Längst vergangene Zeiten im Hier und Jetzt erleben, live dabei sein, wenn das Automobil erfunden oder das Penizillin entdeckt wird, wenn Cartier-Bresson sein erstes Foto schießt oder Neil Armstrong den Mond betritt … Bleiben wir am Firmament: Jeder, der in den nächtlichen Sternenhimmel schaut, blickt Jahrmillionen in der Zeit zurück. Blicken wir zum Beispiel auf den zweithellsten Stern am Nordhimmel, die Wega, so schauen wir etwa 25 Lichtjahre in vergangene Zeiten. So lange nämlich braucht ihr Licht, um uns zu erreichen. Rund 2000 Lichtjahre sind es beim viel fotografierten Nordamerika- und Pelikannebel im Sternbild Schwan, beim spiralförmigen Nebel der Andromeda-Galaxie sind es sage und schreibe 2,5 Millionen Lichtjahre. Der 24-jährige Fotograf und Videokünstler Jamal Ageli blickt mit der Leica SL2-S in die Vergangenheit und erforscht in seinem Projekt Polaris die physischen und metaphysischen Dimensionen des Weltraums.

 

 

Lassen wir uns auf den Gedanken ein, dass die meisten Sterne, die wir am nächtlichen Himmel als Lichtpunkte erspähen, Sonnen sind, um die Planeten kreisen. Und selbst wenn kaum einer dieser Planeten die Grundlage für Leben biete, so wie wir es kennen, bekämen wir vielleicht eine Idee von der „unfassbaren Dimension des Universums und des Zeithorizonts, in dem sich das alles abspielt“, beschreibt Jamal Ageli. Das Universum verdeutliche auf der einen Seite die „Tatsache unserer Winzigkeit, und zugleich die Größe unserer Existenz“. Und, ist nun jemand außer uns da draußen? Im Terra-X-Gespräch mit Dirk Steffens stellt die österreichische Astronomin und Astrophysikerin Prof. Lisa Kaltenegger die Frage andersherum. Sie hält es für sehr wahrscheinlich, dass wir nicht allein sind. Nur seien die Entfernungen – in Zeit und Raum – so groß, dass sich tatsächlich zu begegnen, dann doch recht unwahrscheinlich sei.

 

 

Jamal, der gerade Fotografie und Film in Den Haag studiert, widmet sich der Astrofotografie auf ganz unterschiedliche Weise. Nämlich dokumentarisch, im Rahmen seiner Tätigkeit als Fotograf für die europäische Weltraumbehörde ESA, und konzeptionell, indem er das Universum als Leinwand versteht und mit dem vorhandenen Licht kreative Bilder schafft. „Abstract Astronomy“ nennt er das und erntet dafür viel Beachtung: Da wird die Sonne schon mal zu einer schillernden Seifenblase und ein Sternenhaufen zu geometrischen Farbsprenkeln auf der Leinwand. „Bei dokumentarischen Arbeiten wie für die ESA oder als Astrofotograf“, erklärt Jamal, „bin ich an einer möglichst wissenschaftsfotografischen Darstellung interessiert, die ein Sachverhalt oder Experimentenaufbau verständlich aber auch visuell interessant vermittelt. Dann gibt es aber noch die Dinge zwischen uns und dem Universum, die sich mit naturalistischen Mittel nicht sichtbar machen lassen. Die zeitlichen und räumlichen Dimensionen, die wir nicht begreifen können und die uns gerade deshalb faszinieren.“ In der wissenschaftlichen Dokumentation gibt es eine klare Richtschnur, doch wo, wenn nicht in der künstlerischen Umsetzung der Astrofotografie, sollten diese Zwänge fallen: „Die Frage lautet doch: Wie entsteht Ästhetik, wie entsteht Schönheit? Das hat für mich schon eine philosophische Qualität.“

 

 

 

Ganz klare Vorstellungen hat Jamal bei der Ausrüstungsfrage: ein Teleskop natürlich und eine Kamera mit herausragendem Dynamikbereich und bestem Rauschverhalten – die Leica SL2-S mit BSI-Vollformatsensor und einer Auflösung von 24 Megapixeln. „Zum Fokussieren und bei der Komposition benutze ich gewöhnlich ISO 12.800, manchmal, und nur zum Einstellen, auch Enhanced Live View, was die Empfindlichkeit virtuell in wahnwitzige Höhen schraubt und die Betrachtung sehr lichtschwacher Objekte ermöglicht. Bei den eigentlichen Reihenaufnahmen, bei denen die 200 bis 300 Bilder pro Nacht in der Bildbearbeitung übereinandergelegt werden und das Rauschen am Ende digital subtrahiert werden kann, hat sich ISO 1600 bewährt – ein sehr guter Kompromiss zwischen Detailreichtum und Rauschverhalten, das bei der SL2-S konstant niedrig ist. Neben den technischen Raffinessen, finde ich Leica als Marke auch sehr interessant, deren Philosophie von Langlebigkeit, und dass ich mich wirklich auf die Kamera verlassen kann. Mir ist die Kamera zum Beispiel schon mehrmals am Teleskop festgefroren, trotzdem kann ich mich darauf verlassen, dass sie alles mitmacht und verlässlich ausgezeichnete Bildergebnisse liefert.“

 

 

 

Woher rührt die Faszination für die Astrofotografie?

