Ausgestattet mit einer Leica SL und einer Leica M10 verbrachte die Künstlerin Alessia Rollo den Februar und März 2019 in Mashiko, einem der Zentren traditioneller japanischer Keramik. Mit der Sicht der Außenstehenden gewann die Fotografin tiefe Einblicke in das facettenreiche Kunsthandwerk. Ihre einfühlsamen Bilder zeugen vom respektvollen Umgang mit Ton, der so viel mehr ist als nur das Ausgangsmaterial für die Töpferei. Sie spricht über die Gemeinsamkeiten von Töpferkunst und Fotografie, die Einzigartigkeit dieses Themas und darüber, was sie daraus für ihre Technik gelernt hat.

Wir haben es hier mit zwei kreativen Prozessen zu tun: Fotografieren und Töpfern. Gibt es eine Verwandtschaft oder sind sie völlig unterschiedlich?
Ich glaube, Fotografieren und Töpfern haben viele Gemeinsamkeiten – jedenfalls so, wie ich Fotografie verstehe. Beides sind kontemplative, künstlerische Tätigkeiten, die vorheriges Studium, viel Experimentieren und Zeit zum Beobachten erfordern. Ich glaube auch, dass Fotografieren und Töpfern Möglichkeiten sind, eine persönliche Sicht der Welt zu finden, etwas zu formen, was andere Menschen anschauen und als repräsentativ empfinden können.

Sie haben in der Stadt Mashiko fotografiert. Mashiko ist für die japanische Keramik von großer historischer Bedeutung. Sie ist für ihre Mashiko-yaki-Töpferei (益子焼) bekannt. Können Sie uns den kreativen Prozess beim Töpfern erklären?
Es ist schwer zu sagen: Bei der Arbeit mit Mashiko-Handwerkern habe ich gelernt, dass es Gedanken gibt, die man nicht mit Worten ausdrücken kann. Zum Beispiel erzählte mir Ono San, einer der Handwerker, die ich fotografiert habe, dass sein Meister ihm nie gesagt hat, was er mit Ton machen solle: Er hat ihn selbst entdeckt, beobachtete und versuchte es so lange, bis er in das Geheimnis des Materials eindrang und einen Weg fand, den Ton zu bearbeiten. Ähnliches passierte, als ich ihn fotografieren wollte: Er sagte mir, er könne nicht für mich posieren, aber durch die Bearbeitung des Tons würde er versuchen, mir zu vermitteln, was er weiß. Vielleicht können also allein meine Bilder etwas über den kreativen Prozess aussagen: Es ist ein Mysterium, es ist obskur, persönlich und magisch.

Sie stellen sehr intime Momente mit dem Material dar …
Die Kunsthandwerker nutzen die Energie ihrer Körper, um den Ton zu bearbeiten: Sie haben einen körperlichen Zugang zu dem Material, der sehr intim und stark ist. Ich war beeindruckt, als ich das sah. Jeder Akt ist mit körperlicher Arbeit verbunden: vom Fördern des Tons über das Treten des Pedals der Scheibe bis zum Formen dieses einfachen Werkstoffs zu schönen Objekten mit den Händen. Ich hatte das Gefühl, dass ich diesen Ansatz in meinen Bildern vermitteln wollte.

Welche Assoziationen hatten Sie beim Fotografieren?
Die Handwerker sahen so konzentriert und vertieft in ihre Arbeit aus, dass es mich an die Legenden über die Erschaffung des Universums denken ließ: Sie erschienen mir wie Götter, die die Welt formen. Alle Legenden beginnen mit einem einfachen Material wie Ton, das dank der Vorstellung eines Menschen alles zum Leben erweckt hat. Ihre dunklen Werkstätten, voll von Gegenständen und Rauch aus dem Brennofen, ließen mich auch an etwas Ursprüngliches denken, etwa den Anfang der Erde. Ich denke, das ist der Grund, warum ich mich auf das Material selbst konzentrierte, ich wollte, dass es so deutlich wie möglich in meinen Bildern erscheint.

Inwiefern unterscheidet sich die Serie The Matter von anderen Serien, die Sie fotografiert haben? Es handelt sich nicht um eine einfache Reportage, sondern eher um einen visuellen Essay über die japanische Töpfertradition. Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?
Ich glaube, meine Methode beruht in erster Linie auf meinem Instinkt: Ich beginne ein Projekt normalerweise, weil ich das Bedürfnis habe, etwas zu verstehen, das mir interessant erscheint. Ich lese also in der Regel viel, sehe mir Filme an oder recherchiere in Fotoarchiven, bevor ich eine Serie beginne. Gleichzeitig mache ich erste Bilder, die ich als visuellen Bericht oder Entwurf verwende. Ich mag es, verschiedene fotografische Sprachen zu mischen. Ich fühle mich nicht nur einer fotografischen Kategorie zugehörig und verstehe mich eher als bildende Künstlerin. Deshalb muss ich ein Thema erforschen und dem Betrachter eine Erzählung eröffnen, damit er sich frei fühlt, andere Geschichten zu schaffen.

