Marco Bischof, Sohn des legendären Schweizer Fotografen Werner Bischof, kümmert sich um den Nachlass seines Vaters und sorgt dafür, dass seine Bilder weiterhin Geschichten erzählen.
Hat Sie der Beruf Ihres Vaters beruflich beeinflusst? Welchen Weg haben Sie eingeschlagen?
Marco Bischof: Natürlich hat mich die Arbeit meiner Eltern beeinflusst. Ich wuchs in der Welt der Bilder auf geprägt von ethischem Verständnis. So bin ich in dann in die Filmwelt eingetaucht. Heute beschäftige ich mich mit bewegten und unbewegten Bildern.
In seinem Frühwerk hat Ihr Vater sich auf fotografische Experimente mit Licht und Schatten, Makroaufnahmen, wie das der Muschel und der Zwiebel oder seine künstlerischen Aktaufnahmen konzentriert. Sie zeigen das Auseinandersetzen mit der Neuen Sachlichkeit, bei der es um eine stringente, objektive Bildsprache geht. Er lernte bei Hans Finsler, dem Pionier der neuen Fotografie/Sachlichkeit in der Schweiz, an der Kunstgewerbeschule in Zürich. Wie ging es nach dem Studium für Ihren Vater weiter?
Marco Bischof: Ich sehe die Entwicklung meines Vaters wie folgt:
Der Zweite Weltkrieg zwang ihn, in der Schweiz zu bleiben, wo er seine Technik als Studiofotograf perfektionierte. (>Early Works)
1945, kaum war der Krieg zu Ende, reiste er durch ganz Europa und brachte die wohl umfassenste Dokumentation des Nachkriegseuropas nach Hause. (>Europe 1945-1950)
1949 trat er der Fotografengruppe Magnum Photos bei und bereiste als Fotojournalist vor allem Asien. (>World 1951-54)
1953, enttäuscht vom Fotojournalismus, reiste er mit dem Schiff nach New York. Dort suchte er auf einer geplanten Autoreise durch Amerika „Neue Wege im fotografischen Ausdruck“. Doch der Tod ereilte ihn mit 38 Jahren in den Anden von Peru. (>World 1951-54)
Ihr Vater hat in einer Zeit angefangen zu fotografieren, in der sich Bildmagazine als das neue Mitteilungsmedium etablierten. Die Berichterstattung wurde visuell, Magazine verbreiteten Geschichten aus fernen Ländern, die Menschen konnten endlich sehen, was in der Welt geschieht. So bildete sich immer mehr das Berufsbild des Fotojournalisten heraus. Wie kam es dazu, dass Ihr Vater die fotojournalistische Richtung einschlug?
Marco Bischof: Es war „Das goldene Zeitalter des Fotojournalismus“, er war neugierig, wollte die Welt bereisen und musste seine Familie ernähren. Doch nach zwei Jahren war ihm klar, dass die Editoren der Zeitschriften meist nicht das druckten, was er gesehen hatte und publizieren wollte. So wandte er sich bald ab und suchte neue Wege. (>India 1951)
Bildreportagen ermöglichten es den Menschen, den „Daheimgebliebenen“, an Ereignissen teilhaben zu lassen. Die Gesellschaft war in der Lage, sich eine Meinung über das Weltgeschehen zu bilden. Sah Ihr Vater sich als eine Art Übermittler, den Menschen über die Ereignisse in der Welt zu berichten?
Marco Bischof: Zitat: «Es trieb mich hinaus, das wahre Gesicht des Menschen kennen zu lernen.”
Ja – sehr sogar – er hatte hohe ethische Ansprüche und empfand sich als „Aufklärer“. Die Bilder gelangten durch Zeitschriften und Illustrierten zu den Leuten nach Hause. Bald musste mein Vater feststellen, dass man in der Presse oft andere Ziele verfolgte, als das vom Fotografen Erlebte direkt weiterzugeben. Man muss sich auch vor Augen halten, dass es damals noch nicht einmal das Fernsehen gab – von Internet und Social Media ganz zu schweigen. (>India 1951)
Die 50er-Jahre waren eine Zeit des Aufbruchs, auch für Werner Bischof. Die Aufträge der Magazine ermöglichten ihm, die Welt zu bereisen und sich in fernen Ländern mit den Menschen und ihrem Lebensraum zu beschäftigen. Reisen waren damals extrem kostspielig. Was bedeutete es für einen Fotojournalisten eine Weltreise vor mehr als 70 Jahren anzutreten?
