Die beidseitige Liebe zur Fotografie war zunächst der kleinste gemeinsame Nenner, als Ulka Chauhan die Idee hatte, den Schweizer Meisterfotografen René Groebli zu porträtieren. Die Fotografin, die zwischen Zürich und Mumbai pendelt, hat sich erst vor wenigen Jahren professionell dem Medium verschrieben. Der heute 94-jährige René Groebli wiederum hat es durch seine innovativen Impulse sechs Jahrzehnte lang wesentlich geprägt. Bereits als 22-Jähriger kaufte der Fotograf seine erste Leica, mit der er die Serie Magie der Schiene (1949) realisierte – ein wegweisendes Werk aus den Anfängen der „Subjektiven Fotografie“.

Video-Porträt: https://www.ulkachauhan.com/the-man-behind-the-magic-a-video-portrait  

Hier erzählt die Fotografin, welche Verbindungen sie zu Leica Kameras hat, wie die Idee zu ihrem Videoporträt entstand, sie den Kontakt zu René Groebli fand und was sie am meisten an ihm beeindruckt hat.

 

René Groebli arbeitet seit 1949 mit Leica Kameras, Sie benutzen eine Leica M10-R. Was war Ihre Verbindung zu Leica Kameras?

Die Rolleiflex, die er 1942 für seinen Vater kaufte, war seine erste Kamera, im Lauf der Zeit arbeitete er mit verschiedenen Kameras, darunter Leica und Hasselblad. Seine erste Leica erwarb Groebli 1949 und arbeitete damit an seiner Serie Magie der Schiene, in der er die Faszination der Dampflok und des Schnellzugs von Paris nach Basel einfing. Was mich betrifft, so geniesse ich die Kunst der bedächtigen Fotografie mit dem Messsucher. Ich liebe auch die Art und Weise, wie die Kamera und die von mir verwendeten M-Objektive (28er, 35er, 50er und 90er) Licht und Farbe wiedergeben, so als wären sie mit blossem Auge aufgenommen worden.

 

Warum haben Sie sich für diese Brennweiten entschieden?

Ich besitze vier Leica Objektive, ein Summilux-M 1:2/35 ASPH., das ich zusammen mit meiner Leica M10-R gekauft habe. Dann ein altes Elmarit 1:2.8/90, das Teil der Leica Sammlung meines Vaters war. Um verschiedene Brennweiten für Landschaftsdokumentationen und Umweltporträts zu haben, beschloss ich, meine Ausrüstung noch um ein Summicron-M 1:2/28 ASPH. und ein Summilux-M 1:1.4/50 ASPH. zu erweitern.

 

Was bewundern Sie am meisten an Groeblis Arbeit?

Ich liebe die ruhige und poetische Eloquenz seiner Bilder. Seine klassischen Schwarz-Weiss-Bilder mit gezielter Körnung, seine trendigen und doch zeitlosen von Pop- und Op-Art inspirierten Farbarbeiten, seine Experimente mit Bewegung und seine intime Serie Eye of Love, die während seiner Flitterwochen in Paris im Jahr 1952 entstand. Es kommt nicht oft vor, dass in einem Buch jedes Bild zu mir spricht. Ich bin mir nicht sicher, woran es liegt, aber in The Magic Eye hat mich jede Seite angesprochen. Ich wurde ein grosser Fan und Bewunderer seiner Arbeit und das will ich auch nicht verbergen.

 

Der heute 94-jährige René Groebli lebt nach einer internationalen Karriere heute in Zürich. Ihre fotografische Laufbahn ist noch sehr viel jünger. Wie sind Sie mit Groebli in Kontakt gekommen?

Ich dachte erst daran, mit ihm in Kontakt zu treten, nachdem ich Mitglied des Street-Photographer-Kollektivs swissstreetcollective geworden war. Als Mitherausgeberin des Blogs von swissstreetcollective bin ich ständig auf der Suche nach Fotografen aus allen Genres, deren Arbeit ich bewundere, damit ich sie für den Blog interviewen kann. Und Groebli stand natürlich an erster Stelle.

 

Mit welchen Gefühlen sind Sie auf diese Fotolegende zugegangen?

