Alles ist echt, bis das Gegenteil bewiesen ist: Der Fotograf Luis Cobelo hat eine magische Bildwelt geschaffen, die von Gabriel García Márquez’ Roman Hundert Jahre Einsamkeit inspiriert ist. Er lädt den Betrachter in eine kleine Stadt irgendwo in Lateinamerika ein, in der Affen die Zukunft vorhersagen und Hühner goldene Eier legen.

Wie kamen Sie auf die Idee für ein Projekt in Anlehnung an Hundert Jahre Einsamkeit?

Ich habe Hundert Jahre Einsamkeit das erste Mal gelesen, als ich zwölf war, und damals ist ein Grundstein gelegt worden. In mehr als 30 Jahren habe ich es zehn Mal gelesen und noch bin ich nicht fertig mit dem Buch. Ich war 2007 zum ersten Mal in Aracataca, der kleinen Stadt, in der García Márquez geboren wurde. Während dieses Besuchs habe ich auch einige Bilder aufgenommen, die im Buch beschrieben waren. Diese erste Reise nach Aracataca veränderte mein Leben: Die Orte, an denen sich die Geschichte ereignete, tatsächlich zu sehen, war eine erstaunliche Erfahrung. Als die Zeit gekommen war, Aracataca wieder zu verlassen, wusste ich, dass ich eines Tages wiederkommen würde. Und so war es.

Was war die größte Herausforderung beim Fotografieren dieser Serie?

Für dieses Projekt sind zwei Dinge bezeichnend: Zum einen die persönliche Krise, die ich durchlebte. Sie machte es schwer, sich auf das Projekt zu konzentrieren, aber irgendwie hat sie auch alles bestimmt. Das Klischee, dass man eine Krise braucht, um kreativ zu sein, hatte sich bei mir jedenfalls bestätigt. Ich denke, dass sich endlich eine Tür geöffnet hat, die seit einigen Jahren verschlossen war, und nun all die Dinge hereinließ, die normalerweise von „normalen menschlichen Dingen“ wie Ängsten, Unsicherheiten oder Hinauszögern verborgen werden. Jetzt habe ich die Türen immer offen.

Zum anderen machte mir die große Hitze in Aracataca zu schaffen. Das mag zwar komisch klingen, aber es war sehr intensiv. Einmal litt ich an Blutdruckproblemen und war tatsächlich für kurze Zeit erblindet. Obwohl ich Angst hatte, nahm ich die vorübergehende Blindheit an und genoss sie. Langsam nahm meine Vision wieder Gestalt an – ähnlich wie ein Schwarz-Weiß-Foto in der Dunkelkammer.

Wie haben Sie Marquez’ magische Welt fotografisch erfasst?

Ich habe entdeckt, dass ich Magie einfach erschaffen kann –auch wenn das vielleicht unrealistisch klingt, weil ich kein professioneller Magier bin. Ich glaube, dass die Dinge leichter und fließender erscheinen, wenn man seine Sinne und sein Herz öffnet. Ich bin Luis, aber gleichzeitig bin ich Fotograf – da gibt es für mich keine Trennung. Die Person, die daran glaubt, Magie zu erschaffen und Magie durch Fotografie einzufangen – diese Verbindung ist selbstverständlich für mich, weil ich einfach offen für die Ereignisse bin.

Warum heißt die SerieZurumbático?

Dieses Wort erscheint im Buch nur einmal, als eine der Figuren, Ursula, zwei kleinen Jungen erzählt, dass sie „zurumbáticos“ sind, weil sie eine Krankheit haben.

Zurumbático ist ein altes spanisches Wort, das aus dem Portugiesischen stammt und in Kolumbien noch immer verwendet wird, vor allem in Kleinstädten und auf dem Land. Es ist ein sehr musikalisches Wort. Die Wahrheit ist, dass Musik die Grundlage für mein Leben ist, sie begleitet mich immer. Zurumbático ist eine Person, die eindeutig handelt, die rätselhaft und melancholisch ist, ein wenig verrückt, deren Temperament wechselt, mal schlecht, mal nicht so schlecht. Schon von Anfang an wollte ich ein Projekt erschaffen, das von diesem Wort inspiriert ist.

Und was für ein Projekt planen Sie jetzt?

Ich habe ein neues Projekt in Buenos Aires begonnen. Es heißt Chas Chas und es geht um ein Viertel namens Parque Chas. Das Projekt begann vor 30 Jahren, als ich auf einen Comic stieß, der von diesem Viertel handelt. Es geht um die Abenteuer eines Journalisten, der über fantastische und außergewöhnliche Dinge berichtet, die sich in Parque Chas ereignen – ein Ort, an dem wunderbare und magische Menschen leben. Was mich wirklich bewog, dorthin zu gehen, um herauszufinden, ob alles wahr war, war dieser Satz: „Alles, was du jemals in deinem Leben verloren hast, existiert in Parque Chas.“ Und ich habe es gefunden.

Ein Luis Cobelos Werk gewidmetes Portfolio ist in LFI 5.2019 erschienen.

Luis Cobelo wurde 1970 in Venezuela geboren. Der studierte Philosoph arbeitet seit 2001 als freiberuflicher Fotograf mit dem Schwerpunkt dokumentarischer Projekte in Amerika, Asien und Europa. Im Jahr 2017 veröffentlichte er das Buch Zurumbático; Bilder aus der Serie wurden auf Festivals weltweit ausgestellt. Cobelo arbeitet derzeit an seinem neuen Projekt Chas Chas, das in einem Viertel in Buenos Aires spielt

Wenn Sie weitere Arbeiten von Luis Cobelo sehen möchten, besuchen Sie seine Website.