Die Suche nach neuen Perspektiven und neuen Sichtweisen auf die Welt war eine der treibenden Kräfte in der Evolution der Fotografie. Seit der Jahrhundertwende hat sich der Look-up, der Blick nach oben, als mächtiges Medium etabliert, mit dem der Fotograf nicht nur die architektonischen Details und Formen bestimmter Gebäude enthüllen, sondern dem Betrachter auch deren Größe und imposante Natur vermitteln kann. Im Gegensatz zu den stark verzierten romanischen und gotischen Innenräumen der europäischen Kathedralen, die im 15. Jahrhundert erbaut wurden, und der minimalistischen, modernistischen Architektur des späten 20. Jahrhunderts, haben BigKids eine beneidenswerte Beherrschung des Look-ups entwickelt. Wir haben uns mit BigKids getroffen, um herauszufinden, wie sie ihre markanten Bilder gestalten und warum sie einen minimalen Ansatz bevorzugen.

Wer sind die BigKids? Und woher kommt dieser Name?

Mein Name ist David Werbrouck. Ich bin Belgier und lebe derzeit in Frankreich. Ich bin Grafikdesigner und Fotograf. Ich wollte meine Arbeiten nicht mit meinem vollen, echten Namen ausstellen, weil mir die Egozentrik dieses Ansatzes noch nie gefallen hat. Stattdessen wollte ich einen Namen, der alles in der Zusammensetzung meiner DNS widerspiegelt. Dazu gehört auch mein kindliches Verhalten als „kidult“. Deshalb ist der Name BigKids so aussagekräftig.

Wie kamen Sie und die Fotografie zusammen?

Ich habe mich schon immer mehr für visuelle Ausdrucksformen interessiert, aber ich bin über einen mehrjährigen Prozess in die Welt der Fotografie eingetreten. Die wichtigsten Schritte, an die ich mich erinnere, waren ein Gespräch mit meinem Großvater über die Moderne und die technischen Aspekte der Fotografie: Er hatte immer eine Kamera dabei. Er brachte mir alle Grundlagen bei und vor allem gab er mir meine erste Kamera, die ich noch heute benutze: eine Yashica Mat. Von diesem Moment an verbrachte ich meine Zeit damit, Aufnahmen zu komponieren, ohne unbedingt zu fotografieren (aus Kostengründen). Ich war fasziniert davon und alles schien schöner zu sein, wenn es auf dem mattierten Glas reflektierte, eingefangen in einem Rahmen im Maßstab 1:1.

Später entdeckte ich die Arbeit von Frank Miller über „Sin City“ und die Filme von Orson Welles. Ihre Kompositionen, ihre Arbeit mit Licht, Vordergrund und Hintergrund ist einfach nur verrückt und hat mich völlig umgeworfen. Das sind die Welten, die ich für mich selbst gebaut habe. Seither mache ich ständig Fotos. Ich beobachte das Licht und die möglichen Kompositionen die ganze Zeit. So sehe ich die Dinge jetzt.

Woher rührt Ihr Interesse für Architektur? Habe andere Fotografen Sie inspiriert oder ihre Arbeit beeinflusst?

Ein architektonisch gelungenes Gebäude vereint im Allgemeinen alle Aspekte, die mir am ehesten bewusst sind: Proportionen, Perspektive, Materialien, Geometrie, Licht und Schatten, kontrastierende Farben und organische oder minimalistische Details. Obwohl es statisch ist, kann ich mich darum herumbewegen, innerhalb, über und unter ihm. Das lässt mir Zeit, eine Komposition zu schaffen und auf das ideale Licht zu warten. Bei einem Gebäude sind die Möglichkeiten endlos. Ich erkunde auch die Umgebung, die oft genauso interessant ist und versuche immer, eine neue Perspektive zu schaffen, anstatt ein Foto zu reproduzieren, das mir bereits bekannt ist. Ich plane meine Ausflüge oft um die Gebäude herum, die ich besuchen und fotografieren könnte. Für mich sind sie wie Prominente, die zu treffen, ich kaum erwarten kann. Es spielt keine Rolle, ob die Architektur zeitgenössisch ist oder klassisch, religiös oder anderweitig ist.

