Einschränkungen gibt es in beliebiger Form. Es macht aber einen Unterschied, ob wir eine Einschränkung nur als Missgeschick sehen oder aber auch als eine neue Möglichkeit begreifen können. Einschränkungen, die die Ausrüstung, den Ort, Thema oder die Ästhetik betreffen, können einem Künstler sehr zugute kommen, wie der Londoner Street Photographer Alan Schaller im Interview betont.

Wie hat sich Ihr fotografischer Stil entwickelt?

Als ich mit dem Fotografieren begann, kam es mir sehr darauf an, das zu fotografieren, was ich fotografieren wollte. Und das war’s auch schon. Ich habe Musik für andere geschrieben, was letztlich bedeutete, dass ich selbst keine Identität als Musiker hatte. Diese Lektion habe ich gelernt. Mein fotografischer Stil entstand, indem ich mir erlaubte, genau den Weg zu gehen, den ich gehen wollte.

Warum haben Sie sich für Schwarzweiß entschieden?

Ich fühlte mich schon am Anfang meiner Karriere sehr zu Schwarzweiß-Fotografen hingezogen. Ich dachte mir, das gefällt mir, das sind die Dinge, die ich selbst ausprobieren möchte. Ich habe im Grunde seit dem ersten Tag ausschließlich in Schwarzweiß fotografiert – jedenfalls habe ich auch alle meine Farbbilder konvertiert[lacht].

Was halten Sie von Einschränkungen?

Im fotografischen Zusammenhang sind sie großartig! Ich war oft mit meiner Leica M Monochrom (Typ 246) und einem Objektiv, bevorzugt eine 24-mm-Brennweite, unterwegs und habe also ausschließlich in Schwarzweiß fotografiert. Eine Zeit lang habe ich mich sogar nur auf eine Entfernung von 1,2 Metern beschränkt. Diese Einschränkungen haben einen großen Teil zur Entwicklung meines Stils beigetragen. Indem ich alles außerhalb meiner Zone ignorierte, lernte ich, ein Bild zu antizipieren. Nach einiger Zeit wusste ich, wenn etwas in meiner Zone passieren würde, dann würde ich es auch aufs Foto bannen.

Eine Gewissheit, die Ihrer Fotografie geholfen hat?

Sehen Sie, ich muss wirklich glauben, dass aus der Aufnahme etwas wird. Es geht nur darum, sie vorher zu visualisieren. Damit meine ich, zu sehen, was da ist und sich vorzustellen, was da sein könnte. Das ist eine Fähigkeit, die man nur erreichen kann, wenn man sich selbst hinsichtlich dessen, was man fotografiert und womit man fotografiert, einschränkt.

Und was ist mit dem Ort, an dem Sie sich befinden?

Ganz genau! Sehen Sie, wenn ich 100 Bilder am Tag mache, sind es in der Regel 20 Aufnahmen an fünf Orten und nicht 100 Einzelaufnahmen ohne Unterbrechung. Bei der Street Photography scheint es, als ob man zufällige oder chaotische Ereignisse einfängt. Die Straße verändert sich ständig und ist unberechenbar, deshalb ist es mir sehr wichtig, hinauszugehen und eine Art Fokus zu haben.

Was raten Sie jemandem, der als Fotograf anfängt?

Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass man als Fotograf Konsequenz im Denken zeigt. Irgendwann muss man einfach sagen: „Das werde ich machen“ und von da an von diesem Gedanken ausgehen. Sonst endet man damit, dass man eine zufällige Reihe von Bildern erstellt, die als Einzelstücke vielleicht clever sind, aber als Ganzes nie funktionieren werden.

Was halten Sie von der Fotografie heute?

