Ursprüngliche hatte der finnische Architekt und Designer Matti Suuronen (1913–2013) vor über 50 Jahren die Idee, mobile Skihütten zu entwerfen. Ganz im Stil des Weltraumzeitalters gestaltete er ein futuristisches, an ein Ufo erinnerndes Wohnobjekt, das aus Kunststoff und Glasfaser auf einem Metallgerüst gefertigte Modell „Futuro“. Es sollte einfach zu bauen, mobil und multifunktional sein, vor allem aber auf wenigen Quadratmetern – das Futuro hat einen Durchmesser von acht Metern – allen Komfort der Zeit mit Küche und Bad bieten. Die ellipsoiden Futuro-Häuser entstanden ab Ende der 1960er-Jahre, später kam in Suuronens „Casa Finlandia“-Serie ein zweites Modell, das rechteckige, etwa 45 Quadratmeter große Venturo-Fertighaus, hinzu. Modern, fröhlich und zukunftsoptimistisch landeten die Fertig-Häuser an zahlreichen Orten der Welt, insbesondere Designer, Künstler und Kreative hatten Interesse an den in kleiner Auflage gefertigten Modellen. Längst sind die meisten Beispiele verschrottet und verloren – doch vor zwei Jahren stieß der Münchner Fotograf Michael Nischke auf Taiwan zufällig auf eine ganze Gruppe von mehr als zehn Exemplaren dieser heute längst als Designikonen anerkannten Objekte. Auch wenn die Häuser der ehemaligen Ferienanlage in dem Küstenbezirk Wanli im Nordosten der Insel marode und stark verrottet sind, ist die futuristische Vision noch deutlich erkennbar. Mit seiner Leica M-P entstand eine spannende Serie, die nun erstmals in Hamburg präsentiert wird. Und der Retrolook der Häuser scheint bestens zum heutigen Tiny-House-Trend zu passen.

Wie sind Sie auf die Futuro- und Venturo-Gruppe in Taiwan gestoßen?
Während unserer Teilnahme an der Taiwan Photo in den Jahren 2018 und 2019 stieß ich bei Recherchen auf das Thema. Vor Ort in Taiwan sind die „Ufo-Häuser“ fast nicht bekannt. Zunächst fand ich nur Informationen, dass sie bereits abgerissen seien. Das bezog sich jedoch auf eine andere Siedlung an der Westküste. Mittlerweile findet man im Internet weitere Berichte und Bilder vom Gelände.

War es schwer, zu den Häusern zu gelangen?
Wir mussten uns etwas länger durchfragen, bis wir ein Taxi bekamen. Entweder sagte man uns, man wisse nichts von dieser Siedlung oder man wolle nicht dorthin fahren. Schließlich hat uns ein Fahrer in der Nähe abgesetzt und ist rasch weitergefahren.

Wie muss man sich den Ort vorstellen?
Die Siedlung liegt, etwas außerhalb, direkt am Strand. Über den Parkplatz eines ebenfalls verlassenen, baufälligen Hotelkomplexes kommt man zu den Häusern. Einige fehlen bereits, die meisten sind stark beschädigt und baufällig. Einige wenige werden wohl zeitweise bewohnt. Fast alle Eingänge sind versperrt. Auf dem menschenleeren Gelände kam – besonders abends – eine sehr eigentümliche Stimmung auf, die der zumeist vorherrschende Wind noch unterstrich. Auch der Strand wirkt verlassen. Das gesamte, menschenleere Gelände besitzt für mich eine mystische Ausstrahlung.

Handelt es sich um Originalhäuser oder um Lizenzbauten?
Die Informationen über die Häuser sind sehr spärlich und widersprüchlich. Da die Futuros auf gemauerten Sockeln mit einer Treppe stehen, könnte man davon ausgehen, dass es sich nicht um Originale handelt. Der Transport von Finnland nach Taiwan wäre auch sehr aufwendig. Dennoch sehen die Futuros sehr nach Originalen aus, auch in Hinsicht auf die Oberflächen und andere Details. Die Frage, ob es sich um Lizenzbauten handelt, wird meist verneint. Auch vor Ort erhält man keine Informationen, was wohl auch an den Geschichten hängt, die sich um dieses Projekt ranken. Das werde ich noch weiter recherchieren.

Wann waren Sie vor Ort?
Anfang Februar 2020 – während meiner Ausstellung Unplugged Photography Vol. 3.0 in der 1839 Contemporary Gallery – hielten wir uns eine Woche in Taipeh und Neu-Taipeh auf. Während dieser Zeit entstanden die Fotos. Bereits bei der Einreise war Corona in Taiwan ein Thema, was die Ein- und Ausreise erschwerte.

Werden Sie die Serie fortsetzen?
Am 7. Januar 2023 werde ich zur Eröffnung der Ausstellung Ufo Living wieder in Taipeh sein. Im Rahmen dieser Reise werden wir das Projekt weiterführen.

Wie passt sich die Serie in Ihr Gesamtwerk ein?
Die Serie Ufo Living führt die bisherigen Serien ungewöhnlicher Orte wie Nordkorea oder Asmara fort und steht im Kontrast zu meinen Serien von Stadtpanoramen wie Venezia, Havanna oder Dubai. Seit vielen Jahren liegt der Schwerpunkt meiner freien Arbeit auf Architekturthemen. Bei den Projekten nutze ich unterschiedliche Kameras und Materialien: Die Stadtarchitekturen in Pjöngjang (Nordkorea) habe ich in Schwarzweißbildern mit einer Panoramakamera festgehalten, die italienische Architektur der 1930er-.Jahre in Asmara, Eritrea, in Farbe.

Mit welchem Leica Equipment arbeiten sie am liebsten?
Meine Leica M-P mit 35er- und 50er-Summicron kommt meinem Wunsch nach möglichst realistischer Wiedergabe des Bildraums am nächsten. Diese Kombination ist extrem kompakt und bietet eine ganz spezielle Bildwirkung.

Woran arbeiten Sie derzeit?
An weiteren Ausstellungen in Deutschland, Taiwan und Japan.

Ihre Serie wird in Hamburg erstmals ausgestellt. Für die Präsentation haben Sie sich für eine spezielle Konfektionierung entschieden.
Wir hatten zunächst an besondere Papiere für die Prints gedacht. In Abstimmung mit der Galeristin Vivian Laux-Eggert von VisuleX fiel die Wahl sehr bald auf Pigmentdruck auf Aluminium, was zum einen die Farben noch matter erscheinen lässt, zum anderen durch die teilweise Aufhellung der Oberflächen durch das Licht eine sehr mystische Wirkung erzeugt. Beides harmoniert perfekt mit meinen Motiven.

Alle Bilder auf dieser Seite: © Michael Nischke

Die Serie Ufo Living ist erstmals in der Hamburger Galerie VisuleX bis zum 5. November 2022 ausgestellt (VisuleX, Loogestraße 6, 20249 Hamburg)

Michael Nischke, 1956 in Berlin geboren, fand schon während seiner Schulzeit in Oslo zur Fotografie. Nach seinem Fotografiestudium in Köln assistierte er von 1983 bis 1986 bei Heinrich Riebesehl. Neben seiner fotografischen Arbeit veröffentlichte er zahlreiche Fachbücher und war als Redaktionsmitglied bei Photo International für das Technikressort verantwortlich. 1990 gründete er in München die erste Fotogalerie, die sich speziell der Panoramafotografie widmet. Seine eigenen Arbeiten wurden in vielen Büchern und Ausstellungen präsentiert. Erfahren Sie mehr über die Fotografie von Michael Nischke auf seiner Website und in seinem Instagram-Kanal