Der Titel Ihres Buchs zitiert den Song Random Rules der Silver Jews. Würden Sie Ihre Bilder als Zufälle bezeichnen?
Den Song habe ich oft im Auto auf meinen Fahrten durch Los Angeles gehört. Pop-Zeilen und Zitate waren für mich immer schon sehr wichtige Lebensbegleiter. Die besten sind extrem offengehalten und verdichten dennoch ein präzises Gefühl von etwas, das sich gar nicht anders ausdrücken lässt. Everything so democratic and cool trage ich als Phrase schon seit Jahren mit mir herum, nun hat sie mir geholfen, einen Bilderzyklus zusammenzufassen. In diesem Titel steckt aber noch eine zweite Ebene, nämlich der Querverweis auf das große fotografische Werk von William Eggleston. Mit The Democratic Forest hat Eggleston den berühmten demokratischen Blick etabliert, der besagt, dass alles dasselbe Recht hat, ins Bild gerückt zu werden.

Der Band versammelt 14 Jahre Ihres fotografischen Schaffens und deckt die Bandbreite Ihres Œuvres ab. Neben Stillleben, Szenerien, Momentaufnahmen und Porträts, vereint er Orte, Landschaften, Tiere und Menschen aus verschiedenen Ländern. Was bedeutet Reisen für Sie?
Reisen sind wichtig für Fotografie. An fremden Orten ist der Blick immer aufmerksamer als in der vertrauten Umgebung. Auch die Metapher der Reise in alle Richtungen gefällt mir. Finde ich gut: Reisen. Und nach Hause kommen.

Der Bildband enthält über 100 Aufnahmen, wie sind Sie bei der Auswahl vorgegangen?
Diesmal ging es verhältnismäßig schnell. Für April war meine Ausstellung mit demselben Titel im Berliner Kunstraum Blake & Vargas geplant. Zusammen mit Sarah Bernauer und Matthias Last war ich mir zügig einig, dass es begleitend dazu auch eine Publikation geben sollte. Matthias ist ein toller Artdirector (Studio Last) und er hatte richtig Lust, mit meinen Bildern zu arbeiten.

Sie fotografieren vorwiegend in Farbe – sie ist stilprägend für Ihre Fotografien. Darüber hinaus spielt die geometrische Anordnung der Motive eine entscheidende Rolle.
Ich experimentiere immer wieder mal mit Schwarzweiß-Filmen und weiß die Reduktion zu schätzen. Aber die Welt, die ich sehe und beschreiben möchte, ist in Farbe. Wie sich die Dinge zueinander verhalten und Stimmungen beeinflussen, ist für mich entscheidend in der Bildkomposition. Deutlich wichtiger als Geometrie. Ich lege nicht immer Wert auf exakte Proportionen oder gerade Senkrechten. Der Ausschnitt muss passen. Und den gestalte ich durch den Sucher. Fast keines meiner Bilder wurde anschließend beschnitten oder begradigt.

Im Vorwort zu Ihrem Buch wird über die „Flüchtigkeit des Augenblicks“ geschrieben, den Sie einfangen, die „Momente zwischen Vergangenheit und Zukunft“. Wäre die Gegenwart ohne die Fotografie ein verloren gehender Raum?
Gegenwart ist ein großer Begriff. Für alle immer wieder eine Herausforderung, unmittelbar in ihr zu leben. Die Fotografie kann dabei helfen. Die schöneren Bilder sind aber meistens die aus der Vergangenheit.

Ihre Bilder sind teilweise intuitiv und spontan entstanden, andere sind inszeniert. Wonach richtet sich Ihre Entscheidung?
Die Unterscheidung zwischen inszeniert oder nicht ist für mich zu ungenau. Ich arbeite selten im Studio und meistens mit kompaktem Equipment. Daher sind meine Bilder generell vielleicht etwas freier. Inszeniert ist aber im Grunde jedes Bild.

Sie haben mit verschiedenen Leica Kameras gearbeitet, welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Ich arbeite schon sehr lange mit Leica Equipment. Meinen letzten Bildband Los Angeles habe ich ausschließlich mit Leica fotografiert. Meistens mit der M, bei der Design und Messsuchertechnik absolut einzigartig sind. Man fotografiert „anders“ mit dieser Kamera. Und gelegentlich auch mit der S, Farbtiefe und Auflösung sind hier von höchster Qualität. Leica Kameras sind immer auch sehr schöne Objekte, das ist mir wichtig. Ich möchte, dass das Werkzeug, mit dem ich arbeite, gut aussieht.

Wie sieht Ihr Bearbeitungsprozess aus?
Ich bemühe mich um eine möglichst natürlich wirkende Farbwiedergabe, was vor allem Tonwertkorrekturen, Anpassungen von Hauttönen und ähnliches nach sich zieht. Ein Großteil der Bilder sind allerdings auf Film fotografiert, da entscheidet sich der Look schon über die Wahl des Negativmaterials und macht den Entstehungsprozess des Bildes oft auch deutlich einfacher.

Ihre Fotografien erzählen vom Leben in dieser Welt, von kleinen und großen, skurrilen und coolen Begebenheiten. Gibt es eine Geschichte, die alle Bilder zusammenführt?
Im Laufe der Jahre sammelt man als Fotograf so manche Anekdote. Zu vielen Bildern gibt es durchaus interessante Geschichten zu erzählen. Über Begegnungen, Zufälle und eigene Erinnerungen. Einige Bilder sind en passant entstanden und entfalten ihre Geschichte erst im Zusammenspiel mit den anderen.

Beim Betrachten Ihrer Aufnahmen aus den ganz unterschiedlichen Ländern, mit den unterschiedlichen Motiven, scheint es am Ende so, als sei alles ein einziger Ort, auf den wir blicken. Ist das Ihre Sicht auf die Welt?
Das freut mich sehr, wenn das so wirkt. Dann funktioniert es. Als Fotograf habe ich mir immer gewünscht, eine Bildsprache zu entwickeln, die es mir erlaubt, mich einerseits motivisch nicht festlegen zu müssen und andererseits eine gewisse Wiedererkennbarkeit in unterschiedlichen Kontexten entwickeln zu können. Wenn aus meinen verschiedenen Arbeiten so etwas wie Kohärenz sichtbar wird, ist für mich schon viel erreicht.

Der Fotograf Christian Werner lebt und arbeitet in Berlin. Neben seiner Tätigkeit für viele nationale und internationale Magazine, liegt der Fokus seiner Arbeit auf Langzeitprojekten, aus denen bereits mehrere Bücher entstanden sind. So beschäftigte sich Christian Werner zuvor etwa mit dem Verschwinden der „alten“ Bundesrepublik (Stillleben BRD, Kerber Verlag 2016) oder der urbanen Pflanzenwelt (Die Blüten der Stadt, Suhrkamp 2018). 2019 erschien sein Buch Los Angeles, mit Texten von Tom Kummer im Korbinian Verlag. Everything so democratic and cool wurde im Blake & Vargas Verlag veröffentlicht.