Die sozialdokumentarischen Reportagen der US-amerikanischen Fotografin Maggie Steber thematisieren die Realität. Vor einigen Jahren hat sie aber auch ihre künstlerische Ader entdeckt und nahm sich die Zeit, mit Unterstützung der Guggenheim Foundation ihr Projekt The Secret Garden of Lily LaPalma zu schaffen. In diesem Rahmen verwirklicht Steber etwas, auf das sie sonst verzichtet: die Verarbeitung einer subjektiven Wahrnehmung – auch ihrer selbst – abseits der Realität. Sie sprach mit uns darüber, wie sie sich um The Secret Garden on Lily LaPalma kümmert, dass es in ihrer Serie Men With Flowers um mehr geht als um Männer mit Blumen und ihre Erfahrungen mit der Leica M11, die sie als eine der ersten ausprobieren konnte.

Sie haben in so vielen Ländern gearbeitet und sind bekannt für Ihre dokumentarische Arbeit.
Ja, mittlerweile sind es 71 Länder – ich habe alles von Krieg bis Mode abgedeckt. Aber ich habe mich immer auf die humanitären, kulturellen und sozialen Geschichten der Menschen und Orte konzentriert, die ich fotografiert habe. Bevor ich ein Projekt beginne, recherchiere ich aufwendig, aber an die Arbeit gehe ich dann heran wie ein Baby, das nichts weiß, wie eine leere Seite, auf der die Menschen ihre Geschichten schreiben können. Ich denke, das lässt mich eher Arbeiten produzieren, die authentisch und hoffentlich korrekter sind. Ich bin schon beinahe getötet worden, als ich über Konflikte und Unruheherde berichtete, und mit Sicherheit habe ich viel zu viele Kinder gesehen und fotografiert, die hungerten – all das ist in unseren Erinnerungen und unserem Unterbewusstsein gespeichert und das hat Auswirkungen auf uns.

Wann und bei welcher Gelegenheit haben Sie sich zu einer künstlerischen Herangehensweise entschlossen?
In den letzten Jahren hatte ich das Gefühl, dass es an der Zeit sei, meine eigene Geschichte zu erzählen, aber mit Bildern, die auf Dinge verweisen, ohne offensichtlich zu sein. Das kann auf erfinderischere Weise geschehen, indem man kunstvolle Bilder erstellt, die auf eine Idee bloß anspielen. Ich fing mit spontanen Bildern an oder sah etwas, das mich an etwas erinnerte, was ich visuell kommentieren wollte. Die Guggenheim-Stiftung belohnte meine Arbeit mit einem sehr schönen und hilfreichen Stipendium. Ich arbeite weiterhin an The Secret Garden of Lily LaPalma und sehe dieses Projekt als lebenslange Aufgabe an.

Worum geht es inThe Secret Garden of Lily LaPalma?
Im Secret Garden bin ich frei und wild. Dort bin ich das Mädchen, das auf dem Hügel steht, der Wind weht durch meine Haare, während ich darauf warte, dass Schatzschiffe durch die Wellen rollen. Ich bin das wilde Pferd, das über eine offene Ebene ohne Grenzen rennt. Ich bin der Adler, der mit ausgebreiteten Flügeln im Wind kreist. Dort wohnt mein animalischer, wild-kreativer Geist.

Was bedeutet The Secret Garden of Lily LaPalma für Sie?
Ich denke, dass wir bei den Projekten, die wir in Angriff nehmen, und bei den Bildern, die wir machen, flexibel sein müssen. Ich bin jemand, der gern breit aufgestellt lebt und schafft. The Secret Garden war für mich fast genauso eine Überraschung wie alles andere. Diese Fotografien sind gerade erst aufgetaucht … die Möglichkeiten, die Ideen, die Erfahrungen, das Gedächtnis sind einfach aus mir herausgeströmt, und ich habe sie umarmt, weil ich jemand bin, der gern viele Dinge ausprobiert und viele Ideen in sein Leben integriert. Wenn die Leute fragen, warum, antworte ich: Warum nicht?

Men With Flowers scheint offensichtlich ein Teil des Secret Garden-Projekts zu sein. Welche Idee steht dahinter?
Da ich ohne Vater aufwuchs, sagte mir meine Mutter, eine Wissenschaftlerin, ich könne selbst entscheiden, was ich über Männer denke. Als ich aufwuchs, studierte ich Männer, Lehrer, Jungen aus der Nachbarschaft und den ersten Jungen, der mich je geküsst hat. Ich habe gelernt, dass einige Männer schlecht sind und andere gut – wenn wir Glück haben, haben wir am Ende einen guten. Dann deckte die MeToo-Bewegung die dunkelsten Geheimnisse männlichen Verhaltens auf und es hatte den Anschein, alle Männer würden als schlecht dargestellt. In Men With Flowers geht es nicht nur um Fotos von Männern, die Blumen halten. Diese Serie feiert die guten Männer, die ich als Freunde und Kollegen kenne und liebe. Sie will Wertschätzung für diejenigen zeigen, die Frauen respektieren und keine Furcht haben, ihre sanfteren Seiten zu zeigen.

