Sommer, Sonne, Wasser und Liebe – in seinem farbenprächtigen Projekt nimmt der Leica Fotograf das Konzept „Paradies“ in den Blick ¬– als einen Ort im Leben, an dem man mit der Familie zusammenkommt. Wasser ist das Element, das alle Bilder miteinander verbindet: Es ermöglicht den Betrachtenden, ihre eigene Projektion von Träumen und Sehnsüchten zu finden.
Was bedeutet „Paradies“ für Sie?
Das Paradies ist mein Leben, das durch meine Familie und Freunde strömt. Es geht darum, dass meine Tochter eine Frau, dass mein Sohn ein Mann wird. Darum, dass meine Frau, in unseren mittleren Lebensjahren schön und stolz bleibt. Um unsere Freunde, das Leben und die Hoffnungen, die wir teilen. Und um mich, der all das genießt, älter wird und der den Bogen vergangener Sommer bis zu einer Geschichte schlägt, die in die Zukunft führt. Etwas, dessen man sich würdig erweist und für den Rest des Jahres lebt, in der Hoffnung, dass es ewig dauert – wie das Paradies.
Woher stammen Ihre Bilder vom Paradies?
Konzeptionell, als ich nach mehreren Sommern und Vergnügungen beim Fotografieren meiner Familie feststellte, dass die Bilder meinen eigenen subjektiven Erinnerungen an diese Erlebnisse stark ähnelten. Ärgerlicherweise sind sie durch den Rest des Jahres unterbrochen. Formal sind die Aufnahmen in der Tradition der farbigen Street Photography des späten 20. Jahrhunderts verankert, aber ich habe sowohl mit dem Inhalt als auch mit der Form viel experimentiert.
Wie wichtig ist das Paradies oder die Idee „Paradies“ für Betrachterinnen und Betrachter heute?
Es ist, glaube ich, ein ziemlich kontroverses Konzept, und ich bin sicher, dass es verschiedene Blickwinkel darauf gibt. Einer wäre, meinem westlichen touristischen privilegierten Vergnügen die harte Arbeit vieler Menschen entgegenzusetzen, die es möglich machen. Oder die wachsende Ungleichheit und Angst auch innerhalb westlicher Gesellschaften. Andererseits könnten die Bedeutung des Jetzt und der Unmittelbarkeit in unserer Gesellschaft das religiöse Paradieskonzept trüben, das in vielen oder den meisten Religionen in der einen oder anderen Form existiert. Ich glaube jedoch, dass das Paradies der Ort ist, an dem Sie Freude mit Ihrer Familie und Ihren Lieben teilen, was meiner Meinung nach ziemlich universell ist.
Ihre Bilder wecken Sehnsüchte. Inwiefern ist Ihre Serie traumhaft?
Zu 100 Prozent. Ich sehe die Bilder und ich fühle, dass sie eine gute Darstellung meiner Erinnerungen und all der subjektiven Elemente in diesen Momenten sind. Fast wie sie wieder zu erleben: die Geräusche, die Temperatur, die Stimmungen. Und ich habe versucht, das in der Bearbeitung zu fördern, indem ich die Bilder ausgewählt habe, die dieses Gefühl verstärken.
Wie sieht Ihr fotografischer Prozess aus? Wonach suchen Sie in Ihren Bildern?
Ich glaube, dass jeder Fotograf in seinen Bildern letztlich nach sich selbst sucht. Und wenn Sie den gesamten Prozess eines anhaltenden langfristigen Projekts wie eben dieses betrachten, suchen Sie als Fotograf auch nach etwas Lebendigem und Organischem entlang einer langen Linie: Woher kommen Sie und wohin gehen Sie? Für die meisten von uns sind die Familie und unsere Lieben das Wichtigste – und vielleicht die schwierigste Aufgabe für Sie als Fotograf. All das zusammengenommen, will Paradies vermutlich beantworten, wer ich für und in meiner Familie bin und wohin das Leben uns alle führt.
Welche Funktion hat das Wasser als Bildelelement?
Es verwebt alles miteinander. Wasser ist der Stoff, der die Bilder verbindet, da es in den meisten auf die eine oder andere Weise präsent ist und in viele zu einer traumhaften Projektion führt. Wie schwebende Erinnerungen. Wasser ist auch der Ort, an dem wir als Familie und Freunde zusammenkommen, um uns wiederzusehen und uns gemeinsam zu freuen – jetzt, da wir oft das ganze Jahr über getrennt leben.
Hat es Spaß gemacht mit der Leica X-U zu fotografieren?
Es war enorm befriedigend, denn die Leica X-U, die ich für fast alle Bilder verwendet habe, bietet mir das Beste aus beiden Welten. Zum einen bleibt mir die Freude an meiner traditionellen Leica Aufnahmeerfahrung erhalten: Ich nehme alle Bilder mit manuellen Einstellungen auf und habe immer das Gefühl, dass der Prozess des Fotografierens genauso viel Spaß gemacht hat wie das Ergebnis. Man ist tatsächlich gezwungen, darüber nachzudenken, was man in einer Aufnahmesituation fühlt und wie man das am besten darstellt. Und zum anderen die Unterwasserfähigkeit der X-U. Es war immer großartig, den Sprung mit der X-U um den Hals zu wagen und mit der Brechung und den verträumten Perspektiven zu spielen.
Welche Bedeutung hat Farbe in Ihren Bildern? Ist Farbe selbst paradiesisch?
Für mich ist Farbe – und in einem weiteren Sinne Form, Geometrie und Licht – genauso wichtig wie der Inhalt. Ein großartiger Moment in falschem Licht regt meine Vorstellungen vielleicht nicht so an wie eine gelbe Wand vor blauem Himmel oder ein rotes Kleid im Gras. Das ist natürlich subjektiv und hängt von den Betrachtenden ab. Nicht jeder Fotograf geht auf dieselbe Weise mit Farbe um. Für mich muss Farbe mutig sein, an erster Stelle und im Dienst von Gefühlen und Emotionen stehen. Sie bestimmt, wie ich fotografiere, meine Kamera-Einstellungen und die Wahl der Orte, an denen ich fotografiere. Für mich ist Farbe das, was ein gutes Bild ausmacht. Wenn man es schafft, zusätzlich zu großartigen Farben und Formen einen besonderen Moment einzufangen, dann ist das für mich ein großartiges Bild.
Es gibt verschiedene Vorstellungen vom Paradies. Unterstreicht diese Serie Ihre Vorstellung davon?
Absolut. Das Leben fließt durch meine Familie und Freunde. Jetzt, nicht, wenn wir tot sind. Oder besser gesagt, wie es war, ist und sein wird, wenn wir wieder zusammenkommen, um uns aneinander zu erfreuen.
Víctor M. Pérez ist 1972 in Madrid geboren und lebt dort. Seine Bilder und seine fotografische Sprache drücken Sehnsucht nach Präsenz und Zugehörigkeit aus und entstehen zumeist auf öffentlichen Plätzen und Straßen auf der ganzen Welt. Sein selbst publiziertes Buch Alive At Midlife stand beim Photo London/LaFabrica-Wettbewerb 2017 auf der Shortlist. Zu sehen war die Serie im Londoner Somerset House und in der Spanischen Nationalbibliothek, Madrid. Seine Serie Anyone, Anytime, Anywhere hat die Leica Galerie Mailand ausgestellt, auch die Leica Fotografie International (LFI 5/2018) hat sie präsentiert. Erfahren Sie mehr über die Fotografie von Víctor M. Pérez auf seiner Website und in seinem Instagram-Kanal.
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