Begierde, Sehnsucht, Glück, Schmerz und Enttäuschung: In ihrer zarten, aber kraftvollen Schwarz-Weiß-Serie Borders of Nothingness beschäftigt sich Margaret Lansink mit dem emotionalen Zustand, in dem man nicht weiß, ob man eine andere Person kennt oder nicht. Gleichzeitig sind die Bilder Ausdruck ihrer eigenen Gefühle.

Der Ursprung Ihrer Serie Borders of Nothingness liegt in dem abgerissenen Kontakt zu Ihrer Tochter. Was bedeutet der Titel und welchen Ausgangspunkt hatte das Projekt?

Als ich mit dieser Serie anfing, nahm ich eine Künstlerresidenz in Japan wahr. Während dieser Zeit konnte ich kaum arbeiten, da meine Tochter bereits einige Jahre zuvor beschlossen hatte, den Kontakt zu mir abzubrechen. Der tiefe Schmerz beschäftigte mich – auch als Künstlerin. Ich fürchtete, meine Tochter nie wieder im Leben zu sehen. Damals half mir der Glaube, dass wir uns eines Tages an den „Borders of Nothingness“, den Grenzen des Nichts, treffen könnten. Ich verstehe die Serie als ein Bild des Abschieds.

Sind Ihre Aufnahmen immer Erinnerungen an Ihr eigenes Leben?

Immer. Ich bin ein intuitiver Mensch und genauso fotografiere ich: Jedes Bild enthält das, was ich dem Moment, als ich den Auslöser drückte, gefühlt habe. Bei manchen kommen auch Gefühle aus der Vergangenheit dazu. Die Aufnahmen der zwei Mädchen symbolisieren für mich zum Beispiel meine beiden Töchter. Sie sind ein Zeichen meiner Liebe, nicht nur für meine Töchter: Sie sind auch ein Ausdruck der Liebe und des Respekts für alle Frauen auf der Welt.

Ist es überhaupt möglich, etwas zu fotografieren, zu dem man keine Verbindung hat?

Ich kann nicht für andere sprechen, aber in meinem Fall ist es so: Wenn ich Bilder mache, zu denen ich keine Beziehung habe und sie dann in der Dunkelkammer oder am Rechner sehe, empfinde ich nichts. Solche Bilder landen im Müll.

Kann man Ihre Aufnahmen als sozialen Kommentar betrachten?

Ich glaube ja, auch wenn man vielleicht nicht sofort darauf kommt, wenn man meine Bilder sieht. Aber wir leben in einer Welt, in der es sehr schnell und materialistisch zugeht, und wir spüren nicht mehr die wahre Bedeutung von etwas. Menschen, die sich meine Serien ansehen, werden oft still. Sie haben weniger Angst, sich den eigenen Emotionen, Ängsten und Wünschen zu stellen. Auf dem Festival in Arles haben einige Besucher über Borders of Nothingness geweint, ohne dass sie den begleitenden Text gelesen hätten.

Warum arbeiten Sie lieber in Schwarz-Weiß?

In Borders of Nothingness hat Schwarz-Weiß die emotionale Botschaft transportiert, die ich für die Bilder im Sinn hatte. Meine neue Serie wird allerdings in Farbe sein.

Ihre Bilder erinnern vage an Daguerreotypien. Handelt es sich um eine Hommage oder eine bewusste Form? Was drückt sie aus?

Offen gestanden habe ich diese Verbindung so nie gesehen. Aber Ihre Beobachtung hat etwas Wahres: Ich liebe die alte, authentische Art des Fotografierens. Fast alles, was ich tue, ist analog: Ich entwickle alles selbst, ich mache die ersten Kontaktbögen in der Dunkelkammer. Danach fühle ich mich frei: Ich kann Abzüge machen, die Bilder in Photoshop bearbeiten oder Pigmentdrucke fertigen. Am Ende ist es das Ergebnis, das zählt.

Sie arbeiten mit einer Leica M6. Was schätzen Sie an der Kamera?

Bevor ich mit einer Leica arbeitete, stand ich all den Geschichten, wie toll diese Kameras seien, eher skeptisch gegenüber. Aber ich habe mich noch in der ersten Stunde, die ich mit meiner M6 verbracht habe, in sie verliebt. Jedes Mal, wenn ich die Kamera benutze, denke ich: So soll Fotografie sein! Alle Einstellungen werden manuell vorgenommen und können etwas Zeit in Anspruch nehmen – ein bisschen Ruhe in dieser hektischen Welt.

Wenn Sie die Bilder heute noch einmal machten, sähen sie dann anders aus?

Was mich betrifft, ist die Serie gut so, wie sie ist. Natürlich, wenn ich die Bilder heute noch einmal machen würde, sähen sie anders aus, denn mein Leben ist weitergegangen. Die Gefühle haben sich geändert; meine Tochter und ich arbeiten jetzt mit einem Psychologen an einem neuen Gerüst für unsere Beziehung. Deshalb interpretiere ich Borders of Nothingnessimmer wieder neu. Ich kombiniere die Bilder, zerreiße sie und „heile“ die Brüche mit Blattgold – das sind die Bilder in Borders Revisited. Dort drücke ich meine Hoffnung auf eine stärkere und schönere Beziehung aus.

Dinge zu sehen, die andere nicht bemerken – ist das das Wichtigste für einen Fotografen?

Mein Ziel ist es, die Dinge anders darzustellen, als sie wahrgenommen werden. Sie sollten nicht bloß erfasst werden, sondern auch meine Gefühle einfangen, in all ihren verschiedenen Erscheinungsformen. Ich gebe meinen Bildern die Freiheit, zwischen Realität und Traum zu wandern. Auf diese Weise lade ich den Betrachter ein, durch sein eigenes komplexes Netz von Erinnerungen, Emotionen, Erwartungen, Ängsten und Wünschen zu reisen.

Denken Sie, wenn Sie fotografieren?

Wenn ich in der Stimmung bin zu fotografieren, sind alle meine Sinne offen: Erst sehe ich, dann fühle ich und wenn beides zusammenkommt, löse ich aus.

 

Mehr von Margaret Lansinks Fotografie finden Sie auf ihrer Website und auf Instagram.

Margaret Lansink studierte Fotografie in Amsterdam und Paris. Ihre Arbeiten wurden in Holland, Frankreich, Großbritannien, Litauen, Japan, Kanada und den USA ausgestellt. Im Jahr 2013 gewann sie den Dutch New Talent Award, gefolgt vom Bronze Star Award für Kunstbücher. Seit 2018 ist die niederländische Fotografin Mitglied von FemmesPHOTOgraphes, Paris. Im Jahr 2018 war ihre Serie Borders of Nothingness Teil der Fotofilmic18 Shortlist-Show und des Reclaim Photography Festival in Wolverhampton, UK. Ein Jahr später wurde sie mit Borders of Nothingness für das Gomma Grant nominiert. Lansink unterstützt junge Fotografen bei der Entwicklung und Gestaltung ihrer Portfolios.