Justin Motts Langzeitprojekt Kindred Guardians bekräftigt den Umstand, dass Mensch und Tier ganz besondere Bindungen eingehen können. Seine Bilder sind ein Plädoyer für Menschlichkeit, Mut und eine Welt des friedlichen Zusammenlebens.

Wie sind Sie auf die Idee für die Serie Kindred Guardians (Beschützer der Arten) gekommen und wie hat sie sich im Laufe der Zeit entwickelt?

In den ersten Tagen meines Lebens in Vietnam habe ich einen Schlachthof für Schweine fotografiert. Was ich dort sah und hörte, ist mir immer noch gegenwärtig. Ich sehe ihren traurigen und verzweifelten Ausdruck und höre ihr Quieken, als sie brutal geschlachtet wurden. Ich erinnere mich daran, dass ich mich völlig hilflos fühlte und Emotionen wie Hass auf die Menschheit in mir aufstiegen. Ich weiß noch, wie unglücklich ich nach diesem Tag war und dass er mich noch jahrelang in meinen Träumen verfolgte. Nach dieser Erfahrung habe ich jede Form von Tierquälerei gemieden. Gelegentlich habe ich schon noch Tiergeschichten gemacht, etwa über die Jagd auf Nashörner für die „Time“ oder über Schuppentier-Wilderei für CNN. Einen Auftrag zum Thema Hundefleisch habe ich aber abgelehnt, weil ich glaubte, dass Schlachten nicht ertragen zu können. Ich bin nicht stolz darauf, aber es ist passiert, und ich bedaure, dass ich nicht darüber berichtet habe.
Als ich letztes Jahr 40 wurde, wurde mir klar, dass etwas in meinem Leben fehlte. Ich wusste, dass ich wieder an Geschichten arbeiten musste, die mir wichtig waren. Langsam öffnete ich mich emotional, um mehr über Tierquälerei zu erfahren und meinen Teil dagegen beizutragen. Ich hatte eine Idee für ein größeres Buchprojekt darüber, was Menschen verbindet, die Tieren in Not helfen. Ich hatte von den letzten beiden verbliebenen nördlichen Breitmaulnashörnern gehört, habe weiter recherchiert, mich um eine Besuchserlaubnis gekümmert und den Flug nach Kenia gebucht, um dieses Projekt zu starten – Kindred Guardians wurde geboren.

Warum haben Sie bei Ihrem Projekt mit einer Leica M10-D gearbeitet?

Meine Karriere begann, als ich mit einer Kamera und einem Objektiv nach Vietnam zog und persönliche Projekte fotografierte, die mich interessierten. Daraus ergaben sich redaktionelle und kommerzielle Aufträge, die schließlich zur Gründung einer eigenen Produktionsfirma führten. Mit dem Wachstum vergrößerte sich auch die Ausrüstung und meine Zeit für persönliche Arbeiten wurde knapper. Als ich 40 wurde, hatte ich über ein Jahrzehnt kein persönliches Projekt mehr gemacht. Ein großer Teil von mir fehlte einfach. Ich sehnte mich nach einer Art Vermächtnis, einem Projekt mit Bedeutung, das definiert, wer ich als Fotograf bin. Ich vermisste die frühen Tage meiner Karriere, als ich mit minimaler Ausrüstung unterwegs war, um sinnvolle Geschichten zu recherchieren und einzufangen. Zur selben Zeit, als ich die Idee für Kindred Guardians hatte, lernte ich die Leica M10-D kennen. Es mag seltsam klingen, aber ich wünschte mir nicht nur eine kleine Kamera mit einem Summilux-M 1:1.4/35, sondern auch eine Kamera ohne Bildschirm. Mein fotografischer Hintergrund ist analog und digital: In der Ausbildung habe ich eine analoge Kamera verwendet, die Negative habe ich nicht in der Dunkelkammer, sondern maschinell entwickeln lassen, und die Scans dann in Lightroom bearbeitet. Die Leica M10-D ist wie eine Reise in meine Universitätszeit. Es war aber nicht nur Nostalgie, die mich zu der Entscheidung für die M10-D bewog. Mir war klar geworden, dass ich mit leichtem Gepäck beweglicher wäre und mehr sehen würde. Ich war präsenter und konzentrierter und dadurch ein besserer Geschichtenerzähler.

