Nach erfolgreicher Tournee durch die großen Museen Europas hat die Ausstellung bedeutender Leica Fotografien ihre letzte Station im Ernst Leitz Museum in Wetzlar. Nutzen Sie die Gelegenheit diese einzigartigen Bildikonen, eindrucksvolle Zeitdokumente und magische Momente der Fotografie-Geschichte noch bis zum 9. Juni zu erleben.

© Fred Herzog, 2016: Main barber, 1968 Courtesy of Equinox Gallery, Vancouver
Fred Herzog: Main Barber
Vancouver, 1968

Dazu gehörte Mut: So etwas Banales wie ein Friseurgeschäft zu fotografieren. Noch dazu in Farbe. Farbe war teuer. Kompliziert in der Entwicklung, die nur in ausgewählten Labors vorgenommen werden konnte. Kodachrome als bevorzugtes, farbsattes Material war wenig empfindlich. Und als Ergebnis erhielt man ein Dia, das man bestenfalls projizieren sprich an die Wand werfen konnte. Dies alles waren Gründe, warum das Gros engagierter Fotografen bei der Schwarzweißfotografie blieb. Hier war man ästhetisch auf der sicheren Seite, nachdem ja schon große Fotografen wie Walker Evans oder Henri Cartier-Bresson die Farbe verdammt, als vulgär oder unkünstlerisch bezeichnet hatten. Aber könnte es nicht sein, dass gerade das Vulgäre, das Alltägliche, das Banale nach der Farbe schrie – zumal in einer Zeit, in der die Welt schriller, bunter, farbiger wurde. Tatsächlich machte sich in den 1960er-Jahren eine experimentierfreudige Generation daran, die Welt mit der Leica und in Farbe zu erkunden.

Längst haben Namen wie William Eggleston, Steven Shore oder Joel Meyerowitz mit ihren Arbeiten Karriere gemacht. In jüngerer Zeit wurde das Werk des in Deutschland geborenen Wahl-Kanadiers Fred Herzog international entdeckt, der mittlerweile als einer der großen Pioniere einer künstlerischen Farbfotografie gehandelt wird. Bereits in den 50er-Jahren hatte Herzog begonnen, seine neue Heimat fotografisch zu erfassen: Ein klassischer Flaneur, der sich treiben lässt, nicht nach Sensationen schielt, sondern dem Fluss des Lebens stimmige Momente abgewinnt. Das hatte schon Henri Cartier–Bresson getan. Aber eben in Schwarzweiß. Jemand hat nachgezählt: An buchstäblich Tausenden von Abenden und Wochenenden muss Fred Herzog, von Hauptberuf Wissenschaftsfotograf, fotografierend um die Häuser gezogen sein. Ein ebenso besessener wie bescheidener Künstler, der spät, aber nicht zu spät, seine verdiente Würdigung erfährt. „Photography“, sagt er selbst, „has nothing to do with the courses you have taken and the people you work with. Photography is how you see and how you think who you are. And your ambitions. That is the important thing.“ Fotografieren, hat Henri Cartier-Bresson einmal formuliert, heiße Herz, Auge und Verstand auf Linie zu bringen. Der 87-jährige, in Vancouver lebende Fred Herzog hat sich das Motto zu eigen gemacht – und dabei die Farbe nicht vergessen.

Text von Hans-Michael Koetzle, Kurator der Augen Auf! 100 Jahre Leica Fotografie Ausstellung

Die Leica. Gestern. Heute. Morgen.

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