Vor zwei Jahren machte sich Tahmineh Monzavi auf den Weg in die Region Belutschistan, deren westlicher Teil zum Iran gehört. Dort traf die Fotografin auf Afro-Iraner, deren Vorfahren einst in die Sklaverei verkauft wurden. Ihre Serie erzählt von Anpassung und kulturellen Unterschieden – und wägt ab, wie Menschen unter diesen Umständen versuchen, ihre Wurzeln und Traditionen zu bewahren.
Afro-Iraner – was fasziniert Sie an diesem Thema und was wollten Sie zeigen?
Als iranische Fotografin bestimmt der Alltag der Menschen in der iranischen Gesellschaft meine Interessen, Leidenschaften und Erfahrungen. In den letzten fünf Jahren konzentrierte sich meine Arbeit auf die Rolle der Frau in städtischen und ländlichen Kulturen, insbesondere in den Küstenprovinzen am Persischen Golf, darunter Sistan, Belutschistan, Hormozgan und Buschehr. Mein Augenmerk liegt besonders auf verschiedenen Aspekten des Lebens in der afrikanisch-iranischen Community, bekannt als „zngis“. Arabische Sklavenhändler haben sie vor dem 19. Jahrhundert von der Küste Südostafrikas bis in den Iran verschleppt. In meinen Fotografien möchte ich den Kontrast zwischen dem Leben von Menschen afrikanischer Abstammung und den Einheimischen in Belutschistan zeigen.
Wie sieht das Leben der Afro-Iraner heute aus?
Wo immer sich die Afro-Iraner an den Südküsten des Iran niederließen, nahmen sie die Sprache, den Akzent und die Religion der Region an. Bis vor einem halben Jahrhundert erinnerten sich die älteren Mitglieder der Gemeinde noch an die Geschichte der Verschleppung. Bis heute haben sich aber kulturelle Erinnerungsstücke aus ihren ursprünglichen Heimatregionen erhalten. Afro-Iraner haben großen Einfluss auf die Kultur, vor allem die Musik, an den iranischen Südküsten gehabt. Ihr prominentestes Ritual ist mit Sicherheit die Tradition von „zār“ oder „gowāti“, also die Praxis, verschiedene Geister von Besessenen auszutreiben. Zur „gowāti“-Zeremonie gehören Essensopfer und musikalische Darbietungen. Sie gipfelt in ekstatischen Tänzen, die drei bis sieben Nächte dauern. In der Zeremonie spielen Frauen die Hauptrolle.
Frauen stehen auch im Mittelpunkt anderer Serien von Ihnen.
Ja, in diesem Projekt konzentriere ich mich auf afro-iranische Frauen, ihre sozialen Rollen und ihr Engagement in der Kultur Belutschistans. Ich lebte unter ihnen und vertiefte mich eine Weile in ihre mündlichen Überlieferungen. In meinen Bildern versuche ich, zwei Hauptthemen darzustellen: wie diese Frauen von der Entwicklung des modernen Staatssystems unberührt geblieben sind und wie sie ihre kulturellen Praktiken beibehalten und sich gleichzeitig an das neue Umfeld in der Diaspora angepasst haben.
Wie sind Sie auf die Frauen zugegangen?
Eine Frau zu sein, ermöglichte mir den Zugang zu Räumen nur für Frauen, aber es stellte nicht unbedingt sicher, dass ich frei fotografieren konnte. Die Hijabs der Einheimischen gehen über die Norm hinaus und manche Frauen bedecken ihr ganzes Gesicht mit einem Nikab. Wenn ich Frauen fotografieren wollte, musste ich um Erlaubnis fragen, besonders wenn sie Shisha rauchten, eine der wenigen Aktivitäten, der sie genauso nachgehen können wie Männer. Mir wurde gesagt, Shisha zu rauchen sei weiblich und Opium zu rauchen männlich. Als Frau musste ich Einschränkungen beim Besuch männlich dominierter Orte und Veranstaltungen in Kauf nehmen. Solche Verbote mussten Frauen schon immer hinnehmen – etwa nicht in die Moschee zu gehen oder Gräber zu besuchen.
Oft porträtieren Sie Ihre Protagonistinnen – was erzählen die Gesichter?
Ich interessierte mich mehr für ihre Geschichten als für das, was für das Auge sichtbar war. Porträts prägen meine Arbeit – die Kompositionen erzählen von Individuen, Gemeinschaften und deren Umgebung gleichermaßen. Indem ich ihre Blicke treffe und von ihnen getroffen werde, fängt mein Objektiv fließende Momente der Verletzlichkeit und Ruhe ein.
Ihre Bilder erinnern an Märchen und andere traditionelle Erzählweisen. Worauf achten Sie in puncto Farbe?
Ich habe die Bedeutung der Farbe erst nach einiger Zeit bemerkt, sie erhöht nicht nur die Darstellung der Weiblichkeit meiner Protagonistinnen und ihrer einheitlichen bunten Kleider, sondern trägt auch dazu bei, viele feine Details in der rauen Umgebung hervorzuheben.
Licht spielt ebenfalls eine wichtige Rolle in Ihren Fotos. Was bewirkt es?
Ich habe versucht, Tageslicht und Licht von Fenstern zu nutzen. Später beschloss ich, mit Blitzlicht zu experimentieren, um schärfere Bilder zu erhalten und Effekte wie in der Bühnenfotografie zu erreichen. Gleichzeitig wollte ich nicht, dass sich die Frauen unwohl fühlen. Es war ein Risiko, das ästhetisch funktionierte.
Die 1988 in Teheran geborene Tahmineh Monzavi ist eine sozialbewusste Fotografin. Ihre berufliche Laufbahn begann sie 2005 als Dokumentarfotografin. In ihrem Berufsleben, mit ihren Fotografien und im harmonischen Umgang mit ihrer Umgebung und ihrer Zeit hat Monzavi ihren eigenen Stil für die künstlerische und dokumentarische Fotografie geschaffen. Ihre Arbeiten wurden national und international ausgestellt und auch von Zeitungen und Zeitschriften wie The New York Times, Le Figaro und Elle veröffentlicht. Erfahren Sie mehr über die Fotografie von Tahmineh Monzavi auf ihrer Website und in ihrem Instagram-Kanal.
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