Was ist das Wichtigste, das man beim Fotografieren von Tieren beachten muss?

Ich bin kein Tier-, sondern Dokumentarfotograf, der zumeist mit einem 35er-Summilux arbeitet. Das bedeutet, dass ich nah heran muss an meine Motive, was viel Zeit und Geduld erfordert. Ich warte auf diese kleinen Momente zwischen den Menschen und den Tieren, die sie betreuen. Gleichzeitig habe ich als Journalist die Verantwortung, dafür zu sorgen, dass alles korrekt ist und nicht aus dem Zusammenhang gerissen wird. Ich muss sehr sorgfältig darauf achten, wie und wo meine Bilder landen und was im besten Interesse der Tiere und ihrer Betreuer ist.

Gibt es etwas an Ihrem Projekt, das Ihnen auf jeden Fall im Gedächtnis bleiben wird?
Ich werde nie den Moment vergessen, als ich Fatu und Nain, die letzten beiden Nördlichen Breitmaulnashörner der Welt, traf. Zunächst einmal war es für mich persönlich ein ganz wichtiger Moment. Mein erstes großes persönliches Projekt seit zehn Jahren nahm seinen Anfang – ein geradezu monumentaler Moment für mich. Zweitens war ich emotional völlig überwältigt, als ich mit Zacharia, dem Oberaufseher der Nashörner, durchs Tor ging, und da waren sie, auf dem offenen Feld grasend, die letzten zwei Exemplare einer Unterart, die es auf der ganzen Welt noch gibt. Daran werde ich mich immer erinnern. Ich war erfüllt von Verachtung für die Menschheit. „Wie konnten wir das tun?“, dachte ich. Warum Nashörner gewildert werden, hatte ich in Vietnam Jahre zuvor aus erster Hand erfahren, als ich die Geschichte für die „Time“ zu diesem Thema schrieb. Und Jahre später lernte ich nun die Auswirkungen kennen, die Wilderei, Konsum, Gier und Fehlinformation auf unsere Tierwelt haben. Hass, Trauer und Aufregung strömten durch meinen Körper. Ich erinnere mich, dass ich weinte, als ich zum ersten Mal das Horn von Fatu berührte, und mich fragte, wie jemand dieses Tier für ein Horn töten kann, das aus Keratin besteht, der gleichen Substanz aus der Haare und Fingernägel bestehen.

Was kann der Betrachter aus Ihren Geschichten lernen?
Ich möchte, dass Menschen die Zärtlichkeit, den Mut und die Hingabe der Betreuer und Wächter schätzen lernen. Ich hoffe, dass Menschen Mitgefühl für diese schönen Tiere und ihre Notlage haben. Ich wünsche mir, dass meine Bilder sie so vermenschlichen, dass wir alle in eine Beziehung zu ihnen treten können. Ich möchte Menschen ermutigen, zu handeln, ihre Meinung zu sagen und ihr Verhalten und ihre Handlungen gegenüber Tieren zu ändern. Der Einzelne kann helfen, aber um wirklich etwas zu bewirken, brauchen wir Regierungen, die sich für die Belange der Tiere einsetzen, auch wenn es nicht populär oder gewinnbringend ist – aber es ist richtig so zu handeln. Es ist offensichtlich, dass Länder wie Kenia alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Tierwelt zu schützen, aber die Regierungen der Abnehmerländer müssen ebenfalls an Bord kommen und ihren Teil dazu beitragen. Ich verlange viel, aber ich bin ein optimistischer Mensch und habe den Glauben an die Menschheit nicht ganz verloren. Ich hoffe, dass meine Bilder einen Einfluss auf die Menschen haben, diese erstaunlichen Tiere – wirklich alle Tiere – zu respektieren, und dass wir die Menschen dazu bringen können, das Töten und das Konsumieren dieser Tiere zu stoppen.

Der vietnamesische Dokumentar- und Werbefotograf Justin Mott hat für die „New York Times“ über 100 Aufträge in ganz Südostasien fotografiert. Derzeit arbeitet er an seinem langfristigen Buchprojekt Kindred Guardians. Das Projekt konzentriert sich auf die Dokumentation von Menschen auf der ganzen Welt, die ihr Leben der Hilfe für Tiere in Not widmen. Sie können sich das Projekt auf seiner Website ansehen.