Marco Bischof: Das war noch richtig Abenteuer, es bot auch die Gelegenheit, ein Bild zu prägen. Im Fall von Werner Bischof z.B. wurde das „Japan Bild“ von vielen Menschen im Westen durch das 1954 erschienene Buch „Japan“ geprägt. Auch finanziell sah es ganz anders aus: So blieb mein Vater zwei Jahre in Asien, denn ein Flug nach Japan war etwa zehnmal so teuer wie heute. (>Japan 1951-52)
Gab es auch Hindernisse in seinem Job oder konnte er sich immer frei bewegen?
Marco Bischof: Hindernisse gab es viele und es galt sie zu überwinden. Ich denke z.B. an das Kriegsgefangenenlager in Südkorea, wo eine Umerziehung der Gefangenen stattfand. Da musste man die Bilder der Zensur vorlegen. (>Koje-Do 1952)
Dann waren da auch Verständigungsschwierigkeit z.B. in einem vom Krieg verschonten Dorf in Indochina. Da zeigte sich mein Vater als sehr empathischer Mensch und setzte sich erst vor dem Dorf auf einen Stein und begann zu zeichnen. Erst als die Kinder zu ihm kamen und ihn einluden, betrat er die Siedlung. (>Barau 1952)
Wie lief das mit dem Entwickeln von Filmen auf Reisen ab?
Marco Bischof: Im Nachkriegseuropa verfügte er über einen Wagen mit eingebauter Dunkelkammer. Später, auf seinen Weltreisen, entwickelte er jeweils vor Ort oder schickte die belichteten Filme direkt zu Magnum Photos in Paris oder New York in ein Labor des Vertrauens.
Das Œuvre Ihres Vaters zeichnet sich durch die Kombination von dem Künstlerischen und dem Dokumentarischen aus: Zwei Richtungen, die auf den ersten Blick divergieren. Eine präzise Formenkomposition verschmilzt mit einem spontanen Aktionsgeschehen, dadurch werden seine Bilder unverwechselbar und erhalten ihre eigene Handschrift.
Welches Bild beschreibt die eigene Handschrift Ihres Vaters am meistens?
Marco Bischof:
Einige Bilder die typisch sind und den „Werner Bischof Stil“ ausmachen, ist die Kombination zwischen Form und Inhalt. Ihr Vater war kein Freund der Sensationspresse, sondern suchte immer nach dem Menschen hinter den Geschichten. Dadurch sind seine Fotografien gefühlvoller und sensibler als jene von anderen Fotojournalisten zu dieser Zeit. Hat Ihr Vater eine bestimmte Vorgehensweise gehabt, sich einer Geschichte anzunähern?
Marco Bischof: Er näherte sich der Situation langsam, zeichnete und beobachtete erst bevor er die Kamera hervornahm. In der Fähigkeit mit Menschen fremder Kulturen und Sprachen zu kommunizieren, zeigte sich die Empathie, über die er verfügte.
War Ihr Vater mehr Fotoreporter oder Künstler in seinem Herzen?
Marco Bischof: Zitat: «Ich gehe immer und überall zu tief in die Materie hinein. Das ist nicht journalistisch. Ich merke, dass ich kein Zeitungsreporter bin. In meinem Innersten bin ich immer noch – und werde es immer bleiben – ein Künstler.“
Wer hat sich nach dem frühen Tod Ihres Vaters um sein Erbe gekümmert und wann haben Sie sich näher damit auseinandergesetzt?
Marco Bischof: Nach seinem Tod hat sich seine Frau Rosellina um sein Werk gekümmert: Als sie dann 1986 verstarb, habe ich übernommen.
Was bedeutet es für Sie, das Erbe Ihres Vaters zu vertreten und zu verwalten? Mit welchen Herausforderungen müssen Sie sich auseinandersetzen?
Marco Bischof: Es ist mir ein Privileg, mit dem Material meines Vaters zu arbeiten. Ich war ja vier Jahre alt, als er verunfallte und so habe ich nun die Gelegenheit, ihn über sein Schaffen kennenzulernen.
Ich sehe es auch weiter als nur das „Werk meines Vaters“, ich denke seine Arbeiten sind Teil unserer Kultur- und Zeitgeschichte geworden.
Die Leica Galerie Frankfurt zeigt in einer breit gefächerten Werkschau sowohl frühe Arbeiten des Schweizer Fotografen Werner Bischof, die sich durch Studien von Form, Licht und Schatten auszeichnen, aber auch spätere journalistische Fotografien unter anderem im Auftrag der Fotoagentur Magnum Photos. Die Ausstellung kann noch bis zum 31. August 2021 besucht werden.
Werner Bischof Fotografien können unter folgendem Link erworben werden: https://www.leicastore-frankfurt.de/werner-bischof?p=1
Mehr auf www.wernerbischof.com
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