Patrick Blarer fotografiert Gebäude, oft verlassen, aber lebendig. Denn noch sind die Spuren der früheren Bewohner und die Handschrift der Architekten und Handwerker sichtbar.

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Sie sind Architekt und Fotograf- aus welchem Blickwinkel heraus betrachten Sie die Gebäude?

Ich beginne immer mit einer Dokumentation und fertige fotografische Skizzen an. Ich versuche, mich in die Entwurfsarbeit des Architekten hineinzudenken. Was ergab die Analyse des Ortes? Welche Zusammenhänge mit der Umgebung waren beim Entwurf wichtig? Wie reagiert die Umgebung auf das Bauwerk? So entstehen für mich die wichtigen Bildaussagen. Die Bildserie erachte ich dann als gelungen, wenn die Atmosphäre des Ortes und des Objektes wahrnehmbar sind.

 Der Bauhaus-Fotograf Jean Molitor hat einmal gesagt: «Mir ist wichtig, die Häuser so zu fotografieren, dass sie zeitlos wirken. Dass sie dem Gedanken des Architekten nahekommen.» Ist das auch Ihre Intention?

Die Aussage von Jean Molitor trifft es für mich auf den Punkt. Wenn die Arbeit des Entwurfs sich im Bild widerspiegelt, ist das Gebäude in seinem Ursprung dargestellt, und dadurch eben zeitlos. 

Was macht für Sie die Besonderheit des Sujets Architekturfotografie aus?

Die klassische Architekturfotografie lebt von der Präzision. Das Bild ist oft so sorgfältig geplant wie der Entwurf des Architekten. Es ist ein genau dargestelltes Abbild dessen, was gebaut ist. Ich versuche in meinen Arbeiten diese Grundlagen einzubinden. Meine Schwerpunkte liegen eher in der Wirkung eines Bauwerks. Deshalb arbeite ich kaum mit einem Stativ und auch die perfekte Ausleuchtung ist für mich nicht immer so wichtig. Das Intuitive lasse ich zu, um das Gepräge eines Bauwerkes in den Vordergrund zu stellen.

Was spiegelt die Konzentration auf reine Architektur wider, im Gegensatz etwa zur Street Photography?

Mit analytischem Arbeiten kann ich Architekturaufnahmen planen. Der statische Zustand lässt mir die Zeit, um die Bildaussage zu steuern. Bei der Street Photography muss das Bild spontan entstehen. Der Moment ist entscheidend.

Eine gute Architekturfotografie ist meist mehr als nur das Abbild eines Gebäudes. Was ist entscheidend, um diesem Anspruch gerecht zu werden?

Ein Gebäude steht immer im Dialog mit seiner Umgebung und seinen Nutzern. Das Gebäude spiegelt auch den Geist der Zeit wider, in der es entstand. Es trägt die Handschrift des Architekten und der Handwerker. Gelingt es, die Qualitäten des Entwurfs darzustellen, dann ist das Bild oder die Bildserie gelungen.

Eines Ihrer Projekte heisst «Abbruch und Neubau». Hat Architektur immer mit Schönheit und Vergänglichkeit zu tun?

Dazu hat der Schweizer Architekt Luigi Snozzi einmal treffend bemerkt: «Jeder bauliche Eingriff bedingt eine Zerstörung: Zerstöre mit Verstand.» Also ja – Bauen ist ein öffentlicher Akt und setzt immer einen Eingriff in eine bestehende Situation voraus. In diesem Fall, in dieser Serie, geht es um ein Hotel und ein Restaurant in St. Moritz. Der Traditionsbetrieb wurde baulich immer erweitert und ausgebaut. Das Dokumentieren des Abbruchs und Neubaus soll dabei helfen, die Geschichte des Hauses zu verstehen. Durch Weglassen von Farbe lässt sich das noch verstärken. 

Ein Gebäude ist immer eingebettet in eine Umgebung, ein künstlich geschaffener Platz in der Natur. Wie sehen Sie darin Ihre Rolle als Architekt und Fotograf?

Als Architekt bin ich verantwortlich, dass sich meine Entwürfe in die Umgebung einfügen. Gelingt dieser Prozess, dann wird der bestehende Ort qualitativ aufgewertet. Mittels der Fotografie kann ich durch das Darstellen, durch das Hinweisen auf das Objekt die Wahrnehmung lenken und die Meinungsbildung über das Bauen anregen.

Sie arbeiten mit einer Leica Q2. Eignet sie sich besonders für die Architekturfotografie?

Die Q2 erhielt ich zu Testzwecken, normalerweise arbeite ich mit der Leica M. Das 28er-Weitwinkel ist für die Architekturfotografie natürlich prädestiniert. Die hervorragende Auflösung ist bestechend, die einfache und schnelle Arbeitsweise verblüffend. Hinzu kommt für mich noch das geräuschlose Auslösen, das finde ich grossartig. Selbst Porträts gelingen auf Anhieb. Zusammengefasst ist die Q2 rundum gelungen. Eigentlich gehört sie in das Reisegepäck eines jeden Architekten.

 Wie gehen Sie beim Fotografieren vor, was beachten Sie?

Ich muss gestehen, dass ich zu den Fotografen gehöre, die ihre Kamera vergöttern. Trotzdem versuche ich, mich auf das Sehen zu konzentrieren, und dann die Kamera nur zum Realisieren des Bildes einzusetzen. Die Bilder bearbeite ich immer thematisch gegliedert. Bei Korrekturen versuche ich, so wenig wie möglich vom Original abzuweichen.

Sie arbeiten auch als Auftragsfotograf, inwieweit ist Ihre Arbeit dennoch Kunst?

Wenn mich ein Bild berührt, dann hat es für mich das Potenzial, auch als künstlerisches Werk wahrgenommen zu werden. Letztlich liegt das Urteil aber beim Betrachter. Bei der Arbeit ist für mich die innere Haltung wichtig. Wenn ich also einen Auftrag ausführe, ist natürlich die gewünschte Bildinformation das Wichtigste. Wenn ich frei arbeite, versuche ich mich dagegen von der Wirkung des Bildes zu distanzieren und mich selbst zu überraschen. Ich entwickle Wunschbilder in meiner Fantasie und versuche, diese dann umzusetzen.

 Wie wichtig ist es für Sie, Dinge festzuhalten?

Unglaublich wichtig. Ich sehe gerne und fühle mich oft nicht imstande, die unmittelbare Gegenwart richtig und ganz wahrzunehmen. Ich muss mich dabei stark konzentrieren und das kann ich am besten, wenn ich etwas festhalte. Dazu kommt noch die Freude, dass ich das Festgehaltene immer wieder betrachten kann.

Biographie

Parick Blarer, 1968 geboren, ist ausgebildeter Architekt und erlernte vor 20 Jahren als Autodidakt das Fotografieren. Obwohl er seither beide Disziplinen beherrscht, bezeichnet er sich selbst nicht als «Architekturfotografen». Bauten sind für ihn keine toten Objekte – deren vergangenes und auch zukünftiges Leben zeigt er sowohl in seinen Auftragsarbeiten für das SWISS Magazine als auch in seinen Ausstellungen als freier Fotograf.

www.blarer.ch

https://www.instagram.com/patrick.blarer.fotografie