Ich war ein wenig ängstlich, denn es liegt eine so grosse Kluft hinsichtlich Zeit, Raum, Sprache und Kultur zwischen uns. Er mit einer international angesehenen Karriere, die sich über mehr als 60 Jahre erstreckt, und ich, die relativ neu in dem Metier ist. Doch trotz dieser Kluft wusste ich, dass wir eines gemeinsam hatten – eine gemeinsame Liebe zum Medium. In diesem Sinne und mit viel Ermutigung und Unterstützung von Bastian Peter (Gründer von swissstreetcollective) beschloss ich, auf ihn zuzugehen. So sehr ich auch befürchtete, nichts von ihm zu hören, wusste ich doch, dass es eine Chance war, die es wert war, ergriffen zu werden.

 

Wie kamen Sie auf die Idee, einen Film über Groebli zu drehen?

Es war im Sommer 2021, als ich mich vor seiner Haustür wiederfand. Bei ihm zu Hause zu sein, fühlte sich fast surreal an. Ich war sehr nervös, aber seine sanfte und freundliche Art sorgte sofort dafür, dass ich mich wohl fühlte. Nachdem wir über seine Fotografie und bahnbrechende Techniken gesprochen hatten, ging es um persönlichere Dinge, um das Leben, die Gesundheit, Beziehungen und mehr. Zuerst wollte ich das Interview nur in schriftlicher Form veröffentlichen. Aber nachdem ich ihn getroffen hatte, fühlte ich, dass ich damit allein seiner Arbeit und seiner Bedeutung nicht gerecht werden könnte. So entstand die Idee des Videoporträts The Man Behind the Magic.

 

Was hat Ihnen beim Videoporträt am meisten Spass gemacht?

Ich habe es genossen, diesen Film zu machen, besonders den Aspekt der Zusammenarbeit. Ich möchte mich bei allen bedanken, die mitgemacht haben, ohne sie wäre dieses Video nicht entstanden: Bastian Peter, Gründer von swissstreetcollective, für seine ständige Ermutigung und Unterstützung von Anfang bis Ende. Boas Wigger und Tobias Meyer von Videolutions für ihre erstaunliche Arbeit als Kameramann (mit der Leica SL2-S) und Redakteur. Leica Schweiz und LFI für die Bereitstellung einer Plattform für die Veröffentlichung. Und schliesslich möchte ich natürlich René Groebli meinen Dank dafür aussprechen, dass er sein unglaubliches Werk und seine Geschichte geteilt hat.

 

Was wünschen Sie sich, sollten Betrachterinnen und Betrachter aus dem Porträt schöpfen?

Dieses kurze und intime Videoporträt von Groebli beleuchtet sein Werk, das sowohl fest in der Zeit verankert ist als sich auch kraftvoll durch sie hindurchbewegt. Es hat mich in meiner eigenen Praxis herausgefordert, Grenzen zu überschreiten. Ich hoffe, dass dieser Film und Groeblis Arbeit so als Inspirationsquelle für andere dient, wie es für mich der Fall war.

 

Ulka Chauhan

Die in Mumbai geborene Fotografin lebt und arbeitet in Zürich und Mumbai. Chauhan hat am Babson College in Boston einen Bachelor-Abschluss in Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Finanzen erworben. Bevor sie sich auf ihre Reise in die Fotografie begab, arbeitete sie in der Werbung bei Young & Rubicam in New York und bei Rediffusion Y&R in Mumbai. Eine Reise in das Naturschutzgebiet Masai Mara in Kenia entfachte 2019 ihre Leidenschaft für die Fotografie, seither ist sie als Dokumentar und Street Photographer tätig. Das Condé-Nast- Magazin «Traveller» hat ihr Buch «Two Worlds» vorgestellt. Eine Ihrer Arbeiten ist in «Leica Fotografie International» erschien, Chauhan wurde mit einem Tokyo International Foto Award ausgezeichnet. Sie hat an Ausstellungen und Fotofestivals in Mumbai, Zürich, Treviso und Venedig teilgenommen.

Ausrüstung: Leica M10-R mit Summicron-M 1:2/28 ASPH., Summilux-M 1:1.4/35 ASPH., Summilux-M 1:1.4/50 ASPH. und Elmarit-M 1:2.8/90

Websitewww.ulkachauhan.com

Auf Instagram: @ulkachauhan

LFI Gallerie: https://lfi-online.de/ceemes/de/galerie/Ulka-Chauhan-598221.html 

 

Bildunterschriften (alle) – Ulka Chauhan: aus ihrer Serie Der Mann hinter der Magie, 2021

© Ulka Chauhan