Wie gefallen Ihnen die Filme von David Lynch?
Was für eine Art, ein Interview zu beginnen! Tatsächlich hege ich eine besondere Vorliebe für Lynchs Filmästhetik: das Geheimnisvolle, das seine Figuren oft umgibt; die oft seltsame Atmosphäre, die uns nie gleichgültig lässt, auch etwas Altmodisches, Melancholisches.

Viele Ihrer Aufnahmen und deren eher mysteriöse Atmosphäre könnten Stills aus Lynchs Filmen sein.
Oh, was für ein Kompliment! Es stimmt, dass viele Merkmale seines Universums in dieser Serie vorkommen: nächtliche Straßen, verlassene amerikanische Städte, alte Motels, eine hübsche Frau usw. Ich liebe die US-Literatur und ihren typisch zynischen Ton. Ich glaube, auch Lynch haben diese Monumente amerikanischer Kultur inspiriert.

Warum fotografieren Sie so oft in der Dämmerung oder bei Nacht?
Meine Reise fand im Januar statt. Die Tage waren kurz und so waren wir oft in den dunklen Stunden unterwegs. Ich mag diese Art von Atmosphäre – „zwischen Hund und Wolf“ sagen wir in Frankreich. Die Dörfer, durch die wir fuhren, schienen mit Einbruch der Dunkelheit eine andere Bedeutung anzunehmen. Außerdem war ich durch die Zeitverschiebung oft sehr früh am Morgen wach. Manchmal nutzte ich die Gelegenheit, um Fotos zu machen, bevor Marine, meine Freundin, aufwachte. Ich mag die Idee, das zu fotografieren, was jeder tagsüber sieht, aber am Abend oder in der Morgendämmerung. Dazu fällt mir eine Tankstelle in der Nähe des Sequoia Parks ein: Tagsüber waren dort Menschen, Touristen, Reisende, die kamen, um zu tanken oder im Laden nebenan ein Sandwich zu kaufen. Ich habe dieses Bild nachts aufgenommen, nur im Licht der Neonröhren. Es ist eine Möglichkeit, eine andere Geschichte zu erzählen.

Sie haben auch viele Fotos aus dem Auto heraus gemacht.
Stimmt, manchmal habe ich aus dem Auto heraus fotografiert und manchmal draußen. Offenbar ist diese Art von Motiven von unserer Vorstellungskraft geprägt, unseren kulturellen Referenzen, vom Kino bis zur Fotografie oder Literatur. Ich war auch oft im Auto unterwegs, was nicht immer die beste Möglichkeit zu fotografieren darstellt.

Ihre Bilder zeigen sowohl die große, weite und einsame amerikanische Natur als auch glitzernde oder versiffte Urbanität. Warum haben Sie diese Kontraste gewählt? Oder haben die Kontraste Sie gewählt?
Ja, das ist wohl das Besondere an dieser Reise und dieser Serie: das erzwungene Beieinander von Wildnis und Wüste einerseits und dem urbanen, oberflächlichen und vulgären Wahnsinn von Millionenstädten wie Las Vegas oder Los Angeles. Und so hatte ich mir das auch vorgestellt, als ich die Reise geplant habe. Ich wusste, dass Las Vegas von den Klischees des Konsums nur so strotzen würde. Und danach wäre ich froh, in die einsameren Straßen des Death Valleys zu fliehen. Ich denke, das ist ein Spiegelbild dieses Landes. Die Disparitäten und Ungleichheiten werden immer ausgeprägter, sozial, politisch und wirtschaftlich. Das spiegelt sich zwangsläufig in den Bildern wider. Ich denke da an die Obdachlosen, die wenige Meter vom Hollywood Boulevard entfernt ihre Zelte aufschlagen. Während die Luxusboutiquen und Shopping Malls die ganze Nacht hindurch glänzen, können sich diese Menschen, von denen einige dort arbeiten, nicht einmal ein Dach über dem Kopf leisten. So sind die USA, voller Kontraste, Widersprüche und gegensätzlicher Territorien: Von Las Vegas bis Grant Grove gibt es eine ganze Welt, eine Galaxie!

