Kaum hat sie den Weg aus dem Werk in Wetzlar gefunden, wird die neue Leica SL2 auch schon getestet und muss in den erfahrenen Händen von Christian Lutz während eines Intensivwochenendes zeigen, was in ihr steckt. Das Ziel? Im Rahmen einer Reportage zu testen, was der Apparat zu leisten vermag, der für den harten Praxiseinsatz konzipiert wurde.

Ende September 2019 feierte das selbstverwaltete Kulturzentrum «L’Usine» sein 30-jähriges Bestehen. Für Christian Lutz war das Jubiläum eine willkommene Gelegenheit, sich in diese Ikone des Genfer Nachtlebens zu begeben, die seit drei Jahrzehnten Konzerte, Aufführungen, Partys und andere Anlässe organisiert. Eine Gelegenheit auch, erstmals und unter schwierigen Lichtverhältnissen ein Gehäuse zu testen, das er bislang nicht kannte: die Leica SL2. Das ist nicht weiter verwunderlich. Schliesslich gelangen die ersten Exemplare dieser Kamera erst Anfang November in den Handel.

«Ich bin ein Fotograf, der seinem Instinkt folgt. Gebrauchsanweisungen zu lesen, ist gar nicht mein Ding.» Ich habe das APO-Summicron-SL 1:2/35mm ASPH an das Gehäuse angeschlossen, die Einstellungen von Hand vorgenommen und sofort mit dem Fotografieren begonnen.» Eine Art, die wichtigsten und grundlegendsten Eigenschaften eines Materials ohne Umschweife kennenzulernen. «Ich gebs gerne zu: Ich wurde nicht enttäuscht. Die Bildqualität ist bemerkenswert, die Farbtöne werden natürlich wiedergegeben, und der Autofokus bietet eine beeindruckende Performance.» Das alles sind Eigenschaften, die in den Augen von Christian Lutz zentral sind.

Im Hinblick auf eine kompromisslose Bildgestaltung kommen dem Genfer Fotografen auch die Helligkeit und die Schärfe des Suchers der Leica SL2 entgegen. Einige seiner Abzüge, etwa jener, auf dem vier Frauen und die Rückensilhouette eines Mannes zu sehen sind, sind sehr ausgeklügelte Kompositionen, in denen sich mehrere Bildebenen überlagern. Derartige Kompositionen setzen natürlich einen sehr leistungsfähigen Sucher voraus. «Ich bin da sehr anspruchsvoll, auch für den Fall, dass nicht viel Licht vorhanden ist. Ich muss das Sujet rasch erfassen, und um anschliessend das Bild zu komponieren, muss ich mich auf einen erstklassig ausgeleuchteten Sucher stützen können.» Es ist kein Zufall, dass er auch den Messsucher der Leica M – er hat nacheinander mit den Leicas M3, M4 und M6 gearbeitet – und den Sucher seiner Leica Q2 schätzt.

Am Ende der Nacht, wenn die Körper langsam müde werden vom Feiern, ist Christian Lutz immer noch voll bei der Sache und fotografiert unermüdlich weiter. Dabei entsteht etwa jenes Bild, auf dem glückliche, emotionale oder nachdenkliche Gesichter zu sehen sind. «Ich versuche immer, mich beim Hochschrauben der Filmempfindlichkeit zurückzuhalten, aber dieser Apparat bewahrt auch bei hohen ISO-Zahlen eine hervorragende Bildqualität.» Selbst bei ISO 1600, für mich in der Regel eine Obergrenze, die ich nicht überschreiten möchte, sind die Bilder immer noch feinkörnig und scharf. »

Fazit zum ersten Praxistest: Die Leica SL2 hat ihn bestanden – und das nicht knapp, sondern bravourös.

Biografie

Nach einer Ausbildung an einer Handelsschule in den 90er-Jahren, die seinen Vorstellungen nicht entspricht, absolviert Christian Lutz eine dreijährige Ausbildung an der ESA 75 (Ecole Supérieure des Arts et de l’Image) in Brüssel. Im Anschluss an seine Rückkehr nach Genf wird er selbständiger Dokumentarfotograf und ist sich in der ersten Zeit nicht zu schade, Pizzas auszuliefern oder ein Behindertentaxi zu führen, um seine ersten persönlichen Arbeiten finanzieren zu können. Es dauert nicht lange, bis seine Fotos Anerkennung finden, publiziert und ausgezeichnet werden. Sie werden im Rahmen internationaler Ausstellungen gezeigt. Darüber hinaus erscheinen mehrere Fotobücher, darunter die Trilogie, in der politische, wirtschaftliche und religiöse Macht thematisiert werden: Protokoll, Tropical Gift und In Jesus’ Name. Im Sommer 2019 verzeichnet die Ausstellung Eldorado – eine Auseinandersetzung mit der Welt der Casinos in Las Vegas und Macao – anlässlich der «Rencontres de la photographie» in Arles einen grossen Erfolg.

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