Nach erfolgreicher Tournee durch die großen Museen Europas hat die Ausstellung bedeutender Leica Fotografien ihre letzte Station im Ernst Leitz Museum in Wetzlar. Nutzen Sie die Gelegenheit diese einzigartigen Bildikonen, eindrucksvolle Zeitdokumente und magische Momente der Fotografie-Geschichte noch bis zum 9. Juni zu erleben.

© Christer Strömholm, Estate 2014: Nana, Place Blanche, Paris 1961

Das Bild ist rezeptionsgeschichtlich ein Nachzügler. Gemacht hat es Christer Strömholm Anfang der 1960er-Jahre. Diese Aufnahme wurde nicht in seinem 1983 erschienenen Buch „Vännerna Fran Place Blanche“, was so viel heißt wie „Freunde von der Place Blanche“, veröffentlicht. Erst nach dem Tod des Fotografen hat sein Sohn, Joakim Strömholm, das Foto entdeckt und es unserer Ausstellung als „Key Visual“ zur Verfügung gestellt.

Christer Strömholm, 1918 in Stockholm geboren, 1997 verstorben, gilt als einer der wichtigsten Kamerakünstler Skandinaviens im 20. Jahrhundert. Wichtige Impulse erhielt er im Paris der 1950er-Jahre, wobei er nicht der einzige Fremde dort war, der fotografierend seinen Themen eine Sprache verlieh. Fast könnte man von einer schwedischen Diaspora sprechen mit Namen wie Tore Johnson oder Rune Hassner, die sich von der Stadt angezogen und im geistigen Klima des Existenzialismus auf eine Art zu Hause fühlten. Strömholm wohnte höchst bescheiden in der Nähe der Place Blanche, wo er mit der Zeit Zugang zu einer Gruppe junger Transsexueller fand. „Jede Nacht“, so Strömholm, „schnappte ich mir meine Pfeife, meine alte Leica, einige Rollen Tri-X, besann mich meines kümmerlichen Französisch und ging in die Brasserie de la Place Blanche. Alle wussten, womit ich mich beschäftigte. Ich habe nie verdeckt fotografiert. Ich arbeitete stets ohne Blitz, nutzte stattdessen das vorhandene Licht, oftmals Neon.“ Nana war so etwas wie der Star seiner fotografischen Erkundung, eine wunderschöne Frau, die nicht zufällig das Cover von „Vännerna Fran Place Blanche“ zierte. Nähe, Empathie, Verständnis, Menschlichkeit zeigen Christer Strömholms Bilder – keine Selbstverständlichkeit in einer Zeit, als Menschen mit einer anderen sexuellen Orientierung noch ausgegrenzt, diskriminiert und sogar ins Gefängnis gesteckt wurden. Unser Bild entstand auf der Straße. Schelmisch blickt Nana den Fotografen an, macht mit einer schlichten, zugleich neckischen Geste das Sehen und Gesehenwerden zum Thema.

Zur Eröffnung der Ausstellung „Eyes Wide Open!“ im Oktober 2014 in Hamburg wollte Nana anreisen. Wenige Tage vor der Vernissage starb sie an einem Gehirntumor.

Text von Hans-Michael Koetzle, Kurator der Augen Auf! 100 Jahre Leica Fotografie Ausstellung

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