Robin Hinsch ist ein weitgereister Fotograf. Seine Projekte führten ihn unter anderem nach Georgien, China, Syrien und Senegal, wo er stets nah am Geschehen und mit künstlerischem Anspruch fotografierte. Für sein Projekt SAPAD (Westen), benannt nach einem Manöver russischer und weißrussischer Truppen 2017, begab er sich zu einer „militärischen Achillesferse“ in Osteuropa.

Für Ihr Projekt SAPAD haben Sie sich eine Region begeben, die im Nato-Jargon als Suwalki-Lücke bezeichnet wird. Können Sie uns diese Gegend kurz beschreiben?

Mit Suwalki-Lücke ist das Grenzgebiet zwischen Polen und Litauen gemeint. Westlich der Grenze befindet sich die russische Exklave Kaliningrad, östlich liegt Weißrussland. Das macht die Region beinahe zu einem Vierländereck, denn die Grenze zwischen Litauen und Polen ist gerade einmal 65 Kilometer lang (Luftlinie). So betrachtet ist die Region tatsächlich eine Lücke: Während die Grenze zwischen den beiden EU-Staaten frei passierbar ist, sind die Grenzen nach Russland und Weißrussland nicht so einfach zu überwinden.

Wie haben Sie die Atmosphäre dort wahrgenommen? War der Aufenthalt gefährlich?

Die Atmosphäre war schon besonders. Ich habe vorwiegend in den Herbst- und Wintermonaten fotografiert. Letztlich war diese diffuse, einsame Stimmung aber genau das, wonach ich gesucht hatte. Unzählige Analysten und Militärexperten zerbrechen sich die Köpfe darüber, wie dieses Nadelöhr am besten zu verteidigen wäre, dabei spricht man aber immer nur von einer potenziellen Gefahr, bei der der mögliche Kontrahent meist nur sehr vage skizziert wird. Im Grunde genommen ist die Lücke, die nach der polnischen Stadt Suwalki benannt ist, ziemlich ungefährlich, was für mich auch den Reiz ausgemacht hat.

Wie kamen Sie auf die Idee, diese Gegend zu besuchen?

Nach der Annexion der Krim durch die Russische Föderation zirkulierten immer wieder Studien und Analysen, vor allem der Nato, in den Medien, die die Suwalki-Lücke militärisch als eine der potenziell brisantesten Regionen in Europa sehen. Während ich zu jenem Zeitpunkt über die noch anstehende Europawahl, den Rechtsruck und ökologische Miseren in Europa nachdachte, kehrten meine Gedanken immer wieder zu dieser militärischen Achillesferse Europas zurück. Ich überlegte, was die tatsächlichen Gefahren für unser aller Unversehrtheit und Zukunft sind. Daher stammt die Idee, diesen speziellen Ort als eine Art Ausgangspunkt für eine ästhetische, spekulative Analyse Europas zu verwenden.

Wie lange haben Sie sich dort aufgehalten und nach welchen Prinzipien haben Sie die Motive ausgewählt?

Ich war mehrmals in der Region, ein paar Wochen sind da schon zusammengekommen. Die Arbeit beschäftigt sich, stark vereinfacht ausgedrückt, mit Themen wie Nationalismus und Migration. Ich suchte nach Bildern, die zum Nachdenken darüber anregen könnten.

Ihre Aufnahmen zeigen meist Motive ohne Menschen – warum?

Menschen sind mir natürlich besonders wichtig, in dieser Arbeit aber als passiver Part. Die Arbeit spielt mit Perspektivwechseln und Verschiebungen und versucht, den Betrachter immer wieder aufs Neue herauszufordern. Die Fotografien sollen eher den Blick auf die eigene Person lenken, als dass es darum ginge, sich andere Menschen anzusehen. Das Projekt soll die betrachtende Person dazu anregen, sich mit den eigenen Möglichkeiten und Unzulänglichkeiten – um nicht zu sagen: Fehlern – auseinanderzusetzen.

Gibt es fotografische Vorbilder, die Sie zu dieser Idee inspiriert haben?

Nicht direkt, aber es gibt natürlich Künstlerinnen und Künstler, die mich inspirieren, zum Beispiel Lee Miller, Gregory Halpern oder Sam Contis.

Was möchten Sie den Betrachtern der Bilder mit auf dem Weg geben?

Die Gefahr liegt oft nicht außen, sondern innen.

Wie sind Sie überhaupt zur Fotografie gekommen?

Fotografie ist ein Medium, das mich schon seit frühester Kindheit beschäftigt. Das Studium der Fotografie in Karlsruhe und Hamburg hat sie dann zu einem wesentlichen Element meines Lebens gemacht.

Wie war die Arbeit mit dem Leica-Equipment?

Die Leica M ist eine ausgezeichnete Begleiterin – gerade wenn man kleines, aber dennoch leistungsstarkes Equipment bevorzugt.

Robin Hinsch. Die Arbeit des 1987 geborenen Fotografen fokussiert sich vordergründig auf soziale und politische Themen. Er selbst beschreibt seinen Stil als assoziativ-subjektiv, zur Abstraktion neigend. Seine vielfach preisgekrönten Serien ruhen oft auf einem dokumentarischen Fundament, nehmen aber auch das Recht auf künstlerische Freiheit in Anspruch. Hinschs Arbeiten erschienen u. a. in Zeitschriften wie dem „Spiegel“, dem „ZeitMagazin“ und dem „SZ Magazin“. Weitere Arbeiten von Robin Hinsch finden Sie auf seiner Website und bei Instagram.

Die Leica. Gestern. Heute. Morgen.

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