Woher haben Sie die Inspiration für all die Requisiten und Szenen genommen? Das sieht nach der Arbeit eines talentierten Kostümbildners aus! Haben Sie das alles selbst gemacht?
Ja, ich habe mir alle Bühnenelemente für die Fotografien selbst ausgedacht. Die Requisiten stammen aus verschiedenen Quellen und Orten, manche Bilder sind auch von Requisiten inspiriert, die ich zufällig entdeckt habe. Zu Beginn des Projekts habe ich mich nur auf dem Flohmarkt im Berliner Mauerpark umgesehen, ohne schon eine ganz genaue Vorstellung davon zu haben, was ich suchte. Ich stieß auf eigentümliche Objekte wie den Puppenkopf, das Telefon oder den ausgestopften Vogel, alles schon älter. Intuitiv wusste ich sofort, dass diese Objekte für mein Projekt nützlich sein würden. Als das Projekt konkreter wurde, hatte ich dann eine klarere Vorstellung davon, welche Requisiten und Kostüme ich für jedes Bild benötigte und suchte gezielt danach. Ich hatte auch das Glück in meiner Nachbarschaft einen sehr freundlichen Antiquitätenhändler zu entdecken, der den Laden VEB Orange betreibt. Er erklärte sich bereit, mir einige seiner kostbaren Objekte und Kleider zu vermieten. Einige der ausgefalleneren Objekte stammen von dem Künstler und Sammler La Tercera Mano.

Welche Entwicklung hat das Projekt genommen?
Alle Ideen für die Aufnahmen sind eine Kombination meiner Fantasien, Träume, Kindheitserinnerungen und eben auch der Inspirationen, die sich aus den Requisiten ergeben haben. Der Entstehungsprozess war sehr intuitiv, aber im Unterschied zu meinen anderen Projekten habe ich für diese Serie viele Skizzen angefertigt, die mir halfen, die Ideen in meinem Kopf zu konkretisieren. Diese Ideen haben sich während der Aufnahmen oft noch verändert, denn manchmal sieht das, was man sich vorstellt und skizziert, in der Realität anders aus. Gelegentlich hatte ich auch spontan eine interessantere Idee.

Gab es vertrackte Szenen, für die Sie nicht das richtige Bild gefunden haben?
Definitiv, manchmal hatte ich mich total festgefahren und musste dieselbe Idee zwei- oder dreimal fotografieren, bis ich das Gefühl hatte, dass die Umsetzung gelungen war. Lange konzeptionelle Gespräche über meine Ideen mit meinem lieben Freund Gökhan Bahcivan haben mir dabei auch sehr geholfen. Bei einigen Bildern hatte ich zwei Versionen, die interessant erschienen, und ich konnte mich nicht entscheiden, welches in der Auswahl bleiben sollte. Aufgrund des konzeptionellen und inszenatorischen Charakters dieses Projekts hatte jedes Bild einen verhältnismäßig langen und aufwendigen Entstehungsprozess, auch wenn die Aufnahmen auf den ersten Blick eher minimalistisch wirken. Es war ganz anders als bei meinen anderen Arbeiten, bei denen ich mich von der Inneneinrichtung der Wohnung eines anderen Menschen inspirieren lassen konnte oder vom Verhalten, der Persönlichkeit oder der Beziehung der Charaktere, die ich fotografierte. Bei Tête-à-Tête mussten alle Bildelemente von Grund auf neu erfunden werden, auch die Beleuchtung.

War es ein schmerzhafter oder freudiger Prozess, Ihre innere Welt zu visualisieren?
Insgesamt war der Prozess eher fröhlich und faszinierend, weil er mir erlaubte, mich selbst intensiver zu beobachten und zu analysieren und mich auch mit einem humorvolleren Ansatz zu betrachten. Aber natürlich gab es in diesem Prozess auch Momente der Erkenntnis bestimmter Dinge, die zu sehen ich nicht unbedingt bereit war.

