Es sind verschiedene Krisenherde, von denen Dominic Nahr hier berichtet. Doch sie haben etwas gemeinsam, wie schon der Titel der Ausstellung in der Schweizer Fotostiftung in Winterthur, Blind Spots, passend zusammenfasst. Vier afrikanische Staaten, stets in der Gefahr zu zerfallen, die den Bedürfnissen ihrer Bevölkerung nach Sicherheit und Grundversorgung nicht gerecht werden: Südsudan, Somalia, Mali und die Demokratische Republik Kongo – und die den Weg in die westlichen Nachrichten nur selten schaffen. Ein Gespräch mit Dominic Nahr über vergessene Krisenherde und Bilder, die im Gedächtnis bleiben.

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Können Sie den Titel Ihrer aktuellen Ausstellung, Blind Spots, etwas genauer erklären?

Der Kurator Peter Pfrunder und ich waren uns einig, dass die Geschichten, die wir zeigen wollten, oftmals in vergessenen oder unterrepräsentierten Gebieten der Welt entstanden sind und die im westlichen Bewusstsein sind „Blind Spots“ sind.

 

Gibt es ein Bild in der Ausstellung, das Ihnen besonders viel bedeutet?

Die Bilder umfassen einen Zeitraum von 2008 bis zum vergangenen Jahr und es fällt schwer, ein einzelnes auszuwählen. Als ich Leer im Südsudan im Dezember 2015 verließ, schaute ich aus dem Fenster der kleinen Propellermaschine und sah Tausende Menschen, die sich für eine Essensverteilung in Reihen aufgestellt hatten. Ich wusste damals schon, dass ich soeben eines der stärksten Bilder gesehen hatte. Eines meiner wahrscheinlich liebsten Bilder aus Mali ist 2016 in einem Nachtclub entstanden, zu einer Zeit, als es unmöglich schien, Frieden zu finden – ein versteckter Krieg tobte im Norden des Landes. Dennoch tanzen die Menschen mit einer Leidenschaft und Hingabe, die die malische Kultur verkörpert.

 

Was müssen Bilder enthalten, um im Gedächtnis zu bleiben?

Die Bilder müssen den Betrachter innehalten lassen und ihn in die Realität und Zeit transportieren, in der das Bild entstanden ist. Ich versuche das, indem ich so viele Referenzen an Zeit, Orte oder konkrete Objekte wie möglich umgehe, sodass der Betrachter nicht abgelenkt wird und all seine Energie darauf verwendet, sich auf eine Szene oder einen Menschen einzulassen.

 

Was bedeutet die Ausstellung in Ihrem Geburtsland Schweiz für Sie?

Es fühlt sich besonders an, solch eine große Ausstellung in meinem Heimatland zu haben, und die Bilder, an denen ich so lange gearbeitet habe, meiner Familie, Freunden und einem größerem Publikum näherzubringen. Ich fühle mich, als hätte ich eine neue Stufe in meiner Karriere und meinem Leben genommen, und diese Ausstellung markiert diesen Moment. Ich teile all meine vergangenen Erlebnisse und freue mich darauf, an neuen Projekten zu arbeiten.

 

Mit welcher Kamera haben Sie gearbeitet?

2011 habe ich angefangen mit einer Leica zu arbeiten, Ende 2012 bin ich komplett umgestiegen. Zwischen 2012 und 2014 habe ich eine Leica M9 und eine Leica M-E benutzt, seit 2015 verwende ich eine M240. Ich habe auch eine Leica Q genutzt, die sehr praktisch ist, wenn sich die Ereignisse überschlagen oder ich in der Nacht arbeite. Normalerweise nutze ich nur ein 35-mm-Summicron, aber ich habe immer auch ein 50er und ein 90er in meiner Tasche.

 

Die Ausstellung „Blind Spots“ in der Fotostiftung Schweiz in Winterthur ist vom 20. Mai bis zum 8. Oktober zu sehen. (http://www.fotostiftung.ch)

 

Dominic Nahr wurde 1983 in der Schweiz geboren, aufgewachsen ist er in Hongkong. Bereits während des Filmstudiums in Toronto Arbeit als freier Fotograf. Gewinner diverser Preise, u. a. des Leica Oskar Barnack Newcomer Award 2009.

www.dominicnahr.com