Das legendäre Bergrennen aus den 1920er-Jahren, das Bernina Granturismo, ist wiederauferstanden. Mit dabei: Nicht nur Leicas Aufsichtsratsvorsitzender Dr. Andreas Kaufmann mit gleich vier klassischen Automobilen, sondern auch der Fotograf Jean-Jacques Ruchti, der nicht nur die Classic Car ablichtete, sondern zusätzlich noch einen Kurs für die Leica Akademie Schweiz gab.

Nur aus reiner Neugier: Wie wird man eigentlich als Fotograf Partner eines Formel-1-Teams?

Als BMW 2009 aus der Formel 1 ausstieg, wollte die Sauber-Mannschaft, aus der das Team ja hervorgegangen war, weitermachen. Es gab aber keine Sponsoren und damit kein Geld, wir sind zuerst sogar mit einem weißen Auto herumgefahren. So wurden viele, mit denen Sauber weiterarbeiten wollte, zu Partnern, darunter auch ich für drei Jahre. Ich hatte ja schon vorher immer wieder fürs Team gearbeitet und die Jahre als Partner waren dann einfach eine tolle Zeit.

Siehe dazu den Blog Post von 2014

Und wie sind Sie zum Bernina Granturismo gekommen, wo Sie ja sogar einen Kurs für die Leica Akademie gegeben haben?

Darüber wurde schon seit einer Weile gesprochen, aber nachdem Herr Kaufmann mit seinem eigenen Leica Team mitfahren wollte, sollte auch etwas Tiefgründigeres über dieses Rennen entstehen. Die Bernina-Granturismo-Gemeinde hat sich ja rasant vergrößert und klassische Rennen mit alten Autos sind ein großer Publikumsmagnet mit viel Potenzial. Außerdem wünschte sich die Leica Akademie, dass ich im Rahmen des Rennens eine Veranstaltung zum Thema Autofotografie durchführe. Das haben wir dann auch geschafft und gut auf die Bühne bekommen, obwohl es zeitlich teilweise ein bisschen eng war.

Wieviel Zeit hatten Sie denn für die Aufnahmen?

Die Veranstaltung ging über drei Tage, aber wir haben schon zwei Tage vorher angefangen und auf der Landebahn des Flugplatz Samedan alte Autos bei einem Beschleunigungsrennen fotografiert, das es schon im Engadin in den 1920er-Jahren gab und das man jetzt wieder aufnehmen möchte. Das Rennen soll mit diesen Bildern für das nächste Jahr ausgeschrieben werden.

 

Die Bilder vom Flugplatz sind also fürs Foto gestellt?

Ja, aber es war cool. Es wurden zehn Autos aus aller Welt dorthin transportiert, aus jedem Jahrzehnt ein Auto, das zu seiner Zeit Geschichte bei Beschleunigungsrennen geschrieben hat. Das älteste stammte aus den 20ern, das neueste war dann wirklich der jüngste Bugatti mit – ich glaube – 1500 PS. Der hatte natürlich auch Spaß auf dem Flugfeld, weil er mal abdrücken durfte. Das darf man ja sonst in der Schweiz nicht, da haben die Ordnungshüter keinerlei Humor.

Die eigentlichen Rennfotos waren dann ja mit einem enormen Aufwand verbunden, Sie brauchten sogar ein spezielles Auto nur für die Kamera?

Diese Technik habe ich in der Formel 1 erarbeitet. In der Formel 1 hat man eigentlich immer die Kiste auf die Piste gestellt, fotografiert und dann mit Photoshop den Speed hineinretuschiert. Wir haben uns damals für das Sauber-Team eine Philosophie erarbeitet und gesagt: Nein, wir machen das nicht, bei uns soll alles echt sein. Also haben wir einen Kamerawagen umgebaut und den fahrenden Formel-1-Boliden fotografiert. Dabei entsteht ein vollkommen anderer Eindruck von der Geschwindigkeit, denn der ist echt und nicht künstlich. Diese Technik habe ich dann weiter genutzt und jetzt beim Bernina Granturismo erneut verwenden können. Wir haben eine Hellcat von Dodge mit 800 PS dafür umgebaut und mit Technik vollgestopft. Aber auch da sind die Rahmenbedingungen so, dass es eigentlich gar nicht erlaubt ist. Man muss sich immer eine gute Nische suchen und mit dem Rennleiter gut stellen, dann klappt es auch.

Die Aufnahmen erfolgen also wirklich im Renntempo mit Ihnen verkehrt herum angeschnallt im Kofferraum?

Genau. Es ist wirklich ein großer Unterschied im Endresultat, ob du fest am Pistenrand stehst und mitziehst oder ob du wirklich mitfährst. Das ist eigentlich die einzige Technik, mit der man die Geschwindigkeit wirklich schön rüberbringen kann. Aber es braucht schon einen gewissen Aufwand: Man muss ein gutes Auto mit einem guten Fahrer haben und muss das Auto umbauen. Und man braucht ja auch Licht am Kamerafahrzeug, sonst funktioniert das alles nicht. Auch der Fahrer, der hinterherfährt, muss gut eingewiesen sein, denn man muss für den richtigen Bildeindruck schon auf zwei oder drei Meter herankommen, obwohl wir oft über 100 Stundenkilometer fahren. Ich nutze meistens die 35-Millimeter-Brennweite an der Leica S, sonst entsteht dieser Bildeindruck einfach nicht.

Ist die Leica S im Renntempo nicht sehr schwierig zu handhaben?

Klar, es schüttelt natürlich mächtig und es gibt auch eine Menge Ausschuss, aber wenn es sitzt, dann sitzt es. Ich halte die Leica S gerade in diesem Fall für ein sehr, sehr gutes Instrument. Und wenn es um Geschwindigkeit geht, finde ich, muss nicht immer alles perfekt eingefroren und scharf sein, es darf auch eine Bewegung drin sein, die Frage ist nur, wo und wie viel.

Machen Sie denn auch klassische Autofotografie im Studio?

Ja, außer freien Arbeiten mache ich auch werbliche Aufnahmen für Autohersteller und habe ab und zu einen Auftrag von einem Besitzer oder Sammler, der entweder sein Auto dokumentiert haben oder es verkaufen möchte. Ich habe zum Beispiel mal vor einigen Jahren einen ganz besonderen Bugatti fotografiert und auch die Restauration dokumentiert. Daraus entstand ein Buch, das dann quasi die Verkaufsdokumentation für die Versteigerung war. Aber neben all diesen Hochglanz-Projekten muss ich zum Ausgleich auch immer wieder mit meiner Leica M auf Reportage gehen und beispielsweise nach Afghanistan reisen.

 Über Jean-Jacques Ruchti

Der 1965 geborene Jean-Jaques Ruchti erlernte zuerst den Beruf des Automechanikers und einige Jahre danach den des Fotografen. Neben seinen Reportagen arbeitet er oft für die Werbe- und Autobranche. Viele Jahre fotografierte er dabei auch für das Sauber Formel 1-Team, dessen offizieller Partner er für einige Jahre war. Darüber hinaus ist er regelmäßig als Kursleiter für die Leica Akademie Schweiz tätig.