Sie sind für Ihre farbenfrohe erzählerische Dokumentar- und Fine-Art-Fotografie bekannt. Warum haben Sie Ihren Stil so stark verändert?
Es stimmt, dass sich dieses Projekt von meinen anderen Arbeiten unterscheidet, vor allem, weil es sich um Schwarzweiß-Fotografie handelt. Ich habe in den letzten 20 Jahren mit Farbe gearbeitet, und mein Schwerpunkt lag hauptsächlich auf der Erforschung von Beziehungen und Familiendynamiken anderer Menschen und auf der Dokumentation verschwindender oder mysteriöser Kulturen. Es gibt in meinen Projekten immer fiktionale oder inszenierte Elemente, aber der dokumentarische Teil ist immer sehr wichtig und bildet die Grundlage, im Gegensatz zur Serie Tête-à-Tête, bei der alles ein Produkt meiner Vorstellungskraft und meines Schaffens ist. Meine Reise als Fotografin begann jedoch mit analoger Schwarzweiß-Fotografie, in der ich mich mehr mit der Inszenierung imaginärer Szenen und mit Porträts beschäftigt habe.

Welche Rolle spielte die Leica Q2 Monochrom?
Die Möglichkeit, mit der Leica Q2 Monochrom zu arbeiten, belebte mein Interesse an der Schwarzweiß-Fotografie stärker als ich es erwartet hatte. Ich habe das Gefühl, dass diese Kamera eine neue Perspektive und einen neuen Blickwinkel in meine Arbeit gebracht hat. Ich werde diese Richtung auf jeden Fall weiterverfolgen. Eines der bemerkenswerten Merkmale dieser Kamera ist, dass sie in vielerlei Hinsicht wirklich einer analogen Kamera ähnelt. Sie ist sehr einfach zu bedienen, und gleichzeitig sind die Qualität der Bilder und die Menge der Details, die man aufnehmen kann, absolut spektakulär. Nicht zu vergessen das schöne superklare 28-mm-Objektiv mit einer Offenblende von 1.7. Tatsächlich übertrifft diese Kamera hinsichtlich der Qualität der Ergebnisse definitiv jede 35-mm-Kamera. Jeder, der das Gefühl vermisst hat, mit einer analogen Kamera zu arbeiten, kann diese Erfahrung bei der Verwendung der Q2 Monochrom wiederaufleben lassen. Einer ihrer größten Vorteile besteht schließlich darin, dass sie so klein und leicht zu transportieren ist, sodass man mit ihr wirklich jederzeit spontan und kreativ sein kann.

Hatte die Visualisierung Ihrer Gefühle einen therapeutischen Effekt?
Ich glaube schon. Diese Arbeit zwang mich, mich viel genauer als je zuvor zu betrachten. Es war fast wie ein Meditationsprozess, auch weil ich völlig allein gearbeitet habe. Manchmal dauerten die Aufnahmen mehrere Stunden, meistens nachts, deshalb ging ich tatsächlich in meiner Arbeit auf. Natürlich war es in manchen Momenten auch unangenehm, aber ich denke, insgesamt war es definitiv therapeutisch und wirkte sich positiv auf meine psychischen Prozesse aus. Tête-à-Tête hat mich auch dazu gebracht, meine Träume genauer zu analysieren, was ich schon seit sehr langer Zeit machen wollte, da ich eine sehr intensive Träumerin bin und meine Träume oft mit Symbolen und Erzählungen aufgeladen sind, über die ich mich ständig wundere.

Die Serie Tête-à-Tête erscheint auch in der LFI 1/2021.

Viktoria Sorochinski ist eine in der Ukraine geborene kanadische Fine-Art-Fotografin mit multikulturellem Hintergrund, die derzeit in Berlin lebt und arbeitet. Seit Abschluss ihres Masters of Fine Arts an der New York University im Jahr 2008 hat sie fast 70 Ausstellungen in 21 verschiedenen Ländern Europas, Nord- und Südamerikas und Asiens gezeigt. Sorochinskis Arbeiten wurden in über 70 internationalen Publikationen vorgestellt und besprochen, darunter ihre Monografie Anna & Eve, die in Deutschland bei Peperoni Books erschienen ist. Sie ist außerdem Preisträgerin und Finalistin zahlreicher Stipendien, Förderungen und internationaler Preise wie dem Leica Oskar Barnack Award, dem Arnold Newman Prize, dem LensCulture Exposure Award und dem Lucie Award (Discovery of the Year).