Meine Arbeit ist hauptsächlich vom Film noir und von Musik geprägt. Tatsächlich gibt es nicht wirklich Fotografen, die einen großen Einfluss auf mich hätten. Andererseits bin ich ein großer Fan der Arbeiten von Boogie, Gil Rigoulet und Khalik Allah, ohne mich unbedingt von ihnen inspirieren zu lassen.

Der Look-up ist als eigenständiges Genre auf Instagram unglaublich beliebt. Woher denken Sie, kommt diese Popularität?

Ich glaube, dass dieses Genre die erste Hürde, die es als Fotograf zu überwinden gilt, deutlich veranschaulicht: verschiedene Dinge verschieden zu betrachten. Sie können sehr schnell ein auffälliges Foto machen, daran besteht kein Zweifel.

Ihre Serie umfasst die unglaublich kunstvollen Innenräume klassischer Gebäude wie Kirchen und den schlichten Minimalismus der modernen Architektur. Was ist Ihrer Meinung nach der Reiz dieser gegensätzlichen Formen?

Diese beiden Stile haben eine unglaubliche Tiefe und Fülle: Die Möglichkeiten sind einfach enorm. Manchmal ist es schwer, sich nicht zu sehr in das Ganze hineinzuversetzen: Ich bin da manchmal wie ein Kind in einem Süßwarenladen. Abgesehen davon: Seit ich sehr klein war, stelle ich mir immer vor, wie es wäre, wenn die Decke zum Boden würde und ich durch die Gewölbedecke gehen könnte. Sie wird zu einer Welt an sich, düster und fast organisch. Das ist einer der Gründe, warum ich oft zu meinen Fotos zurückkehre, um sie aus einer neuen Perspektive zu betrachten.

Was ich an der zeitgenössischen Architektur so unglaublich finde, ist die Fähigkeit, eine abstrakte Perspektive an ihre Grenzen zu bringen. Einige Gebäude bieten eine wirklich reiche Materialquelle; man muss das Motiv nur richtig einrahmen, das richtige Licht bekommen (manchmal muss man warten oder zurückkommen) und das ist alles. Es ist ein bisschen klischeehaft, das zu sagen, aber es ist wie ein Maler mit Pinseln, Farben und dem Modell.

Ihr minimalistischer Ansatz wird dadurch verstärkt, dass Sie Schwarz-Weiß fotografieren. Warum bevorzugen Sie diese Form?

Sowohl wegen meiner visuellen Kultur als auch deshalb, wie ich meine Präferenz für einen minimalistischen Ansatz ausdrücken möchte. Ich ziehe es vor, die Aufmerksamkeit auf das Motiv und die Komposition des Fotos zu lenken. Ich denke, dass ein Schwarz-Weiß-Foto immer besser lesbar ist. Es ist direkter, leichter zugänglich, ehrlicher und zeitloser. Ehrlich gesagt, kann ich einfach keine Farbfotos machen. Im Ernst. Ich finde es unmöglich, weil es zu viele Informationen gibt, mit denen ich mich auseinandersetzen muss, und meine wenigen Versuche in Farbe waren schwach und flach. Ich finde auch, dass aus grafischer Sicht die Schatten und Kontraste in einem gut ausgeführten Schwarz-Weiß-Foto einfach großartig sind.

Wie gehen Sie vor, um diese atemberaubenden Blicke zu finden und zu komponieren? Können Sie uns etwas mehr über Ihren Vorgehensweise erzählen?

Wann immer ich reise, besuche ich so viele Gebäude wie möglich. Wenn ich in ein Gebäude komme, schaue ich sofort, welche Aufnahmen ich machen könnte, ohne darüber nachzudenken. Es geschieht alles auf natürliche Weise. Dann nehme ich mir die Zeit, herumzulaufen und das Gebäude zu erforschen, ich verliere mich darin. Ich warte auf das ideale Licht oder bis niemand außer mir da ist, um sicherzustellen, dass die Bilder den größtmöglichen Effekt haben. Dann mache ich die Aufnahmen, die ich mir bereits vorgestellt hatte. Manchmal habe ich meine Leica nicht dabei und ich verpasse eine Gelegenheit, was mich jedes Mal krank macht. Glücklicherweise passiert mir das immer seltener.

