Mit einer Leica SL2 und einem APO-Summicron-SL 1:2/35 ASPH. ließ sich Alwin Maigler im März 2021 von einem Stuttgarter Künstleratelier zu einer Strecke im Stil des Film noir inspirieren. Hier verrät er, wie er seine Ideen entwickelt, worauf er insbesondere bei Modestrecken achtet, wie wichtig Netzwerkarbeit ist und, dass er bei einem künftigen Projekt auf eine Technik aus dem vorletzten Jahrhundert setzt.

 

Wer inspiriert Sie in puncto Stil und Bildsprache?
Eine gute Frage, die nur schwer zu beantworten ist, da ich mich von sehr vielen Dinge inspirieren lasse. Natürlich Kunst und Film – aber auch fotografisch habe ich viele Vorbilder, die unterschiedlicher nicht sein könnten: von Porträt- und Mode-Titanen wie Patrick Demarchelier und Helmut Newton bis hin zu Reportagen von Sebastião Salgado, Richard Avedon, James Nachtwey und den anderen üblichen Verdächtigen.

Sie sind bekannt für Ihre inszenierte Mode- und Porträtfotografie, bei der die Bildsprache trotzdem natürlich und authentisch wirkt. Wie haben Sie das entwickelt?
Ich nehme mir die Zeit und überlege mir im Vorfeld, was es zu fotografieren gibt und warum man dieses Foto braucht. Was möchte ich damit erzählen? Wenn also zum Beispiel Idee und Konzept vorsehen, ein authentisches, nahbares Porträt einer Künstlerin oder eines Vorstands zu schießen, dann ist es nicht zweckdienlich, in einem gekünstelten Set mit vielen Personen, mit extravagantem Licht und einer High-End-Retusche zu arbeiten. Sondern im Gegenteil: kleiner Set, gute Musik, gute Gespräche und genug Zeit.

Gilt das auch bei Mode?
Wenn ich Mode fotografiere, schaue ich mir den Stil der Klamotte an, was zeichnet Sie aus, was macht sie besonders. Ich will nicht sagen, dass ich Mode wie einen Menschen porträtiere, aber vielleicht ein bisschen. Ich versuche bei der Wahl des Lichts, der Farbgebung und des allgemeinen Looks konzeptionell die Ideen der Designerinnen und Designer aufzugreifen, wiederzugeben oder neu zu interpretieren.

Die Strecke, die wir hier zeigen, haben Sie im März 2021 in Stuttgart fotografiert. Mich erinnert sie an die Atmosphäre im Film noir. Stimmen Sie zu?
Ja. Die Schatten und starken Kontraste, das harte Licht in der rauen Umgebung, gepaart mit der Eleganz des Modells, der Extravaganz in Mode, Make-up und Frisuren … Das war auch tatsächlich die Idee; die Location war ein Atelier im Gewölbekeller eines Künstlers – wir wollten die raue Arbeitsatmosphäre in Kontrast zur Haute Couture stellen, die wir fotografierten. Mein Highlight war das Paillettenkleid von Badglay Mischka für über 10.000 Dollar – jede einzelne Paillette war aus Perlmutt!

Warum haben Sie sich bei dieser Strecke für Schwarzweiß entschieden? Sie fotografieren ja sonst auch in Farbe.
Die Strecke lebt von Kontrasten. Sowohl konzeptionell als auch visuell. Hier das Fass der Farben aufzumachen und gegebenenfalls Komplementärfarben oder ähnliches einzusetzen, wäre für meinen Geschmack zu viel gewesen.

Sie haben mit der Leica SL2 fotografiert. Hat Ihnen die Kamera bei der Realisierung der Strecke geholfen und ihre Bildsprache unterstützt?
Ich habe mit der Leica SL2 und einem APO-Summicron-SL 1:2/35 ASPH. gearbeitet. Vor allem bei einer Strecke wie dieser, die einen authentischen Charakter braucht, besticht der Sensor der SL2 – wie bei vielen anderen Themen. Durch die extreme Darstellungs- und Leistungsfähigkeit heutiger Kameras wirken viele Bilder oft ein wenig klinisch-steril – dagegen liefert der Sensor der Leica SL2 bereits out-of-camera sehr schöne, natürliche Farben, oder, wie in diesem Fall, eine belebte Komposition aus Höhen, Mitteltönen und Tiefen, und das auch bei höheren ISO-Werten. Ein schönes, warmes, heimeliges Rauschen. 47,3-Megapixel-Power sowie die natürlich sagenhafte Schärfe der Objektive.

Professionell zu fotografieren hat auch viel mit Vernetzung zu tun. Sie sind Mitglied im BFF Berufsverband Freie Fotografen und Filmgestalter e. V. Mit 25 Jahren waren Sie das jüngste Vollmitglied in der Geschichte des Verbands. Wie profitieren Sie von diesem Netzwerk?
Damals bin ich als Junior-Mitglied aufgenommen worden. Inzwischen bin ich Professional Member und im Februar 2022 bin ich in den Beirat für die Region Baden-Württemberg gewählt worden. Ich selbst habe den BFF als unglaublich bereichernde Plattform zum Austausch wahrgenommen. Vor allem als junger Fotograf habe ich sehr vom kollegialen Austausch mit anderen Mitgliedern profitiert, die seit Jahren oder Jahrzehnten in der Branche tätig waren. Wenn man sich engagiert im Verband einsetzt und den Kontakt zu Mitgliedern sucht, bekommt man jede Hilfe, die man braucht. Und das wohlgemerkt, obwohl wir alle Solo-Selbständige auf dem freien Markt und „Konkurrenten“ sind.

Welches spannende Projekt haben Sie als nächstes vor?
Ich arbeite seit über einem Jahr an einer ausführlichen Ballett-Studie, für die ich 15 Ensemblemitglieder des Stuttgarter Balletts fotografiert habe, ebenfalls mit der Leica SL2. Die Serie produziere ich mit einem pensionierten Labortechniker in einem altertümlichen Printverfahren aus den 1860er-Jahren. Im Rahmen der Kunstakademie erhielt ich das Deutschland-Stipendium, welches mir auch den Zugang zu einschlägigen Kunstgalerien öffnete. Da ich neben der angewandten Fotografie meine Fühler auch in Richtung der „Fotografie als Kunst“ ausstrecken möchte, bin ich sehr dankbar für diese Möglichkeiten und Menschen, mit denen ich Projekte und Ideen umsetzen kann.

Alwin Maigler: Geboren 1996 in Riedlingen an der Donau, er ist Autodidakt und assistierte mehreren Fotografinnen und Fotografen. 2019 wurde er Junior Member im BFF. Seit 2020 studiert er an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste in Stuttgart. Maiglers Schwerpunkte sind Mode-, Porträt- und Kunstfotografie. Er ist Partner der Leica Camera AG. Seine Arbeiten erschienen unter anderem in Harper’s Bazaar, Vogue, L’officiel, Marie Claire und Cosmopolitan.

Website:
www.alwinmaigler.com

Instagram:
@alwinmaigler

Credits (Produktion):
Model: Jenny Müller at brodybookings | @kiti_arsa
Haare & Make-up: Sarah Gehrmann | www.sarah-gehrmann.de | @sarah:gehrmann_hmua
Location & Artworks: Clemens Schneider

Equipment:
Leica SL2 und APO-Summicron-SL 1:2/35 ASPH.