Dem zuweilen rauen und unberechenbaren Nordsee-Wetter trotzend begab sich Alexander von Wiedenbeck immer wieder auf fotografische Erkundungstouren auf der beliebten deutschen Ferieninsel Sylt und entdeckte dabei magische Orte abseits der Touristenmassen. Die spannendsten Aufnahmen – alle mit verschiedenen Modellen der Leica M Monochrom entstanden – erscheinen nun in dem Bildband Das Watthof-Tagebuch.
Wie sind Sie zur Fotografie gekommen und wie bleibt diese Leidenschaft lebendig?
Zur Fotografie bin ich eigentlich durch die Werbung gekommen. Vor etwa 15 Jahren habe ich noch eine von mir gegründete Werbeagentur geleitet. Eines Tages ist uns dann kurzfristig ein Fotograf ausgefallen und da die Produktion bereits angesetzt war und wir unter Termindruck standen, sagte der Kunde, der eine semi-professionelle SLR dabeihatte, zu mir: „Du bist der Werber, du machst das jetzt!“ Von dem Moment an war sie dann entfesselt, die neue Leidenschaft. Um die Fotografie von der Pieke auf zu verstehen, habe ich mich in den Folgejahren intensiv in die Thematik eingearbeitet und weiterentwickelt. Mit den Jahren erkannte ich aber auch, dass es Fotografie abseits der Werbung sein sollte, die meine Leidenschaft und mein Schaffen weiter vorantreiben und erfüllen sollte. Heute fotografiere ich kaum noch Werbung und fast ausschließlich nur noch das, was mir persönlich und vor allem meiner Fotografie und meinem Sehen entspricht … das macht schon großen Spaß und ich glaube, wenn man das Glück hat, nur das zu fotografieren, was einem selbst entspricht, dann kann man die Leidenschaft dafür gar nicht verlieren.
Welche Rolle spielt Leica dabei?
Meine erste Leica war die M Monochrom, die ich mir 2013 angeschafft hatte. Eigentlich wollte ich nur Umfang und Gewicht meines Equipments für Reisen verringern, aber die Kamera sorgte für eine deutliche Weiterentwicklung meiner Arbeitsweise, aber vor allem auch meiner Fotografie. Durch die Reduzierung auf das Wesentliche, ohne das ganze Automatikzeugs und mit dem Messsucher, bin ich den Momenten noch viel näher als das vorher der Fall war. Dadurch erlebt man die Welt um sich herum noch viel intensiver. Ich könnte mir heute nichts anderes mehr vorstellen als mit dieser Intensität zu fotografieren.
Was hat Sie auf die Idee gebracht, eine fotografische Reise nach Sylt zu unternehmen?
Die Insel ist mir schon seit vielen Jahren ein Ort der Erholung, der Entspannung und vor allem ein kreativer Rückzugsort. Seit ich meinen ersten Bildband im Jahr 2013 dort fotografiert hatte, war es wie Liebe auf den ersten Blick. Diese intensive Ruhe und Stille im Wattenmeer und auf der Insel generell, das ist pure Erholung und Inspiration für mich –abseits der Hauptsaison wohlbemerkt. Sylt ist seit Jahren einer meiner Lieblingsorte. Ich komme jedes Jahr dorthin, wenn mir die Decke auf den Kopf fällt oder ich einfach nur Inspiration suche, für laufende oder neue Projekte. Da ich immer im selben Hotel übernachte, hat sich in all der Zeit auch eine tiefe Freundschaft und Verbundenheit mit den Inhabern entwickelt. Und natürlich sind in all den Jahren auch zahlreiche spontane Fotografien entstanden. Als ich vergangenes Jahr mit meinen Hoteliers abends bei einem schönen Glas Wein über all die tollen Momente auf der Insel philosophierte und wir uns ganz nebenbei einige meiner Fotografien aus all den Jahren ansahen, entstand daraus die Idee, aus meinen Sylt-Reisen ein Buch zu machen. Aber das existierende Sammelsurium an Fotografien war ein heilloses Durcheinander, deshalb reiste ich ein paar Wochen später kurzerhand erneut auf die Insel, um meinen früheren Wegen noch einmal fotografisch zu folgen. Dabei entdeckte ich zahlreiche neue Orte und wirklich magische Plätze.