Mit welchen Kamera(s) und Objektiven arbeiten Sie, wenn Sie diese Aufnahmen machen? Was sind Ihrer Meinung nach die Vorteile Ihres Aufbaus?

Ich arbeite hauptsächlich mit einer Leica SL und einem Super-Elmar-M 1:3,8/18 mm ASPH. Ich liebe seinen völlig einzigartigen Formfaktor und seine minimalistische Oberfläche. Dazu kommt der hervorragende EyeRes-Sucher (den ich auf Schwarz-Weiß eingestellt habe), der mir eine perfekte Kontrolle über die Komposition und das Endergebnis bei dem von mir aufgenommenen Bild gibt. Für mich ist das Leica SL auch der perfekte Body für M-Objektive. Es ist eindeutig die beste Kamera, die ich je hatte.

Die Verwendung starker Kontraste ist ein Merkmal vieler Ihrer Arbeiten. Was denken Sie, bringt diese Technik in Ihren Aufnahmen hervor?

Ich liebe Schwarz-Weiß-Kontraste, mit hartem Licht und tiefen Schatten. Ich habe den größten Spaß mit dem kreativen Aspekt meiner Fotografie. Das dürfte aus meinem Hintergrund im Grafikdesign kommen, um die Flut nutzloser Informationen einzudämmen. Es ist meine Handschrift. Ich verwende diese Technik hauptsächlich, um mich von der Identität des tatsächlichen Gebäudes zu lösen, sodass das fotografierte Detail zu einem eigenständigen Gebäude wird.

Wie sehr sind Sie bei den Innenaufnahmen dieser Serie auf Available Light angewiesen? Mit welchen Einstellungen arbeiten Sie, um das Beste aus dem Licht herauszuholen, sowohl während der Aufnahme als auch bei der Bearbeitung Ihrer Bilder?

Licht bedeutet alles. Es ist mein wichtigstes Werkzeug. Licht ist das, was den Großteil der Komposition ausmacht. Manchmal besuche ich ein unglaubliches Gebäude, aber im Freien ist das Wetter grau, mit einem sehr diffusen Licht – also ist das Spiel vorbei. Die ideale Bedingung ist ein sonniger Tag, gegen Mittag, mit brutalen Schatten, die sauber geschnitten sind. Wow!

Ich versuche, den niedrigsten möglichen ISO-Wert zu verwenden, um einen wirklich schönen, klaren Übergang zwischen den Schatten zu erhalten, mit minimaler Verschlusszeit, weil ich alles aus der erhobenen Hand fotografiere, ohne ein Stativ. Es gibt oft Scheinwerfer in Kirchen, und ich vermeide um jeden Preis Lichtblitzer, weil sie die Aufnahme komplett ruinieren. Ich versuche auch, meine Fotos nicht bearbeiten zu müssen oder die Bearbeitung zumindest auf ein Minimum zu beschränken. Stattdessen versuche ich, die ganze Arbeit vorher zu erledigen.

An welchen anderen Projekten arbeiten Sie derzeit?

Ich bereite ein Shooting für Typecell vor, einen deutschen Drum ’n’ Bass-DJ, Produzenten und Komponisten. Ich arbeite mit ihm an den Visuals für sein nächstes Album. Außerdem treffe ich gerade eine Auswahl von Bildern für ein Fotobuch, das Anfang 2019 erscheinen soll.

Welchen Rat haben Sie für Ihre Berufskollegen?

SSS – Shoot. Select. Share.

Shoot – Immer. Wo ihr auch seid. Sogar unter allerschlechtesten Bedingungen, außerhalb eurer Komfortzone – die Ergebnisse sind oft spektakulär.

Select – Am Ende darf es nur noch ein Bild geben.

Share – Damit ein Foto zum Leben erwacht, muss es so oft wie möglich gesehen und geteilt werden, absolut überall. Es muss so viel Platz wie möglich einnehmen.

 

Sehen Sie mehr Arbeiten von BigKids auf der Website von David Werbrouck oder bei Instagram.

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