Die Ausstellung von Klaus Mellenthin in der Leica Galerie Stuttgart wird bis zum 26.03.2022 verlängert. Karin Rehn-Kaufmann, Art Director der Leica Galerien International, traf den Fotografen Klaus Mellenthin in Stuttgart und befragte ihn zu seinen Fotografien, seiner Verbindung zu Leica und zu seinem neu veröffentlichtem Buch „True Tales Africa“

 

Klaus Mellenthin im Interview mit Valentin Gienger, Leica Galerie Stuttgart

Sie begannen Ihre Karriere als Industrie – und Corporate-Fotograf und arbeiteten später als Modefotograf. Sie lebten in Barcelona, London und Paris, heute in Berlin. Wie kommt es, dass Sie nun Ihr erstes Buch überhaupt über Afrika veröffentlichen?

Das Interesse für Afrika wurde bei mir schon in der Kindheit geweckt. Während meine Freunde Feuerwehrmann werden wollten oder Astronaut, wollte ich durch Afrika reisen. Das Buch ist entstanden, da ich das große Glück hatte in den letzten 20 Jahren immer wieder für Aufträge nach Afrika reisen zu dürfen. Dort konnte ich mich ganz unterschiedlichen Themen widmen. Da waren Modefotos, soziale Fotografie, Werbung, Dokumentationen und freie Strecken dabei. Dadurch habe ich nicht nur den Kontinent von Ost nach West und Nord nach Süd durchquert, sondern ihn auch aus ganz unterschiedlichen Perspektiven kennengelernt. Ich habe viel Reichtum gesehen und genauso bittere Armut, habe schwere Kriminalität aber auch einen wundervollen Alltag kennengelernt.

Als die Pandemie anfing, begann ich mich mit meinem Archiv auseinander zusetzen. Beim Durchschauen habe schnell gemerkt, an welchen Bildern ich selbst immer wieder hängen geblieben bin — und das waren vor allem Themen aus Afrika.

Dabei hab ich etwas gemacht, das viele vielleicht zunächst nicht verstehen: ich habe die spektakulären Bilder weggenommen! Den spektakulären Reichtum und die spektakuläre Armut — ich bin im Alltag geblieben. Mir hat die Idee sehr gut gefallen, den Blick auf den Alltag in vielen afrikanischen Ländern zu werfen — etwas das wir in Europa kaum sehen. Meistens lesen wir nur über Afrika wenn es laut wird, spektakulär und schrecklich. Diese Konzentration auf etwas anderes, auf etwas alltägliches und damit auch auf eine Vergleichbarkeit mit unserem Leben auf der Nordhalbkugel, das hat mich wahnsinnig gereizt.

Wie kam es zu Ihren ersten Berührungen mit dem Kontinent?

Mein erstes Mal in Afrika war ich mit Mitte 20. Ich war mit meiner damaligen Partnerin im Urlaub in Südspanien und habe immer wieder nach Marokko rüber geschaut. Und dann sind wir, ohne es uns wirklich leisten zu können, nach Tanger übergesetzt — und es war komplett anders als ich es erwartet hatte. Ich sah zum ersten Mal die Vielfalt des afrikanischen Kontinents. Anschließend war ich auch sehr häufig in Kairo und Ägypten unterwegs, da meine Schwester damals dort lebte. Das hat mir ein intensives Kennenlernen des Kontinents ermöglicht und ich konnte an Plätze kommen, die man als touristisch Reisender nicht sieht.

Wo und über welchen Zeitraum sind Ihre Bilder entstanden?

Über ziemlich genau 20 Jahre und wir sind in Marokko, Ägypten, Burkina Faso, Uganda, Südafrika, Senegal und Niger unterwegs. Es gab noch mehr Bilder aus weiteren Ländern, aber dann hätte es inhaltlich nicht mehr gepasst.

Was macht Ihren Blick auf Afrika zu einem besonderen?

Mir bot sich die Gelegenheit etwas tun zu können, wozu heute nur noch sehr wenige Fotografen die Möglichkeit haben. Früher haben Magazine oder Institute Forschungsreisen mit Fotografen organisiert, die sich über Wochen und Monate mit einem großen Thema auseinandergesetzt haben und somit irgendwann Teil des dortigen Alltags wurden. Dadurch sind Bilder abseits des Spektakels entstanden. Ich habe das große und in Deutschland und Europa auch seltene Glück, Auftraggeber zu haben, die mich mit Zeit, Vertrauen und exzellenten Kontakten vor Ort losschicken. Somit komme ich in einer Intensität in Alltage, in Lebensrealitäten rein, die mir als selbst organisierter Reisender oft verborgen bleiben würden. Wenn ich vor Ort bin, dann erwartet auch niemand von mir über tagesaktuelle Themen zu berichten, sondern ich habe meist mehrere Wochen Zeit, mich einem Thema zu widmen. Dadurch gibt es Raum für einen gegenseitigen Vertrauensgewinn zwischen mir und meinen Protagonisten. Auch ich muss mich erstmal würdig zeigen, als Fremder, der daher kommt und Dinge macht, die dort oft so noch nicht gemacht wurden.