Sie haben eine Leica M (Typ 240) mit einem 35er-Summicron verwendet.
Ja, der Leica Store Marseille hatte mich ausgestattet. Es war meine erste Begegnung mit dem M-System und seither benutze ich es. Es war ein echtes Vergnügen, mit der Kamera unterwegs zu sein. Das perfekte Werkzeug für diese Art von Reise: eine leichte Ausrüstung, diskret, kompakt, robust, essenziell und authentisch. Ich hatte keine Probleme. Die Kamera entsprach dem, was ich suchte, und gab mir endlich die Freiheit, die Fotos zu machen, die ich wollte, um eine ruhigere Beziehung zu den Menschen aufzubauen, die ich fotografiere.

Gab es knifflige Situationen?
Wie gesagt, keine Probleme, obwohl ich die M (Typ 240) vielleicht ein wenig überfordert habe, vor allem bei Nachtaufnahmen. Aber ich mag die Körnung und den Look. Es ist eine starke und zuverlässige Kamera!

Ich bin nicht von hier – so heißt Ihre Serie. Ist das als Ausrede gemeint oder eher als Abgrenzung?
Ich denke, dieser Titel hängt mit den Gefühlen zusammen, die ich hatte, vor allem angesichts des Wahnsinns in den Städten: das starke Gefühl, nicht zur selben Gesellschaft, zur selben Welt zu gehören, nicht dieselben Werte zu teilen. Die Unfähigkeit, sich als Teil einer Gemeinschaft zu fühlen – dem Westen, der Sozialdemokratie oder wie immer man es nennen möchte. Alles erscheint dort falsch, heuchlerisch, oberflächlich. Die Beziehung zur Religion, zum Geld, zum Rest der Welt. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich dorthin gehöre.

Was hat Sie auf Ihrer kalifornischen Reise am meisten fasziniert?
Natürlich habe ich eine surreale, disproportionierte Welt erwartet; aber ich habe Dinge gesehen, die noch extremer waren, als ich es mir vorgestellt habe. Man weiß gar nicht mehr, was echt ist und was nicht: gefälschte Sternenhimmel und Kanäle mit kleinen Booten in einem Luxushotel, Reinigungskräfte, die kommen, um ihren kargen Lohn an den Spielautomaten auszugeben, wenn die anderen Gäste gegangen sind, Luxusanzüge für Hunde. Ich sah eine junge Frau, die oben ohne vor den Disney Studios herumlief, und eine Prozession von Katholiken mit „I Love Jesus“-Schildern, und Prinzessin Leia, die einen Typ in einem T-Shirt mit dem Aufdruck „Viet Vet“ dazu brachte, eine Petition zu unterschreiben.

Was ließ Sie auf dieser Reise am meisten erschauern?
Ich habe es geliebt, von dem plötzlichen atmosphärischen Wechseln überraschen zu lassen. Nach einigen Tagen in kleinen, halbverlassenen Städten war die nächtliche Ankunft in Los Angeles wirklich beeindruckend. Ich fühlte mich, als würde ich ein Raumschiff in einer verkehrsreichen Galaxie steuern, denn vor uns ging ein riesiger Mond über der Stadt auf.

Wie lange hat Ihre Reise gedauert?
Ich hatte mich Marine angeschlossen, die schon etwa zwei Wochen vor mir dort war, wir waren dann noch zehn Tage gemeinsam unterwegs.

Stimmen Sie der Maxime „Lebe, reise, erlebe Abenteuer, preise und bereue nichts“ von Jack Kerouac zu?<
Ja, ich denke schon. Ich bin zwar nicht gläubig, aber ich weiß, wenn ich auf einem guten Weg bin. Auf jeden Fall glaube ich an die Tugend des Abenteuers, des Unbekannten und der Entdeckung. Manchmal mag ich es, mich von Sehnsüchten oder Gefühlen mitreißen zu lassen. Ich bin schon immer gern in der Natur spazieren gegangen und habe unbekannte oder wilde Gegenden erkundet. Ich habe mit einem Freund in den Wäldern Sloweniens gezeltet, um Bären zu sehen, ich habe einen Monat an Bord eines Boots verbracht, das im Eis vor Grönland festsaß, ich habe mich verliebt, und jetzt bin ich Vater. Ich liebe diese Herausforderungen, diese Entdeckungen und was diese Reisen aus uns machen.

