Aktuelle Erkenntnisse auf den Gebieten der Astronomie, Biochemie, Quantenphysik, Stammzellenforschung und künstlichen Intelligenz: In ihrem jüngsten Projekt findet Herlinde Koelbl einen naheliegenden und sehr zugänglichen Weg in die Welt der Wissenschaft.

Herlinde Koelbl hält die wichtigsten Erkenntnisse der von ihr porträtierten Forscherinnen und Forscher buchstäblich fest und macht sie in ihren Aufnahmen greifbar: Sie bat um eine kleine Skizze auf der Hand, die das Wesen der jeweiligen Forschungsgebiete vermittelt. Eine Formel, eine Verkörperung einer Philosophie, ein Zitat: Zusammen mit den klugen Köpfen, die dahinterstehen, ergeben sie äußerst lebendige Porträts der renommierten Wissenschaftler. Wir sprachen mit der Fotografin über ihr Projekt.

Wie haben Sie sich vorbereitet und wie haben Sie die von Ihnen porträtierten Persönlichkeiten recherchiert?
Ich begann damit, viel über die verschiedenen Wissenschaftler zu lesen – Bücher über sie und ihre Forschung. Aus Respekt gegenüber den Befragten war mir eine sehr gute Vorbereitung wichtig. Natürlich habe ich viel online recherchiert, aber ich habe auch mit vielen anderen Wissenschaftlern gesprochen und sie gebeten, diejenigen zu empfehlen, die sie für Spitzenwissenschaftler halten. Und natürlich empfahlen diese Wissenschaftler wiederum andere Preisträger, mit denen ich Kontakt aufnehmen konnte.

Dieses Projekt hat sicherlich seine Zeit gebraucht?
Ja. Das erste Interview fand 2015 statt und das letzte in diesem Jahr. Ich reiste nach Israel, Amerika, Australien, England, China, Frankreich, Österreich und in die Schweiz.

Welche Bedeutung hat die Hand in den Porträts?
Ich wollte die Wissenschaftler auf eine ungewöhnliche Weise porträtieren. Ich fragte mich, wie ich die Persönlichkeit und ihre Wissenschaft in einem Porträt vereinen könnte. Das Wunderbare war, dass sie alle ihre Formel oder ihr Zitat selbst auf die Hand geschrieben haben. So kann man ihre Handschrift sehen, ebenso wie die Form und die Linien ihrer Hand. Ich war fasziniert davon, wie es den Wissenschaftlern gelang, das Wesentliche ihrer komplexen, umfassenden Arbeit so zu verdichten, das es auf ihre Hand passt.

Wie leicht war es, die Porträtierten davon zu überzeugen, ihre Hand zu zeigen?
Wie auf den Bildern zu sehen ist, waren die Porträtierten begeistert, denn die Hand verleiht eine Verspieltheit, die Wissenschaftler nicht verlieren sollten, wenn sie erfolgreich sein wollen. Diese kindliche Neugierde ist immens wichtig, ebenso wie die Offenheit für ungewöhnliche Ideen und Denkweisen. Ich habe keine Anweisungen gegeben, wie jemand seine Hand halten soll, aber viele haben sie am Anfang einfach auf Kopfhöhe gehoben. Dann habe ich gebeten, ein wenig herumzuspielen.

Gingen Ihre Begegnungen mit diesen Persönlichkeiten über einfache Porträtsitzungen hinaus?
Das Hauptaugenmerk lag auf den Porträts. Ich habe aber auch alle mit zwei Videokameras gefilmt, sodass ich außer im Buch ihre Persönlichkeit auch in einem anderen Medium darstellen kann. Es war mir wichtig, nicht nur den Wissenschaftler, sondern die ganze Person zu zeigen. In den Interviews ging es um Herkunft, Erziehung, erste Erfahrungen mit der Wissenschaft, Vorbilder, der Weg an die Spitze und die Hürden, die sie zu überwinden hatten. Flexibilität und Beharrlichkeit sind wesentliche Aspekte, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auszeichnen. Da es sich nach wie vor um eine sehr männlich dominierte Welt handelt, war ich auch daran interessiert zu erfahren, wie Nobelpreisträgerinnen und Wissenschaftlerinnen ihren Weg gefunden haben.

Sie haben die Aufnahmen mit einer Leica SL gemacht. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Sehr gute! Ich habe ein Zoomobjektiv verwendet, sodass ich jede Situation ganz individuell angehen konnte. Vor allem sorgt die hohe Auflösung der Leica SL für ausreichend Daten, um sehr große Prints fertigen zu können.

Warum haben Sie sich für Schwarzweiß entschieden?
Ich habe alle Aufnahmen in Schwarzweiß konvertiert, weil ich das Gesicht und die Hand – auf die sie mit einem schwarzen Stift geschrieben hatten – auf das Wesentliche reduzieren wollte, damit das Auge des Betrachters nicht abgelenkt wird.

Herlinde Koelbl wurde am 31. Oktober 1939 in Lindau, Deutschland, geboren. Mitte der 1970er-Jahre entdeckte sie die Fotografie und gilt heute als eine der renommiertesten Fotokünstlerinnen Deutschlands. Ihr umfangreiches Werk ist weitgehend von langfristigen freien Arbeiten geprägt, oft durch vertiefende Gespräche ergänzt. In den letzten Jahrzehnten hat sie über ein Dutzend Fotobücher veröffentlicht. Für ihre Arbeiten im Kleinbildformat verwendet sie häufig eine Leica M oder R, während ihre jüngsten Serien mit einer Leica SL entstanden sind. Die Fotografin erhielt verschiedene Auszeichnungen, darunter die Leica Medal of Excellence (1987), den Dr.-Erich-Salomon-Preis der Deutschen Gesellschaft für Photographie (2001), das Bundesverdienstkreuz (2009) und den Bayerischen Verdienstorden (2013). Herlinde Koelbl wird durch die Agentur Focus vertreten. Sie lebt und arbeitet in München.
Erfahren Sie mehr über Herlinde Koelbls Fotografie auf ihrer Website.

Ausstellung Faszination Wissenschaft:
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, 5. Oktober 2020 bis 29. Januar 2021

Leica SL2

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