Sie schreiben, dass Sylt mehr zu bieten habe, als die Berichterstattung im Fernsehen oder in Hochglanzmagazinen nahelege. Stand die Idee, das fotografisch zu belegen, schon vorher fest oder hat sich das erst ergeben? Was wollten sie anders machen?
Ich muss gestehen, ich bin überhaupt kein Freund von Mainstream und Massentourismus. Die Welt hat viel mehr zu bieten als das, was der breiten Masse allzu gern suggeriert und verkauft wird. Unabhängig davon, wohin mich meine Reisen schon geführt haben, liebe ich es, mich abseits der üblichen Pfade zu bewegen. Genau dort hat die Insel viel zu bieten. Es gibt zahlreiche dieser erwähnten magischen Orte mit einer teilweise surrealen Landschaft, welche man nicht unbedingt mit Deutschland verbinden würde. Die totale Stille mancherorts und gerade im Wattenmeer, welche einzig durch den Wind getragen wird und das Gefühl, dass man gerade völlig allein ist auf der Welt. Auf der anderen Seite der Insel die offene Nordsee, die bei launischem Wetter ein geradezu fantastisches Naturschauspiel bietet mit starken Winden und Strömungen, die an manchen Stellen die Sandbänke über die Jahre immer kleiner werden lassen. Das alles sind genau jene Momente und Plätze gewesen, die ich über all die Jahre schon fotografiert hatte und welche ich jetzt bei dieser „neuen“ fotografischen Reise bewusst gesucht habe.
Wie war Ihre Verbindung zur Insel vor dem Projekt, wie ist sie jetzt?
Meine Beziehung zu Sylt war eigentlich schon immer von schönen Momenten, Erholung, Inspriation und Freundschaft geprägt. Das hat sich durch Das Watthof-Tagebuch nicht geändert. Wenn überhaupt, dann ist alles noch viel intensiver geworden. Ich konnte doch noch einige neue Orte auf der Insel entdecken oder manche „alte Bekannte“ wiederentdecken, was zu der Erkenntnis geführt hat, dass man sich an dieser Insel irgendwie nie wirklich sattsehen kann. Die Plätze verändern sich und je nach Witterung und Licht, kann man ein und denselben Ort jedes Mal aufs Neue mit völlig anderen Augen sehen.
Aus welchem Grund haben Sie sich für Schwarzweiß entschieden?
Meine eigenen Projekte fotografiere ich seit jeher ausschließlich in Schwarzweiß und zwar aus zwei Gründen: Zum einen, wie Leica auch immer sehr schön sagt, es „reduziert auf das Wesentliche“. Gerade bei meinen Reportagen möchte ich eine Geschichte erzählen, das funktioniert einfach am besten in Schwarzweiß, da der Fokus dann auch tatsächlich nur auf dem eingefangenen Moment und der Geschichte liegt. Farben würden da nur stören, sogar regelrecht ablenken. Zum anderen finde ich es auch sehr spannend, durch eine monochrome Fotografie der Zeit eine Rolle zu geben. Wie man so schön sagt, verblasst die Vergangenheit ja mit der Zeit, sie wird schwarzweiß und die Realität, das echte Leben, findet in Farbe statt. Allein deshalb sollte die Fotografie, die zum Zeitpunkt ihrer Entstehung ja bereits zur Vergangenheit geworden ist, immer schwarzweiß sein, oder nicht?
Welche Kamera haben Sie benutzt, und wie waren Ihre Erfahrungen damit?
Mit dem Schwerpunkt auf der Schwarzweißfotografie, hatte ich natürlich die Leica M Monochrom ab der ersten Stunde. Über die Jahre wurde es dann regelrecht zu einer Obsession, mir jedes neue monochrome M-Modell zu holen. Die Fotografien im Watthof-Tagebuch sind mit allen M-Monochrom-Modellen entstanden, der Großteil aus dem letzten Jahr mit der Leica M10 Monochrom. Aus der Zeit davor sind natürlich auch Aufnahmen mit der M Monochrom der ersten Generation und der M Monochrom (Typ 246) dabei. Es war interessant zu verfolgen, wie sich die Kamera über all die Jahre weiterentwickelt hat. Ich war von Beginn an ein großer Fan des monochromen Sensors und total begeistert von der Qualität der ersten Kamera. Die Leica M10 Monochrom war aber noch einmal ein Quantensprung für mich. Ich habe ja keinen Schimmer, wie die Leute bei Leica das gemacht haben, aber die M10 Monochrom lässt die Bilder in meinem Kopf zur Realität werden … eins zu eins, da muss ich im Nachgang bei der Entwicklung eigentlich gar nichts mehr machen, das ist wirklich beeindruckend.