Haben Sie sich in die Blumensprache vertieft?
Ein wenig, weil ich möchte, dass die Blumen zu den Männern passen. Oft geht es aber auch darum, wie mich die Blumen an Männer erinnern oder an einen Aspekt der Männer, die ich fotografiere.

Sie haben für diese Serie die neue Leica M11 verwendet. Wie hat Sie Ihnen gefallen?
Wie immer schätze ich an Leicas M-Kameras, dass sie klein, aber leistungsstark sind. Sie fühlen sich sehr solide an und die M11 sogar noch mehr. Generell geben mir Leica Kameras mehr Selbstvertrauen. Sie machen mich zu einer besseren Fotografin und um ehrlich zu sein: Die Leute nehmen mich ernster. Ich betrachte die Kamera als meine Partnerin, schließlich ist die M11 immer noch eine klassische Leica Messsucherkamera. Sie funktioniert genau wie ihre Vorgängerinnen – bis zurück zur analogen M6, die ich immer noch besitze. Und plötzlich ist ein spiegelloser Verschluss wieder hochmodern. Das Innenleben der Leica M11 ist völlig neu, ich kann jetzt zwischen einer Auflösung von 60, 36 oder 18 Megapixeln für Raw-Dateien und/oder JPEGs wählen. Das sind drei verschiedene Auflösungen, sehr praktisch, wenn man schnell und viel fotografiert. Ich schätze es auch, dass es während der Aufnahme im Messsuchermodus die Möglichkeit einer Mehrfeld-Lichtmessung gibt. Die M11 bietet dank des neuen elektronischen Verschlusses auch kürzere Verschlusszeiten bis zu 1/16000 sec. Bei schlechten Lichtverhältnissen arbeitet sie noch besser.

Was sagen Sie zu den Objektiven?
Bei dieser Serie habe ich ein Elmarit-M 1: 2.8/28 ASPH., ein Summicron-M 1:2/35 ASPH., ein Summilux-M 1:1.4/50 ASPH. und ein Summarit-M 1:2.4/90 verwendet. Die Objektive gehören mir, mit Ausnahme des Summarit, ein wunderbares Objektiv. Ich schätze diese Objektive und benutze sie regelmäßig für meine dokumentarischen Arbeiten. Weil sie so kompakt sind, kann ich sie alle mitnehmen. Sie funktionieren bei allen Arten von Licht wirklich gut.

Wohin zieht es Sie als nächstes?
Ich arbeite weiterhin an Men With Flowers im Speziellen und an The Secret Garden of Lily LaPalma im Allgemeinen. Ich habe einige Workshops in Los Angeles und New York, in Kenia und Mexiko. Dann habe ich ein neues Projekt über Liebe und Hass gestartet. Ich habe gerade einen viertägigen Auftrag für die New York Times beendet, über professionelle Footballspieler, die an bestimmten Hirnschäden, der chronisch-traumatischen Enzephalopathie leiden, früher auch als Boxer-Syndrom bezeichnet. Die Geschichte konzentriert sich auf die Familienbetreuer und darauf, was die Familien mit ihren Vätern und Ehemännern durchgemacht haben, die an dieser Krankheit verstorben sind. Sie wird durch Kopftraumata und Gehirnerschütterungen verursacht.

Maggie Steber, geboren in Electra, Texas, studierte Fotografie an der University of Texas in Austin sowohl im Journalismus-Programm als auch in der Kunstabteilung. Sie konnte bei Russell Lee studieren, der während der amerikanischen Depression Fotograf der Farm Security Administration war. Steber arbeitet seit über drei Jahrzehnten in Haiti. Aperture veröffentlichte 1992 ihre Monografie Dancing on Fire: Photographs From Haiti. Steber hat international ausgestellt. Zu ihren Kunden zählen u. a. National Geographic, das New York Times Magazine, das Smithsonian Magazine und Geo. Sie unterrichtet international Workshops, unter anderem bei den World Press Joop Swart Master Classes, am International Center for Photography, bei Foundry Workshops und dem Obscura Photo Festival. Erfahren Sie mehr über die Fotografie von Maggie Steber auf ihrer Website und in ihrem Instagram-Kanal.

Die Leica. Gestern. Heute. Morgen.

Jetzt M-System online entdecken!