Gemeinsam mit der Welthungerhilfe und der Stiftung Stern hat Jonas Wresch ein mehrjähriges Foto-Projekt begonnen, um den Kampf eines kenianischen Dorfs gegen die zunehmende Dürre zu dokumentieren. Obwohl das Projekt noch lange nicht abgeschlossen ist, kam im Zuge seiner Arbeit bereits eine beträchtliche Menge an Spenden zusammen, die sich unmittelbar auf das Leben und den Alltag der Menschen in Kenia auswirkt. Was der deutsche Fotograf in der Region Kitui erlebt hat und warum Honig in dieser Region eine wertvolle Währung ist, berichtet er im Interview.

Was gab Ihnen den Ansporn, dieses Projekt über die Dürre in Kenia zu beginnen?
Der Wunsch danach entstand etwa ein halbes Jahr nach Beginn des Corona-Lockdowns. Ich bin insgesamt gut durch diese Zeit gekommen, die für viele Menschen auf der Welt schwer oder sogar traumatisch war. Meine Familie und ich waren gesund, wir hatten Zeit für neue Hobbys und gutes Essen. Als die ersten Schlagzeilen auftauchten, dass der Hunger in der Welt wieder drastisch zunimmt, stand das so sehr im Gegensatz zu meinem eigenen Leben, dass ich unbedingt eine Arbeit dazu produzieren wollte.

Wer sind die Menschen auf Ihren Bildern, wie haben Sie sie kennengelernt?
Das sind die Bewohnerinnen und Bewohner von Kinakoni, ein Dorf im Südosten von Kenia, in dem rund 5000 Menschen ansässig sind. Die meisten leben von der Landwirtschaft und alle leiden unter der zunehmenden Dürre im Land. Generell bereitet es mir große Freude, Geschichten über Dörfer und kleine Gemeinschaften zu fotografieren. Ich komme an und kenne niemanden, weiß wenig über den Alltag der Menschen. Dann beginne ich mit der Arbeit, erkunde mit jedem Foto ein bisschen mehr den Ort, fotografiere einfache Bauern und Dorfvorsitzende, Schulkinder und Mütter und erarbeite mir langsam das Vertrauen der Menschen.

Wie viel Zeit hat das Projekt in Anspruch genommen?
Bis jetzt habe ich etwa einen Monat an dem Projekt gearbeitet und die Region zweimal besucht. Ich arbeite für dieses Projekt mit der Stiftung Stern und der Welthungerhilfe zusammen. Wir begleiten das Dorf Kinakoni über drei Jahre lang und sammeln in dieser Zeit Spenden; im ersten Jahr sind bereits eine halbe Millionen Euro von Lesern und Stiftungen zusammengekommen. Es wurden Wassertanks gebaut, Gemeinschaftsgärten angelegt und Menschen aus dem Dorf werden geschult, effizientere Landwirtschaft zu betreiben. Wer die Einzelheiten dazu nachlesen möchte oder selbst spenden will, kann das gern unter www.kinakoni.org machen.

Sie haben sich besonders auf einen Imker konzentriert. Welchen Stellenwert hat dieser Beruf hinsichtlich der Dürre?
Das Imkern hat in der Region eine lange Tradition und 20 Familien in Kinakoni halten derzeit Bienen. Peter Mulwa arbeitet als Imker noch auf eine ganz traditionelle Art: Er hängt die Bienenstöcke hoch oben in den Bäumen auf und sammelt den Honig dann nachts, nur mit Hilfe einer Fackel, die er zum Verscheuchen der Bienen braucht. Es ist zwar eine ziemlich gefährliche Arbeit, aber sie ermöglicht der Familie ein gutes Einkommen. Auch in der Dürre sind sie kaum von Ernteausfällen betroffen. Der Honig ist für sie wie ein Sparkonto, er steht im Haus und wenn Rechnungen bezahlt werden müssen oder das Essen knapp wird, verkauft Mulwa einen Eimer mit 20 Litern Honig an die Kooperative. Noch viel mehr Familien könnten auf diese Weise ein gesünderes und besseres Leben führen, denn die Provinz hat Studien zufolge das Potenzial für 400 Tonnen Honig pro Jahr.