Ich finde es großartig, dass es jetzt so viele Menschen gibt, die mit Smartphones fotografieren. Natürlich nimmt das nicht jeder extrem ernst, aber es führt dazu, dass mehr Menschen in der Lage sind, zu verstehen, was ein gutes Bild ist. Ich glaube, wenn man sich so viel wie möglich der Fotografie widmet, jeden Tag rausgeht und fotografiert und seine Fortschritte nicht als selbstverständlich ansieht, kann man seine Arbeit mehr als je zuvor nach außen tragen –und anerkannt werden.

Welcher Fotograf hat Sie am stärksten beeinflusst?

Auf jeden Fall Fan Ho und sein Buch The Living Theatre. Ohne dieses Buch wäre ich nicht der, der ich heute bin. Aber ich habe mich auch von all den großen Legenden der Fotografie inspirieren lassen, wie Henri Cartier-Bresson, Sebastião Salgado und Steve McCurry.

Sie sind Street Photographer – würden Sie gern in einer anderen Zeit leben?

Es wäre sicher toll, in den 1960er-Jahren dabei gewesen zu sein. Es war damals eine ganz andere Welt für die Street Photography. Aber ich bin auch glücklich über die Möglichkeiten, die wir heute haben. Sei es der Fortschritt in der Kameratechnologie, Social Media oder die Möglichkeit, mit Menschen auf der ganzen Welt in Kontakt zu treten. Letztlich möchte ich meinen Platz heute nicht gegen einen von früher eintauschen.

Woher rührt Ihre Leidenschaft für die Leica M Monochrom?

Als ich auf die Leica M Monochrom (Typ 246) und die M-Objektive stieß, die Haptik der Kamera fühlte und wie diskret man mit ihr fotografieren kann, wusste ich sofort, dass sie das perfekte Werkzeug zur Umsetzung meiner Ideen ist. Ich kann vorher fokussieren und brauche die Kamera nicht auffällig vor Auge zu halten, um eine Aufnahme zu machen – das war wirklich eine große Erleichterung für mich. Außerdem hat es mich vollständig vom Ausrüstungsbeschaffungssyndrom geheilt.[lacht].

Apropos Ausrüstung, was halten Sie von der neuen Leica M10 Monochrom im Vergleich zum Vorgängermodell?

Beide sind fantastische Kameras, ich wäre mehr als glücklich, eine von beiden täglich zu verwenden! Die neue M10 Monochrom hat den Vorteil, dass sie leiser ist, einen besseren Verschluss hat und natürlich die höhere Auflösung. Aber trotz der höheren Megapixel sind der Dynamikumfang und die Leistung bei wenig Licht unverändert geblieben. Das ist wirklich, wirklich gut!

Die Leute neigen dazu, Ihren Bildern eine große Bedeutung zuzumessen …

Nun, es war sehr interessant, die Reaktionen auf meine Arbeit zu sehen, besonders von Nicht-Fotografen. Ich denke, wenn man jemanden ansprechen kann, der nichts von Fotografie versteht oder Vorurteile ihr gegenüber hegt, und derjenige ein Bild sieht und es aus irgendeinem Grund mag, dann ist das einfach großartig. Über eine überhöhte Bedeutung meiner Arbeit kann ich nicht wirklich etwas sagen. Ich mache einfach nur die Bilder.

 

Alan Schaller ist ein in London ansässiger Fotograf, der sich auf Schwarzweiß-Fotografie spezialisiert hat. Zu den Publikationen, die seine Arbeiten vorgestellt haben, gehören der „Guardian“, das „New York Times T Magazine“, die „Washington Post“, die „Financial Times“, die „South China Morning Post“, „Time Out“ und der „Independent“. Schaller stellt regelmäßig aus, zuletzt in der Saatchi Gallery, The Edit Space in Mailand und in vielen Leica Galerien und Leica Stores. Schaller ist Mitbegründer des Kollektivs Street Photography International (SPi). Es wurde gegründet, um die besten Arbeiten des Genres zu fördern und talentierten Fotografen ohne Repräsentanz eine Plattform zu bieten.

 

Leica M10 Monochrom

Grenzen, die befreien.