Der Sportfotograf Philipp Reinhard, Teamfotograf der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, konzentriert sich auf die Bereiche Reportage und Porträt. In seinen Arbeiten will er die ganze Geschichte erzählen und sich nicht nur auf den Action-Moment beschränken.
Sportfotografie wird oft mit Action-Fotografie gleichgesetzt – wie beschreiben Sie Ihre Fotografie?
Obwohl ich Sport sehr liebe, wollte ich nie ein klassischer Sportfotograf sein. In der klassischen Sportfotografie gehen oft die Geschichten verloren, da der Fotograf versucht, sehr nah an der Action dran zu sein. Der Kontext ist dann oft nebensächlich oder wird durch Text beigesteuert. Mir ist es schon immer wichtig gewesen, die ganze Geschichte zu erzählen, und auch die Momente, die nicht auf dem Platz stattfinden, zu dokumentieren. Ich betrachte meine Fotografie eher als eine Sportreportage. Mir kommt es vor allem auf die Ästhetik an, einen besonderen Blickwinkel zu finden, eine spezielle Perspektive einzunehmen. Wenn man sich dann das Bild anschaut, soll man das Gefühl bekommen, etwas zu entdecken, was man sonst – im Bruchteil einer Sekunde – nicht gesehen hätte.
Sie sind der Teamfotograf der deutschen Fußball-Nationalmannschaft – wie kam es dazu?
Long Story short. Auf der Photokina 2014 habe ich zufällig einen Leica Mitarbeiter kennengelernt und bin in einem Workshop der Skateboard-Legende Fred Mortagne gelandet. Da ich seit Ewigkeiten Skateboard fahre, war er für mich schon immer ein besonderer Typ mit ganz eigener Bildsprache. Den Workshop habe ich am Ende gewonnen und dann war ich wohl bei Leica auf dem Radar. Leica erhielt eine Anfrage des DFB, sie suchten drei junge Fotografen für drei Aufträge. Circa 15 Fotografen durften an dem Pitch teilnehmen. Ich war mit Abstand der Jüngste und hatte wirklich Glück, ich durfte zwei Aufträge umsetzen. Daraus hat sich dann alles Weitere entwickelt, wir haben uns nach und nach besser kennengelernt und kleinere Projekte umgesetzt. Dann habe ich Sebastian Schweinsteiger zwei Tage bei seinem Abschiedsspiel begleitet, das wiederholte sich bei Lukas Podolski. So hat sich das nach und nach ergeben.
Was genau reizt Sie an der Arbeit mit dem DFB oder mit Sportlern generell?
Egal ob Spieler oder das Team hinter dem Team, hier arbeite ich mit den Koryphäen auf ihrem jeweiligen Gebiet zusammen. Das reizt mich natürlich sehr. Wir führen tolle Gespräche und es passieren jeden Tag auf dem Platz und abseits des Rasens tolle Geschichten und Momente. Es gibt einfach nicht so viele Leute, die mit einem Fußball besser umgehen können als das Team hier. Es ist sehr spannend, mit diesen Menschen eine Verbindung aufzubauen, um diese Momente überhaupt einfangen zu können.
Hatten Sie ein ganz besonderes Erlebnis mit der Mannschaft?
Ja, definitiv, natürlich in beide Richtungen, denn es gewinnt ja meist nur einer. Einer der schönsten Momente war mit Sicherheit, als ich erfahren habe, dass ich bei der Weltmeisterschaft dabei bin. Eine Weltmeisterschaft zu begleiten ist etwas so Unglaubliches, ich hätte mir nie vorstellen können, so etwas einmal machen zu dürfen. Aber das Ausscheiden 2018 war natürlich schon hart. Die Absage der Europameisterschaft, auf die man sich gefreut hat, natürlich auch. Aber dann ist es auch genauso schön, wieder zusammenzukommen und sich jetzt wieder zu sehen, nach über zehn Monaten. Eine Geschichte ist mir besonders positiv in Erinnerung geblieben: Ich sollte einmal eine Art Passbilder machen. Ein einfaches Porträt, nichts Besonderes, nur für ein Visum. Ganz schnell zwischendrin und vor dem Essen mit nur wenigen Sekunden Zeit pro Person. Ich konnte nichts aufbauen und habe versucht, trotzdem einen schönen Platz zu finden. Alle dachten, auch ich, dass es nur ein schnelles Passbild wird, aber ich konnte trotzdem besondere Bilder machen. Sie wirken gerade deswegen so natürlich, durch das Licht und die Stimmung – das hat es, glaube ich, so noch nicht gegeben. Das war für mich einfach besonders, als ich die Bilder gesichtet und gesehen habe, was dabei herausgekommen ist. Da habe ich mich schon sehr gefreut.
Ihre Schwarzweiß-Aufnahmen wirken oft wie zeitlose Statements – warum fotografieren Sie auch schwarzweiß?