Was denken Sie über die Zukunft der Region, in der Sie fotografiert haben?
Kitui ist eine Region mit großem Potenzial, das Imkern ist ein gutes Beispiel dafür. Obwohl die Not in vielen Monaten groß ist, handelt es sich noch nicht einmal um die trockenste Region Kenias, aber das macht sie für unser Projekt gerade interessant: Im Norden Kenias habe ich gesehen, wie Dürre in ihrer extremsten Form aussieht. Das sind Gegenden, in denen es teilweise seit vier Jahren nicht mehr geregnet hat, hier kann man nur noch Nothilfe leisten. Das bedeutet, dass man den Menschen Essen, Wasser und sogar Bargeld gibt, damit sie überleben können. Ein selbstbestimmtes Leben und eine bessere Zukunft rücken damit in weite Ferne und für nachhaltige Projekte ist es schlicht zu trocken geworden.

Was waren die größten fotografischen Herausforderungen bei diesem Projekt?
Hunger ist ein systematisches Problem und als solches schwer zu fotografieren. Hunger, oder Mangelernährung, ist auch nicht immer so extrem, wie wir es von Fotos aus den Bürgerkriegsgebieten Äthiopiens in den 1970er- und 80er-Jahren kennen. Die Schulkinder in Kinakoni sehen äußerlich gesund aus, auch wenn sie nichts gefrühstückt haben und oft nur einmal am Tag eine ganze Mahlzeit bekommen. Das wirkt sich natürlich stark auf die schulische Leistung und die Gehirnentwicklung der Kinder aus. Diese Hungersnot abseits der Extreme zu dokumentieren war eine Herausforderung. Die Menschen in der Region arbeiten hart, um sich mit dem Minimum zu versorgen, mit Wasser und Nahrungsmitteln. Für Wasser müssen sie weite Strecken zurücklegen und Getreide oder Mais wachsen kaum noch. Diesen alltäglichen, stillen Kampf gegen den Hunger wollte ich dokumentieren.

Welche Kamera haben Sie benutzt?
Ich habe bei dem Projekt die Leica SL2 verwendet, die trotz der Hitze und des sandigen Umfelds sehr zuverlässig und robust war. Wichtig war für mich auch zwischen Fotos und Videoaufnahmen wechseln zu können – es war sehr praktisch vollwertige Anschlüsse für externe Mikrofone und Kopfhörer zu haben.

Ist das Projekt abgeschlossen oder werden Sie die Region wieder besuchen?
Die nächste Reise nach Kinakoni ist für den Herbst geplant – das Thema Hunger in der Welt wird mich noch lange darüber hinaus beschäftigen.

Jonas Wresch, 1988 in Bad Dürkheim geboren, hat nach seinem Abitur im Jahr 2007 ein sechsmonatiges Praktikum als Fotograf bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung absolviert. 2015 schloss er das Studium des Fotojournalismus und der Dokumentarfotografie an der Fachhochschule Hannover ab. 2016 arbeitete er im Rahmen des Stipendienprogramms „Junge Fotografie“ ein Jahr lang als Fotograf für das Magazin Stern und fotografierte in dieser Zeit über 60 Reportagen in 22 Ländern. Er arbeitet unter anderem für Medien wie Zeit, Spiegel, Geo und Greenpeace Magazin. Zudem ist er Vertragsfotograf der KfW Entwicklungsbank, für die er Entwicklungsprojekte weltweit dokumentiert. Mehr über die fotografische Arbeit von Jonas Wresch finden Sie auf seiner Website und in seinem Instagram-Kanal.

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