeiten, die das Überleben in unterschiedlichen Lebensräumen erst ermöglichen, verfügt auch das Noctivid über die ideale Ausgewogenheit der besten Eigenschaften aus mehr als 100 Jahren Erfahrung in Optik und Feinmechanik. Die perfekte Abbildungsleistung sorgt für einzigartige Beobachtungserlebnisse mit kristallscharfen Konturen, bestechenden Kontrasten und beispielloser Brillanz.
Bilder ohne Globuseffekt
Speziell bei Ferngläsern berücksichtigen wir den sogenannten Globuseffekt. Bereits aus frühen Zeiten der Fernrohrentwicklung bekannt, wirkt das Bild beim Globuseffekt häufig so, als ob die Mitte deutlich näher wäre als der Rand. Schwenkt man mit einem solchen Fernglas über eine Szene, so hat man den Eindruck einer rollenden Glaskugel im Bild. Dieser Effekt resultiert aus der Physiologie des menschlichen Sehens und tritt besonders bei Ferngläsern mit starker Bildfeldebnung und geringer Verzeichnung auf. Bei unseren Optikberechnungen berücksichtigen wir beide Effekte und sorgen mit dem richtigen Aufbau der Linsen dafür, dass dem Betrachter auch bei Bewegungen des Fernglases ein natürlicher, ungebrochener Seheindruck geboten wird.
Vom Einblickverhalten und der Kraft der Akkommodation des Auges
Mit den besonders großen Okularen und der weiten Austrittspupillen-Lage des Noctivid findet jeder Beobachter, ob mit Brille oder ohne, schnell, bequem und sicher die richtige Position für den Durchblick hinter den Okularen.Gleichzeitig kann durch die eigene Akkommodationsfähigkeit, die dynamische Anpassung der Brechkraft des Auges, die bereits hervorragende Naheinstellgrenze von 1,9 Meter nochmals signifikant verringert werden.
Präzises Zusammenspiel von Optik und Feinmechanik
Alle Linsen müssen präzise in den richtigen Abständen und genau zentriert in den Fernglastubus eingebaut werden. Dafür, aber auch um zu gewährleisten, dass unser brillantes Bild nicht durch Falschlicht getrübt wird, arbeiten Optikrechner eng mit ihren Leica Kollegen zusammen. Sie greifen auf die modernsten Technologien zurück, um beispielsweise eine perfekte Fokussierung bei gleichbleibender Abbildungsleistung zu ermöglichen, oder um den Fernglaskörper so kompakt und so leicht wie möglich gestalten zu können. Bei der Herstellung geht es nicht selten um wenige Tausendstel eines Millimeters. Gleichzeitig hält die Konstruktion des Noctivid extremsten Belastungen Stand. Unsere Kunden beobachten mit den Ferngläsern Elfenbeinmöwen im Schneesturm ebenso wie große Zebraherden in der Mitte der afrikanischen Steppe. So flexibel einsetzbare und robuste Geräte lassen sich nur durch die Verarbeitung bester, modernster und widerstandsfähigster Materialien herstellen.
Präzise und schnell fokussieren
Hochpräzise ist die Fokussierung, die mit nur zwei Umdrehungen schnell von der maximalen Naheinstellgrenze von 1,9 Metern auf Unendlich fokussiert. Gleichzeitig erlaubt das große, griffige und ergonomisch positionierte Fokussierrad, innerhalb geringster Abstände präzise und feinfühlig scharf zu stellen. Der Dioptrien Ausgleich ist in bewährter Leica-Manier im Fokussierrad umgesetzt, sicher verriegelbar und bequem durch das Sichtfenster einsehbar.
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