Der charakteristische rotbraune Ton wird in Mashiko seit den 1850er-Jahren zur Herstellung von Alltagsgegenständen wie Wasserkrügen verwendet. Was haben Sie über das Material Ton gelernt?
Es war sehr interessant und inspirierend zu beobachten, wie sorgfältig die Handwerker ihr Arbeitsmaterial, den Ton, auswählten. In der Umgebung von Mashiko gibt es Höhlen mit rotem Ton von sehr guter Qualität, was einer der Gründe ist, warum die Töpferei dort so berühmt wurde. Ich habe aber auch gelernt, dass man viel Zeit, Leidenschaft und Geduld braucht, um dieses Material zu bearbeiten: Einheimische Handwerker, die ihre Kunst in Europa oder den USA lehren, sagten mir, dass sie nicht verstünden, warum wir uns in der westlichen Gesellschaft nicht die Zeit nähmen, zu beobachten, sondern sofort Ergebnisse erzielen wollten. Ich denke, diese Denkweise hängt mit der Qualität ihrer Keramiken zusammen.

Sie haben auch Details wie Blätter und Erde fotografiert und in Ihre Auswahl aufgenommen. Warum?
Ich halte es für wichtig, eine Art Erzählung in ein Projekt zu integrieren, deshalb suche ich nach Übergangsbildern, die wie Pausen, emotionale Anregungen oder Schlüssel zum Verständnis der anderen funktionieren. In Mashiko zum Beispiel habe ich Ton und Erde fotografiert, weil sie einen Bezug zum Thema der Geschichte haben: Sie sind das grundlegende Material, aus dem alles entsteht. Ich habe auch Bilder von der Natur gemacht, weil ich die Geschichte mit einer Atmosphäre, einem Ort, einem Mysterium verbinden möchte.

Mit welcher Kamera haben Sie fotografiert?
Den größten Teil des Projekts habe ich mit einer Leica SL1 mit dem Vario-Elmarit-SL 1:2.8–4/24–90 ASPH. aufgenommen. Das ist eine großartige Kamera und ein perfektes Objektiv, das bei allen Lichtverhältnissen funktioniert. Das zeigte sich besonders in den dunklen Werkstätten: Die Kamera fing all die unterschiedlichen Schatten ein, es gab wunderschöne Bildergebnisse. Ich habe auch eine M10 mit einem 50-mm-Objektiv verwendet: eine sehr leichte und handliche Kamera, perfekt, wenn ich schnell sein und Bilder machen musste, ohne Zeit für die Vorbereitung der Aufnahme zu haben.

Haben Sie eine Vorstellung davon, wie Sie Ihre visuelle Sprache entwickeln wollen?
Es interessiert mich sehr, die Bedeutung und den Gebrauch der Fotografie zu erweitern – ich beschäftige mich mit Manipulation, Installationen und der Verbindung mit anderen Medien. In dem Projekt, an dem ich gerade arbeite, versuche ich, eine ganzheitlichere Sichtweise einzunehmen und über den Tellerrand hinaus zu denken, indem ich visuelle Anordnungen in Übereinstimmung mit dem Inhalt schaffe.

Die bildende Künstlerin Alessia Rollo wurde 1982 in Lecce, Süditalien, geboren. Sie erhielt ihren BA an der Universität in Perugia und macht ihren MA in Verlagswesen an der Universität Mailand. Darüber hinaus erwarb sie 2009 einen Master in kreativer Fotografie an der EFTI-Schule in Madrid und nahm an Workshops mit internationalen Künstlern wie Peter Funch, Mauricio Alejo, Danis Darzacq, Jill Greenberg, Matt Siber, James Casebere und Mary Ellen Mark teil. Ihre Arbeiten wurden in Einzel- und Gruppenausstellungen in Spanien, Italien und Brasilien gezeigt und waren international u. a. auf der Photo London, der Urban Layers Triennale di Milano, dem Bitume Photofest Malaga und dem Shanghai Photofestival zu sehen. Erfahren Sie mehr über die Fotografie von Alessia Rollo auf ihrer Website und ihrem Instagram-Kanal.

Leica SL

Fast. Direct. Mirrorless.