Raúl Cañibano Ercilla gilt als einer der begabtesten Fotografen Lateinamerikas. Nur wenige andere fangen den Lebensstil in seiner Heimat Kuba so ein wie er. Er hat über drei Jahrzehnte damit verbracht, sowohl städtische Landschaften als auch ländliche Gebiete zu durchstreifen. Die hier gezeigten Bilder entstanden in der Hauptstadt Havanna und in Matanzas, der zweitgrößten Provinz des Landes, in der sich Varadero, eines der größten Touristenzentren der Insel, befindet. Für diese Aufnahmen arbeitete er zum ersten Mal mit einer Leica M Monochrom (Typ 246). Er sprach mit uns darüber, was ihn inspiriert, warum er es liebt, in Schwarzweiß zu arbeiten, und über seine Vorliebe für 28- und 35-mm-Objektive.

Was bedeutet Fotografie für Sie und welches Ziel verfolgen Sie mit Ihren persönlichen, nichtkommerziellen Projekten?
Fotografie ist eine Leidenschaft für mich. Ich bin ständig inspiriert von der Möglichkeit, Gewohnheiten und Bräuche in einem Bild festzuhalten, die mit der Zeit verschwinden könnten oder die die Realität offenbaren, in der wir leben.

Was ist die größte Herausforderung beim Fotografieren?
In der Lage zu sein, in einer Aufnahme alles festzuhalten, was ich ausdrücken möchte, wenn ich ein Motiv entdecke, das sich im Bruchteil einer Sekunde verändern könnte. Fotografie ist sehr schwierig und erfordert Konstanz.

Im August 2021 hat die Edition Lammerhuber unter dem den Titel Absolut Cuba (Visual Poetry) einige Ihrer Arbeiten veröffentlicht. Welche Absicht steht hinter diesem Buch und was erhoffen Sie sich beim Betrachter?
Absolut Cuba enthält eine Auswahl aus vier fotografischen Essays, die in den letzten 30 Jahren entstanden sind. Es ist ein sehr persönlicher Blick auf meine Heimat, der meine Erfahrungen und Emotionen einfängt. Das ist das, was der Betrachter sehen soll.

Wo und wann sind die Bilder entstanden, die wir hier zeigen?
Diese Aufnahmen sind seit August 2019 in Havanna und Matanzas entstanden; Leica hatte mir eine M Monochrom (Typ 246) geliehen und später hat mir ein Freund eine M10-P geschenkt. Diese Kapitel heißen Tierra Guajira und Ciudad. Ich arbeite an verschiedenen Themen gleichzeitig; ich überstürze die Dinge nicht und reife mit meiner Arbeit. Die Essays sind nicht abgeschlossen. Die hier gezeigten Bilder habe ich mit der M Monochrom (Typ 246) aufgenommen.

Haben Sie Ihre Kamera immer dabei?
Ich nehme meine Kamera mit, wenn ich spazieren gehe. Manchmal sehe ich eine Situation oder einen Ort, den ich mag, und ich warte ab, was passiert. Ich mag es, wenn Fotografie eine Geschichte erzählt, und deshalb mag ich auch, wenn es verschiedene Ebenen gibt.

Worin liegt Ihre besondere Beziehung zu Hunden?
Ich liebe Hunde. Vielleicht liegt es daran, dass sie zwar nicht ausschließlich, aber zu einem wiederkehrenden fotografischen Thema geworden sind. Ich mag Tiere im Allgemeinen.

Offenbar verwenden Sie nur natürliches Licht. Was bedeutet es für sie?
Ich finde natürliches Licht viel interessanter wegen der Schatten, die es wirft. Ich mag die Atmosphäre, die sie schaffen. Es ist wie eine andere Sprache.

Wie haben Sie Ihre Bildsprache entwickelt und von wem sind Sie inspiriert?
Wir sind alle von anderen Künstlern beeinflusst. Ich selbst bin der Meinung, dass ich aus den Quellen großer Maler wie Salvador Dalí, Claude Monet oder Gustav Klimt und von Meistern der Fotografie wie Robert Frank geschöpft habe. Am Ende, mit Beharrlichkeit, erschafft jemand seinen eigenen Stil und findet seine eigene Sprache.

Warum bevorzugen Sie Schwarzweiß?
Ich mag Farbe, ich sehe sie sogar, aber ich denke für die Art von Bildern, die ich mache, dass Schwarzweiß ausdrucksstärker ist.

Hat die M Monochrom (Typ 246) geholfen, Ihre visuelle Sprache zu erweitern?
Anfangs hatte ich Mühe, mich an den Messsucher zu gewöhnen, weil ich das Fokussiersystem einer Spiegelreflexkamera gewohnt war. Aber nach einer Woche hatte ich es raus und stellte, dass die M eine sehr schnelle Kamera ist, mit der man arbeiten kann. Die Raw-Dateien sind von höchster Qualität, mit unglaublichen Details in den Schatten. All das hat meine Bilder sehr verbessert und das schätze ich. Dass ich in meinen Bildern kaum an den Schatten arbeiten musste, weil sie von bester Qualität waren, ist eine Tatsache, die mich beeindruckt hat.

Welche Objektive haben Sie verwendet?
An der M Monochrom (Typ 246) das Summicron-M 1:2/35 ASPH. Für meine Arbeit benutze ich in der Regel ein 28er, aber an einer Leica ist ein 35er besser, weil ich mit einem 28er die Seiten nicht gut erkennen kann. Das war ein Konflikt für mich, weil ich möchte, dass das Negativ mit dem Bild, das ich sehe, so vollständig wie möglich übereinstimmt. Ich vermeide das Auftreten von Elementen, die ich im Moment der Aufnahme nicht gesehen habe. Und da hat das 35er für mich sehr gut funktioniert. Bei der M10-P gilt das gleiche. Ich würde gern die Q2 Monochrom mit ihrem festen 28er ausprobieren, bei der es dieses Problem nicht gibt, da sie für mich eher einem Reflexsystem ähnelt.

Verraten Sie uns, woran Sie gerade arbeiten?
Ich bereite den Entwurf für mein nächstes Buch vor. Ich habe für 2022 verschiedene Ausstellungen und Workshops geplant, sowohl in Kuba als auch in anderen Ländern.

Raúl Cañibano Ercilla, 1961 in Havanna geboren, arbeitete bis Ende der 1980er-Jahre als Schweißer in der Luftfahrtindustrie. Als Autodidakt begann er 1990 als Fotograf zu arbeiten. Sein Fokus liegt auf der Dokumentation kubanischer Traditionen. Eine seiner bekanntesten Serien, Tierra Guajira, berichtet von der Lebensweise im ländlichen Kuba. Seine Arbeiten wurden im In- und Ausland ausgestellt, unter anderem in den USA, in Spanien, Belgien, Norwegen, Mexiko, Australien und Japan. Seine Arbeiten erscheinen in der New York Times, dem Guardian oder Black & White und sind Teil verschiedener öffentlicher und privater Sammlungen, darunter die des Museo Nacional de Bellas Artes, Kuba, und des International Center of Photography, New York. Er erhielt den ersten Preis des Salón Nacional de Fotografía in Kuba. Erfahren Sie mehr über die Fotografie von Raúl Cañibano Ercilla auf seiner Website und in seinem Instagram-Kanal.

Leica M10 Monochrom

Grenzen, die befreien.