Die Natur hat einzigartige Landschaften erschaffen – die Vogelperspektive gibt uns die Möglichkeit, sie mit anderen Augen zu sehen. Mit ihrer neuen Serie von Luftaufnahmen zeigt uns Daria Troitskaia die Welt in absoluter Unverfälschtheit und wunderbaren Kombinationen von Farben und Formen.

Wie sehen Sie die Welt von oben?
Für mich sieht die Welt aus jedem Blickwinkel toll aus, aber von hoch oben wirkt sie besonders ungewöhnlich. Selbst Orte, die man schon oft gesehen hat, offenbaren neue Farben. Ich genieße es, die Geometrie der Formen aus der Vogelperspektive zu beobachten. Es ist spannend zu sehen, wie der Mensch seine Rolle als Hauptperson verlässt, nicht mehr im Mittelpunkt steht, sondern in eine Nebenrolle wechselt und wieder ein Teil der Natur wird. Dort unten, am Boden, setzt sich der Mensch selbst in Szene, um im Rampenlicht zu stehen, während er von oben gesehen zu einem Teil des großen Ganzen wird wie jedes andere Lebewesen auch.

Wo ist die Serie entstanden?
Ich war auf Malta, als die ersten Pandemie-Restriktionen verhängt wurden. Mein Buch mit Street Photography aus Malta war gerade erschienen und ich war bereit für ein neues Projekt. Mich faszinieren Flugmaschinen und so kam ich auf die Idee, aus einem Hubschrauber zu fotografieren. Die Luftbildfotografie gefiel mir auf Anhieb. Sobald ich wieder reisen konnte, habe ich in Como und auf Sizilien fotografiert. Dabei soll es aber nicht bleiben: Ich habe noch die großen Tierwanderungen in Afrika und eine Serie in der Antarktis auf dem Zettel.

Lieben Sie den Nervenkitzel?
Das beste Gefühl überhaupt! Gleich nachdem ich eine Leica S3 bekommen hatte erhielt ich die Chance, Luftaufnahmen zu machen. Ich war schon immer fasziniert von Flugzeugen und Extremsportarten; bei der Luftbildfotografie war es also Liebe auf den ersten Blick.

Was gehört zum Fliegen dazu?
Ein Sicherheitsgurt, ein Ersatzakku und eine Speicherkarte, ein zweites Objektiv oder eine zweite Kamera mit einem anderen Objektiv, Handschuhe, warme und bequeme Kleidung – eine winddichte Jacke ist absolut ein Retter.

Fotografieren aus einem Hubschrauber – was ist dabei zu beachten?
Die technischen Möglichkeiten des Fluggeräts sind sehr wichtig. Mein erster Hubschrauber war ein Bell 505, bei diesem Modell konnten die Türen demontiert werden. Fotos durch die Fenster zu machen, halte ich für sinnlos, da Lichtreflexe sie ruinieren könnten. Mein bevorzugtes Fluggerät ist der Eurocopter: Er ist schnell und die Türen lassen sich während des Flugs öffnen. Und man muss seine Route genau kennen – Drohnenvideos der Region sind meist hilfreich. Ich erstelle eine Liste der Sehenswürdigkeiten und kläre mit dem Piloten, ob Sondergenehmigungen erforderlich sind. Fragen Sie den Piloten nach der ungefähren Flughöhe und wählen Sie ein passendes Objektiv. Sie können natürlich auch während des Fluges das Objektiv wechseln, aber es ist einfacher, gleich das richtige zu nehmen. Eine gute Kommunikation mit dem Piloten ist entscheidend: Er sollte wissen, wann Sie fotografieren, damit er langsamer werden oder wenden kann.

