Joe Greer hält analoge Fotografie für eine natürliche Weise, zu sehen und Bilder zu machen: Er dokumentiert das alltägliche Leben – bei der Arbeit, auf Reisen, beim Footballspiel seines Neffen an der Highschool, im Urlaub oder einfach, wenn er nachts durch Nashville fährt. Seine Bilder sind ein Spiegel seines Wesens und der Dinge, über die er zufällig stolpert. Er hofft, dass Betrachtende einen Hauch von Nostalgie verspüren, wenn sie seine Aufnahmen sehen.

Was macht analoge Fotografie im Vergleich zu digitaler besonders?
Analoge Fotografie ist für mich zu einer sehr natürlichen Art geworden, Motive zu sehen und Fotos zu machen. Wie viele andere Dinge scheint sich auch analoge Fotografie immer wieder ihren Weg zu einer neuen Generation zu bahnen. Genau das ist mir passiert. Die greifbare physische Natur des analogen Prozesses ist eine sehr befriedigende Art des Fotografierens. Deshalb zieht es mich immer eher zum Analogen als zum Digitalen. Film ist einfach wie Magie.

Mit welchen Herausforderungen konfrontiert Sie die analoge Fotografie?
Der digitale Prozess hat viele jüngere Fotografen, mich eingeschlossen, dazu gebracht, unbedingt die Belohnung, ihre Bilder sofort sehen zu können, haben zu wollen. Genau das ist die Herausforderung: geduldig zu bleiben, auf sein Bauchgefühl und seine Fähigkeiten zu setzen, dass man richtig belichtet hat. Von Zeit zu Zeit kämpfe auch ich noch nach all den Jahren mit diesem Impuls. Aber es lohnt sich, die Tendenzen zu verlernen, die uns die Digitalisierung beigebracht hat.

Wie beschreiben sie das „Look and Feel“ analoger Fotografie?
Sehr viel vom „Look and Feel“ ist für mich einfach in die Chemie selbst eingebettet. Analoger Film singt auf eine Weise, wie es das Digitale nicht tut.

Sie fotografieren mit der Leica M6, die erstmals 1984 auf den Markt kam. Warum gerade diese Kamera?
Ein Mentor in meinem Leben, Mike McDonald, hat mich 2014 mit Leica bekannt gemacht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er mit einer M (Typ 240) fotografiert hat. Zu der Zeit war ich sehr an analoger Fotografie interessiert. Als er mich in all diese Dinge und die Geschichte von Leica einweihte, sagte er: „Wenn du dich mit Film beschäftigen möchtest, könntest du die Leica M6 wirklich mögen.“ Der Rest ist Geschichte.

Jetzt kommt eine neue M6 auf den Markt – erlebt die Analogfotografie ein Revival?
Ich hoffe es und glaube, dass das passiert. Ich bemerke es seit Anfang 2020 und es zog sich durch die gesamte Pandemie. Ich könnte nicht begeisterter sein, dass diese klassische Kamera wieder produziert wird. Das wird großartig für die aktuelle und die nächste Fotografengeneration, die gern mit Film arbeitet.

Ihre Bilder sehen sehr natürlich aus, ist es das, was Sie von der Fotografie wollen?
Das ist ein Ziel, aber nicht etwas, worüber ich nachdenke, wenn ich unterwegs fotografiere. Ich finde so viel Freude daran, den Alltag zu dokumentieren – diese Fotografien sind oft ein Spiegelbild meines Lebens und der Dinge, die mir über den Weg laufen.

Wonach suchen Sie in Ihren Bildern?
Ich fotografiere so ziemlich alles und jeden: Alltagsleben. Als Arbeit, Reisen, als ein Footballspiel meines Neffen an der Highschool, Ferien mit der Familie oder einfach nur als eine Fahrt mit Madison durch die Sommernacht hier in Nashville. Ich möchte zuversichtlich sein, dass ich in jeder Situation, die mir das Leben serviert, in der Lage bin, ein Foto zu machen, das auf seine Weise interessant oder überzeugend ist. Mein Bauchimpuls, wenn das Licht genau richtig auf eine Szene trifft, ist schon mehr als die halbe Miete. Der kleine Adrenalinstoß, wenn sich alles, was ich anschaue, als ausgewogen und bereit erweist, dass ich auf den Auslöser drücke.

Man kann vom Charme Ihrer Bilder sprechen, der auch „natürliche Fehler“ erlaubt, die zum Leben dazugehören. Bearbeiten Sie Ihre Bilder?
Charme, das ist interessant. Ich habe dieses Wort noch nie im Zusammenhang mit meiner Arbeit gehört. Sehr erfrischend, vielen Dank! Und, ja, ich bearbeite meine Bilder definitiv. Zumeist geht es um Farbe, Kontraste, Schwarzweiß, Schatten etc. In der Postproduktion verwende ich weder Photoshop noch entferne ich irgendetwas. Ich versuche, dem so nahe wie möglich zu kommen, was ich ursprünglich gesehen habe, aber in einer etwas besseren Version.

Auf den richtigen Moment zu warten – hat das in der analogen Fotografie eine andere Bedeutung als in der digitalen?
Sowohl als auch. Digital kann man genauso auf den richtigen Moment warten, aber zumeist haben Sie so viel Platz auf Ihren SD-Karten, dass dieser Impuls auch verblassen kann. So ist es mir jedenfalls ergangen. Aber ein Film hat nur diese 36 Bilder. Jedes Auslösen kostet Geld. Ich will darüber gar nicht groß nachdenken, ich vertraue meinem Bauchgefühl, wenn es zu solchen Momenten kommt, und denke nicht: „Warte! Wie viele Bilder hast du noch? Ist das eine von 36 würdigen Aufnahmen?“ Ich habe, glaube ich, zu viele solcher Momente verpasst, in denen ich so dachte.

Worin besteht Ihr fotografisches Ziel und was erwarten Sie von der neuen Leica M6?
Ich glaube, das hat sich im Laufe der Jahre und in verschiedenen Lebensphasen verändert. Aber der Takt, das Leben so zu fotografieren, wie ich es erlebe, bleibt der gleiche. Zu fotografieren macht mir so viel Freude: einfach den Verschluss zu hören und mit dem Film voranzukommen. Ich möchte, dass andere das spüren. Ich hoffe, dass meine Arbeit bei den Betrachtenden ein Gefühl der Zugehörigkeit weckt oder ein wenig Nostalgie hervorruft. Auch wenn es nur für einen Moment ist. Ich erwarte und hoffe, dass die Zahl analog arbeitender Fotografen wächst. Es gibt so viele Talente, die großartige Arbeit leisten. Und ich sähe gern, was sie mit der neuen Leica M6 anfingen. Einen Klassiker des analogen Films im digitalen Zeitalter zurückzubringen, ist ein mutiger Schritt – aber der richtige.

Geboren in Flint, Michigan, und aufgewachsen in Florida, fotografiert Joe Greer, seit er 2010 nach Spokane, Washington, gezogen ist. Es ist sein einziges Bestreben, das Leben so zu dokumentieren, wie er es erlebt. Das können kommerzielle Aufträge von Kunden wie Adidas, Apple, Cadillac, Mont Blanc oder Ralph Lauren sein oder die Arbeit an Porträts, bei der er mit Models und Künstlern wie Karlie Kloss, Leon Bridges oder Greta Van Fleet kooperiert. Fotografie ist für Greer zu seiner Art der Kommunikation geworden. Erfahren Sie mehr über seine Arbeit auf seiner Website und in seinem Instagram-Kanal.

Die Leica. Gestern. Heute. Morgen.

Jetzt M-System online entdecken!