Haben Sie ein Lieblingsbild aus der Serie?
Ich mag das Bild mit dem Auto auf einer unbefestigten Straße im Sonnenuntergang. Man fragt sich, wer da fährt und wo er in dieser staubigen Wüste hinfahren kann. Ich mag die Bilder, die uns zum Nachdenken bringen und uns Situationen vorzustellen. Und ich mag das Licht, ein bisschen schmutzig und staubig.

Wie beschreiben Sie Ihren fotografischen Ansatz?
Immer stärker reduziert. Ich versuche, so zu fotografieren, wie ich mich fühle, auf eine eher instinktive, freie Weise. Ich habe weder eine Foto- noch eine Kunstschule besucht. Ich versuche, so zu fotografieren, wie ich schreibe, manchmal auf eine etwas rohe, animalische Art. Bei Reportagen habe ich etwa gelernt, mir selbst immer mehr zu vertrauen und zu versuchen, mit dem, was mich berührt, eine Geschichte zu komponieren. Ich fotografiere mit Leidenschaft, manchmal auf eine etwas zügellose Art und Weise: Ich fotografiere viel, und wenn ich nicht fotografiere, schaue ich mir Fotos an oder bereite Fotoprojekte vor.

Was ist die wichtigste Fähigkeit, die ein Fotograf haben sollte?
Neugierde natürlich. Roland Barthes sagte es so: „Die Hellsichtigkeit des Fotografen besteht nicht im Sehen, sondern im Dabeisein.“ Fotografie wird erlebt, berührt. Man muss aus dem Haus gehen, sich die Welt draußen ansehen und sich für Menschen, Dinge, Räume interessieren. Ein Fotograf braucht vor allem Interesse, Neugierde, Wachheit und das brennende Verlangen, Geschichten zu erzählen. Und auch ein bisschen Demut auch! Der Rest ist nicht so wichtig.

Haben Sie fotografischen Idole, bekannte Persönlichkeiten oder Künstler, die Sie beeinflusst haben?
Das ist schwierig zu beantworten, ich glaube, ich habe so viele Idole wie ich T-Shirts habe. Zeitgenössische oder ältere Fotografen, Schriftsteller, Dichter, Regisseure füttern mich und inspirieren mich jeden Tag. Sie wechseln und manchmal kommen sie zurück. Von Kurt Cobain bis Sally Mann, von Jacques Brel bis Blaise Cendrars, von Bruce Davidson bis Julien Pebrel, all jene, die mich dazu gebracht haben, Dinge zu fotografieren, zu schreiben, zu tun und zu teilen.

Bitte vervollständigen Sie diesen Satz: Fotografie ist …
…mein Job! Was sonst?

Der freie Fotojournalist Théo Giacometti, Jahrgang 1989 gehört seit 2018 dem Hans Lucas Studio an. Er lebt und arbeitet in Marseille, wo er Reportagen für die Presse oder NGOs produziert, hauptsächlich zu sozialen und ökologischen Themen. Giacometti wuchs in den Bergen auf, wo er lernte, die Poesie der Weite zu lesen, und entdeckte sich nach einer Karriere als Koch durch die Fotografie und das Schreiben. Er bildete sich in Porträtfotografie bei Richard Dumas und Eyes in Progress aus. Mehrere Jahre lang widmete er einen Teil seiner Zeit auch der Organisation von Fotoworkshops für benachteiligte Menschen: Sozialzentren, isolierte Minderjährige, Suchtzentren, junge Betreuer, hauptsächlich für die Ars Paca. Seine preisgekrönten Arbeiten werden vielfach ausgestellt und in internationalen Zeitungen und Magazinen veröffentlicht, etwa „The Guardian“, „Libération“, „Le Monde“, „The Washington Post“, „Fisheye Magazine“, „Le Figaro Magazine“ und Reporters Sans Frontières. Erfahren Sie mehr über die Fotografie von Théo Giacometti auf seiner Website und in seinem Instagram-Kanal.