Hatten Sie eine bevorzugte fotografische Herangehensweise bei diesem Projekt?
Nicht wirklich, nein. Grundsätzlich ging es mir darum, die ganze Insel auf eine Art zu entdecken, wie ich es vorher noch nicht getan hatte, bis in die letzten Winkel und Ecken, welche die Massen vielleicht noch nicht gefunden haben. So bin ich an allen Tagen im Prinzip einfach drauf los. Manchmal zu Fuß, manchmal mit dem Fahrrad. Einen Fahrplan oder ähnliches gab es nicht, Sylt ist ja zum Glück eine kleine Insel, da kann man sich nicht wirklich verlaufen. Selbst die Fotografien aus der Luft sind ganz spontan entstanden, als mir während der Tage ganz unverhofft der Kontakt zu einem Piloten vermittelt wurde. Das hatte ich so gar nicht auf dem Schirm, aber die Chance habe ich natürlich gern genutzt.
Was den technischen Aspekt betrifft, habe ich mich neben der M10 Monochrom auf das 35er- und 50er-Summilux sowie einen zweiten Akku beschränkt. Ach ja, und auf ein paar Tools zur Reinigung, denn das Wetter auf Sylt kann einem oft einen Streich spielen. Binnen weniger Minuten kann aus Sonnenschein ein regelrechtes Armageddon werden. Der starke Wind der Nordsee gepaart mit Regen und Sand, das kann schon zur Herausforderung für das Equipment werden – und wurde es auch! Einmal erweckte die Kamera den Eindruck, als hätte sie das Meer gerade an den Sandstrand gespült … auf so etwas vorbereitet zu sein, ist schon wichtig.
Welchen Teil dieses Projekts werden Sie noch lange in Erinnerung behalten?
Ich denke, dass ich, nicht zuletzt aufgrund des nun gedruckten Bildbands und meiner persönlichen Erzählung darin, die ganze Reise in Erinnerung behalten werde. Das ist doch das wundervolle an der Fotografie und dem festgehaltenen Augenblick … man sieht sich die Bilder später, vielleicht sogar nach vielen Jahren an und wird sofort wieder in den Moment hineingezogen. Wenn sie dann auch noch gedruckt sind und man von Augenblick zu Augenblick umblättern kann, die Reise nochmal erleben darf, dann ist das natürlich umso schöner.
Wie sieht es mit zukünftigen Projekten aus? Ist da bereits etwas in Planung?
Aktuell stecke ich noch in den Vorbereitungen, aus dem Watthof-Tagebuch eine Ausstellung zu konzipieren. Diese soll, sofern es die Umstände erlauben, im Frühjahr 2022 auf Sylt zum ersten Mal gezeigt werden. Darüber hinaus gibt es schon einige Ideen für neue Projekte, die sich derzeit jedoch aufgrund der aktuellen Reiseeinschränkungen allesamt nur bedingt umsetzen lassen. Sobald sich das wieder gebessert hat, bin ich sofort wieder „on the road“. Wo genau, möchte ich jetzt noch nicht verraten.
Alexander von Wiedenbeck, geboren und aufgewachsen in einem kleinen Dorf in der bayrischen Provinz, entdeckte die Fotografie als Autodidakt Anfang der 2000er-Jahre in der Werbebranche. Schon bald widmete er sich der Fotografie auch abseits der glitzernden Werbewelt und begann, unverfälschte und authentische Geschichten zu erzählen. Seither fotografiert er Reportagen und erzählt Geschichten rund um die Welt, sei es als Auftragsarbeiten oder bei freien Projekten. Von Wiedenbeck hat diverse Auszeichnungen, etwa beim tifa – Tokyo International Foto Award oder dem GoSee Award, erhalten. Seine Arbeiten waren in zahlreichen Einzelausstellungen rund um den Globus zu sehen, u.a. im BACC in Bangkok, im inatura Museum in Dornbirn bei Bregenz, im Weltmuseum in Wien sowie in etablierten Häusern in Deutschland. Seine Arbeiten erstrecken sich heute über die Genres der Editorial-, Reportage- und Porträtfotografie. Erfahren Sie mehr über die Fotografie von Alexander von Wiedenbeck auf seiner Website und in seinem Instagram-Kanal.
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