Welche handwerklichen Voraussetzungen sind wichtig?
Kurze Verschlusszeiten, denn der Hubschrauber bewegt sich ständig und vibriert. Wenn bei einer Verschlusszeit von 1/2000 s ein Foto zu dunkel ausfällt, sollte man den ISO-Wert erhöhen oder eine kleinere Blende wählen. Verlässliche Einstellungen wären etwa diese: manueller Aufnahmemodus, Mehrfeld-Belichtungsmessung, Verschlusszeiten von 1/2000 bis 1/4000 s – sonst könnte es unscharf werden –, ISO 100 bis 800, aber am besten unter 400 bleiben, Blende 8 bis 13, aber bei wenig Licht kann man weiter öffnen. Der Weißabgleich hängt von den jeweiligen Lichtverhältnissen ab. Und man muss die Kamera jederzeit fest im Griff haben, auch wenn der Hubschrauber gerade einmal nicht in der Horizontalen fliegt. In großen Höhen kann der Wind so stark werden, dass er Ihnen die Kamera aus der Hand bläst. Das bequemste, leichteste und kompakteste S-Objektiv ist das Summarit-S 1:2.5/70 ASPH. Ich verwende auch oft das Elmarit-S 1:2.8/45 ASPH. Schließlich darf man nicht vergessen, die Gegenlichtblende abzunehmen.

Wie hat sich die Leica S3 in der Luftbildfotografie geschlagen?
Die Kamera war meine erste Wahl, weil sie gegen Staub- und Witterungseinflüsse geschützt ist. Luftbildfotografie ist wie ein Extremsport, dem eine anfällige Studiokamera nicht gewachsen wäre. Außerdem hat die S3 den schnellsten Autofokus. Die Leica S-Objektive liefern eine exzellente Abbildungsleistung und sparen Zeit in der Nachbearbeitung – schon die Raw-Dateien sehen gut aus. Die hohe Sensorempfindlichkeit der Leica S sorgt für eine exzellente Farbabstufung – für den Druck eine entscheidende Eigenschaft. Im Druck wird die Aufnahme Teil der physischen Welt und wirkt auf eine neue Weise auf uns. Vor allem Luftaufnahmen sehen auf Papier ganz erstaunlich aus.

Was fasziniert Sie an der Landschaftsfotografie?
Landschaftsfotografie erfordert Fantasie, Mut und einen geschulten Blick. Es ist sehr reizvoll, in bekannten Umgebungen verborgene Muster aufzudecken. Wenn ich fotografiere, wird die Landschaft für mich zum Werkzeug, um meine Idee auszudrücken. Es ist Aufgabe des Fotografen, dem Publikum das Einzigartige zu enthüllen. Viele fotografieren heute mit Drohnen. Ich glaube aber, dass man immer erkennen kann, wenn eine Aufnahme nicht von einem Menschen gemacht wurde, besonders in der Landschaftsfotografie. Für mich sind die Aufnahmen viel kraftvoller, wenn ein Fotograf die Kamera bedient.

Was sagen Bilder über unsere Welt?
Ein Fotograf friert den Moment ein und präsentiert dem Publikum seine Vision. Gleichzeitig entschleunigt das Publikum, um die künstlerische Wahrnehmung zu genießen, in der schlichte Elemente dekorativ geworden sind. Wer hätte im 19. Jahrhundert gedacht, dass graue Kieselsteine in einem Glasgefäß ein stilvolles Dekorationselement sein könnten? Zeitgenössische Künstler, inspiriert von karger nordischer Natur und östlicher Philosophie, haben es zu unsrer Realität gemacht. Ethische und spirituelle Erfahrungen beeinflussen die künstlerischen Mittel. Sie variieren stark je nach Zeit, Ort und persönlicher Erfahrung. Heute sind außergewöhnliche Verbindungen verschiedener Kunstkonzepte möglich.

Die russische Dokumentar- und Porträtfotografin Daria Troitskaia, geboren in Sankt Petersburg und aufgewachsen in Wien, lebt derzeit in Mailand. Nach der Veröffentlichung von Maltese Exposures, einem Buch mit Street-Photography-Motiven, aufgenommen 2020, verfolgt Troitskaia mehrere neue Fotoprojekte. Neben der Fotografie selbst und dem Erlernen weiterer Techniken interessiert sie sich auch für die Kameras selbst: Sie hat eine Sammlung von Kameras aufgebaut und experimentiert gern mit verschiedenen Geräten. Erfahren Sie mehr über die Fotografie von Daria Troitskaia auf ihrer Website und in ihrem Instagram-Kanal.

Leica S

Eine Klasse für sich.