Ich denke, Schwarzweiß ist ein gutes Mittel, um den Moment noch weiter zu konzentrieren, noch weiter herunter zu brechen und den Fokus noch mehr auf das Wesentliche zu lenken. Natürlich ist ein Grund auch, dass man das in der Sportfotografie seltener sieht. Ich versuche, mit Sehgewohnheiten zu brechen, mich auch in der Sportfotografie durch andere Blickwinkel abzuheben. Vor allem ist es aber ein Mittel, eine Situation weiter zu konzentrieren und auf ein Minimum zu reduzieren.
Was macht für Sie ein gutes Porträt aus?
Für mich zeigen Porträts nicht unbedingt den Menschen, wie er ist, sondern den Moment, wie er gerade war. Mir geht es immer darum, dass sich der Mensch wohlfühlt. Bevor eine Situation ausgereizt ist, und ich weiß, ich habe es überzogen, breche ich ein Shooting eher früher ab. Jeder soll mit dem nötigen Respekt behandelt werden und sich wohl fühlen. Das Bild passiert zwar nicht nebenbei, aber es soll sich ein bisschen so anfühlen. Manchmal weiß ich relativ genau, was ich möchte, versuche aber trotzdem genug Spielraum zum Improvisieren zu lassen, damit die gesamte Situation auch etwas leben kann. Natürlich spielt auch das Vertrauen, das ich über die Jahre aufgebaut habe, eine wichtige Rolle dabei, gerade bei Leuten, die so oft fotografiert werden. Und wenn die dann sagen, dass meine Bilder auch noch irgendwie anders sind, dann ist das für mich natürlich ein tolles Lob und Motivation.
Wie sind Sie selbst zur Fotografie gekommen?
Das war schon zu Schulzeiten. Ich war in der Windkraft-AG und die fand im alten Fotolabor der Schule statt. Dort lagen eine alte Revue-Kamera und 100er- und 400er-APX-Filme von Agfa herum. Die habe ich mir, sozusagen, ausgeliehen und den Sucher mit einer Laubsäge abgesägt, weil ich von oben reinschauen wollte wie bei einer Mittelformatkamera. Die ersten acht bis zehn Jahre habe ich dann weiter analog fotografiert, bevor ich mir meine erste Digitalkamera kaufte. Ich bin in der Fotografie komplett Autodidakt und musste mir selbst erst einmal das nötige Selbstvertrauen erarbeiten. Ich komme eigentlich vom Film und wollte das auch immer machen. Mittlerweile brenne ich aber hundertprozentig für die Fotografie, man kann sich immer wieder neu erfinden, neue Möglichkeiten entdecken, sich weiterentwickeln. Es gibt so viele tolle Fotografen, und sich mit denen zu unterhalten und den Einfluss dann wieder in die eigene Fotografie einzubringen, finde ich etwas ganz Besonderes
Haben Sie ein fotografisches Vorbild?
Ich finde die Arbeiten von Peter Lindbergh unglaublich. Obwohl er ganz anders als ich fotografiert hat, haben mich seine Arbeiten immer angezogen. Helmut Newton auch. Aber vor allem sind es Fotografen aus der Skateboard-Szene wie Fred Mortagne oder Arto Saari – deren Art zu fotografieren und der Weg, den sie gegangen sind, mich beeindruckt hat.
Die Serie haben Sie im Oktober 2019 mit der SL2 fotografiert – warum mit dieser Kamera?
Ich habe zunächst mit einer analogen M fotografiert, bin später zur Leica Q und dann zur Leica SL gewechselt. Deshalb war für mich klar, dass ich auch mit der SL2 arbeiten will. Mich überzeugt nicht nur die Bildqualität und Auflösung, sondern auch die Verarbeitung. Die Objektive liefern zudem einen anderen Look, mit dem man man sich definitiv abheben kann von allen anderen, die am Spielfeldrand sitzen. Vor allem überzeugt mich aber die Kombination aus Foto und Video in einer Kamera. Ich konnte jetzt ein komplettes Kamerasystem verkaufen, weil ich die SL2 habe, die einfach perfekt für Foto und Video ist, zumindest für das, was ich mache. Die Kamera ist robust, hält viel aus, aber Ende sind es die Farben und die Objektive, die den Hauptausschlag für den Wechsel gegeben haben.
Philipp Reinhard, 1990 in Bad Mergentheim geboren, ist mit Leidenschaft Fotograf und Filmemacher und hat sich auf die Bereiche Reportage und Porträt spezialisiert. Im Mittelpunkt seiner Arbeit steht immer der Mensch; Authentizität und Ehrlichkeit sind ihm am wichtigsten. Reinhard ist international im Sportbereich tätig, zu seinen Kunden zählen unter anderem der DFB, die Dirk Nowitzki Stiftung, ING, Volcom, HAKRO Merlins Crailsheim, Lukas Podolski, Huawei, „11 Freunde“, Adidas und Mercedes-Benz. Der Fotograf lebt in Bad Mergentheim und Berlin.
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