Was ist Ihnen wichtig dem Leser und Betrachter zu vermitteln?

Das eine ist die Dankbarkeit für die Wahlfreiheiten, die wir in Mitteleuropa haben. Nicht nur politisch, sondern auch wo ich lebe, was ich arbeite, wen ich liebe. Viele Kulturen, Systeme und Staaten erlauben diese Wahlfreiheiten nicht.

Das andere ist, dass ich die Normalität zeigen will, die es auf dem afrikanischen Kontinent gibt. Die Menschen dort führen ein aus lokaler Sicht normales Leben, das eben nicht immer von existenzieller Not oder Leid geprägt ist.

Sie fotografieren auch prominente Menschen des öffentlichen Lebens. Wie kommen Sie mit den stark unterschiedlichen Lebensrealitäten Ihrer Protagonisten klar?

Ich bin kein sonderlich aktiver Medienmensch, schaue kaum Fernsehen und bin auch wenig in Sozialen Netzwerken aktiv — daher weiß ich über viele der prominenten Persönlichkeiten nur wenig. Ich schaue mir auch vor den Sessions keine Pressemappen an, damit ich der Person so neutral wie möglich gegenüber stehe und dann im besten Fall ein „frisches“ Bild machen kann. Insofern ist der Unterscheid der Lebensumstände nicht der eigentliche Punkt sondern meine Offenheit, eine Person als solche kennenzulernen.

Wie hat Sie die Corona-Pandemie in Ihrem Arbeiten beeinflusst?

Ich hatte das große Glück, dass ich vor der Pandemie noch gut gebucht war und somit nicht gleich in eine finanzielle Notlage geraten bin. Nach der ersten Zeit der Ungewissheit über die neue Situation ist dann diese wahnsinnige Ruhe eingezogen, die ich auch ein Stück weit genießen und konstruktiv nutzen konnte. Die Ausstellung und vor allem das Buch wären ohne die Pandemie wohl nicht in dieser Form entstanden.

Sie starteten Ihre professionelle Karriere mit einer M6 und nutzen heute neben digitalen M Kameras auch die SL2. Ein Wort darüber wie Sie Leica über die Jahre begleitet hat?

Ich habe mit meiner M6 damals bei den Stuttgarter Nachrichten Fotojournalismus gemacht und schon da hat die Leica ganz sicher geholfen, weil ich als Jungfotograf ganz anders wahrgenommen wurden. Speziell im Bereich Politik und Wirtschaft ist man damit sehr wohlwollend kommentiert worden. Und das funktioniert heute noch viel besser. Die Marke Leica ist immer ein Gesprächsthema und gibt dem Porträtierten das Gefühl, der Fotograf nimmt das ernst! Und bei der M kommt hinzu, dass ich mich nochmal ganz anders auf das Bild konzentrieren muss. Ich sehe durch den Messsucher ja nicht was auf dem Film oder Sensor ankommt. Gleichzeitig ist die M klein, leicht und überall dabei. Die Menschen haben vor der Kamera keine Angst. All das ist, vor allem beim Porträtieren, eine hervorragende Basis um miteinander zu arbeiten. Da Leica nicht immer das passende Werkzeug für mich im Programm hatte, habe ich auch viele Jahre mit anderen Systemen gearbeitet. Aber seit ich zusätzlich zu meiner M Ausrüstung die SL2 und und SL2S nutze, habe ich meine restliche Ausrüstung verkauft — lediglich meine 4×5“ Linhof Master Technika kommt noch hin und wieder für freie Arbeiten zum Einsatz.

Das Interview führte Valentin Gienger, Leica Gallery Manager Stuttgart.


Noch bis zum 26. März 2022 präsentiert die Leica Galerie Stuttgart die Ausstellung „True Tales“ von Klaus Mellenthin. Der Fotograf gibt mit dieser Ausstellung erstmals einen umfassenden Einblick in zwei bedeutende Aspekte seines Schaffens: Die Portrait- und Dokumentarfotografie. Das neue Buch „TRUE TALES AFRICA“ ist ab sofort im Leica Store Stuttgart erhältlich.

Mehr über die Arbeiten von Klaus Mellenthin: www.klausmellenthin.com|www.instagram.com/klaus_mellenthin_photographer/