Darüber habe ich mir schon viele Gedanken gemacht, da ich meine Abschlussarbeit unter anderem dieser Frage gewidmet habe. Für mich persönlich ist die Technik hinter meinen Bildern ein faszinierender Zugang zu dieser Art von Naturerfahrung. Der fotografische Aufwand, besonders die Planung der Aufnahmen, ist ein eher seltsamer Mix aus Technikglaube, Ritual und Naturerfahrung. Aber neben der technischen, ästhetischen oder spirituellen Faszination für den Kosmos finde ich es ebenso interessant, wie subjektiv solche Aufnahmen von anderen Menschen wahrgenommen und welche Emotionen und Assoziationen geweckt werden. Das ist auch ein wesentlicher Antrieb, mich mit dem Thema künstlerisch auseinanderzusetzen.

 

 

 

Woran denkst Du, wenn Du in den bestirnten Himmel über Dir schaust und die Kamera ausrichtest?

Im besten Fall kann ich, nachdem das ganze Equipment erstmal installiert und programmiert ist, ein paar Stunden einfach entspannen und in die Sterne schauen, während die Kamera belichtet. In solchen Momenten, wenn alles ruhig ist und ich mich wirklich auf den Himmel und dessen Absurdität einlassen kann, habe ich die besten Erlebnisse und Gedankenexperimente. Es ist besonders dieses seltsame Gefühl, wenn man mit den Grenzen des eigenen Verstands konfrontiert wird. Aber ebenso oft gibt es Nächte, in denen ich mich viel mehr mit dem technischen Prozess beschäftigen muss, weil mal wieder etwas nicht klappt. Das ganze Teleskop-Setup birgt schon einige Fehlerquellen, und manchmal will die Technik nicht so wie ich. Irgendwann habe ich aber angefangen, aus diesen Fehlern Inspiration für Experimente zu ziehen und konzeptionell miteinzubeziehen. Doch ganz gleich ob alles glatt läuft oder nicht, bin ich extrem glücklich diese Art der Fotografie meine Arbeit nennen zu können und so meinem Naturell als „Nachteule“ zu entsprechen. (lacht)

 

 

Wo liegen die größten Herausforderungen?

Wenn es um die Vermittlung von Fakten, Hintergrundwissen, Sachverhalten etc. geht, dann hat es Fotografie als Medium immer etwas schwer und ist auf begleitenden Text angewiesen. Ein Bild kann Menschen begeistern und bietet einen visuellen Zugang zum Thema, doch wenn es darum geht, komplizierte Themen nachhaltig und verständlich darzustellen, sind Worte vielleicht doch etwas hilfreicher. Hier sehe ich auch den klaren Vorteil multimedialer Ansätze und den mittlerweile nahtlosen Übergang von Foto zu Video zu CGI (Computer Generated Imagery, Bildsynthese, Anm. d. Red.): Storytelling, das auf verschiedenen Ebenen funktioniert. Ich selbst experimentiere gern mit visueller Umsetzung und fiktionalen Elementen. Manche Projekte benötigen, um präzise zu kommunizieren, eher einen dokumentarischen Ansatz, andere eher einen fiktionalen. Einen Aspekt dokumentarischer Astrofotografie möchte ich noch herausstellen: Astronomische Bilder sind generell mit Zweifeln verbunden, einerseits weil das Thema und das dargestellte Objekt ohnehin unfassbar und schwer vorstellbar ist, zum anderen, weil Bilder des Weltraums oft als Rendering, CGI oder sonstige digitale Manipulation wahrgenommen werden. Visuell und konzeptionell mit diesem Zweifel zu experimentieren ist die Motivation für mein kommendes Projekt, dass ich als meine Bachelorarbeit im Juni als Videoinstallation präsentiere.

Was sind Deine favorisierten Motive in der Astrofotografie?

Es gibt so viele interessante Motive am Himmel – an manchen Tagen bin ich der glücklichste Fotograf, wenn ich einfach nur Wolken fotografieren kann. Wenn ich mich entscheiden müsste, wären es tatsächlich Objekte, die extrem weit entfernt sind und die mein Equipment und meine Vorstellung an ihre Grenzen führen. Das Gedankenexperiment wie weit ein Objekt tatsächlich entfernt ist, ist herausfordernd. Aber auch in unserer Milchstraße, die keine Millionen Lichtjahre entfernt ist, gibt es Spannendes zu entdecken. Gasnebel oder Sternencluster haben ihre ganz eigenen technischen und ästhetischen Eigenschaften, die man unterschiedlich darstellen kann. Persönlich finde ich Sternencluster sehr spannend, diese fast perfekt kugelförmigen Strukturen Hunderttausender durch die Gravitation aneinander gebundener Sterne. Dass die Natur diese geometrischen Formen auf solchen Skalen erzeugen kann, ist für mich einfach faszinierend und lässt mich wirklich sprachlos zurück.

 

 

Wir werden Jamal Ageli weiter begleiten, wenn es schon bald darum geht, seine Fotografie selbst in den Weltraum zu bringen, und welche Rollen – neben Leica – die Laser-Spezialisten der Ernst-Abbe-Hochschule Jena und der Technologieproduzent Heraeus dabei spielen.

JAMAL AGELI (*1997): Der deutsche Fotograf und Videokünstler lebt zwischen Frankfurt/Main und Amsterdam. Er arbeitet für verschiedene kommerzielle Kunden und hat seine Arbeiten bereits in mehreren internationalen Ausstellungen präsentiert. Aktuell macht er seinen Bachelor of Design in Fotografie an der Royal Academy of Arts in Den Haag.

 

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