Taras Bychkos authentische Momentaufnahmen dokumentieren das Leben in seiner westukrainischen Heimatstadt und schaffen Bildwelten, die zwischen poetisch und geheimnisvoll oszillieren. Bychko sprach mit uns über seine Vorliebe für Street Photography und schwärmte vom besonderen Reiz des Fotografierens auf ukrainischen Straßen.
Wie sind Sie in die Welt der Fotografie gelangt?
Durch die Geburt meines Sohnes. Ich hatte mir eine Kamera gekauft, um festzuhalten, wie er aufwächst. Schließlich hat die Magie der Fotografie vollständig von mir Besitz ergriffen.
Worum geht es in Ihrem Projekt Sychiw?
Sychiw handelt vom Leben im größten und jüngsten Bezirk von Lwiw, eine der touristischsten Städte der Ukraine. Ich wollte das Leben der Stadt zeigen, die weit entfernt vom touristischen „Glanz“, aber so real, lebendig und vielen Ukrainern gegenwärtig ist und die die Realitäten von heute wiedergibt. Ich versuche, den Zeitgeist einzufangen.
Sie sind in Sychiw geboren und aufgewachsen. Wie beschreiben Sie das Viertel?
Für mich gibt es Sychiw sozusagen zweimal: Das erste Sychiw ist das, das in meinem Gedächtnis lebt, das mir Ideen für die Suche nach Locations lieferte. Unterbewusst suchte ich nach Szenen, in denen ich mich mit Hilfe der Kamera in meine jugendlichen Erinnerungen an den Ort, der mich umgab, versetzte. Das zweite Sychiw ist ein verschlafenes Viertel, völlig anders als die exquisite Architektur der Kathedralen und Häuser im zentralen historischen Teil der Stadt. Aber dieses Sychiw zeigt das wahre ukrainische Großstadtleben. In den endlosen Reihen von Wohnhäusern erschließt sich der Charakter der Einwohnerinnen und Einwohner.
Was gefällt Ihnen besonders an der Street Photography?
Für mich ist Street Photography eine spontane Eingebung, eine Aufforderung, das einzufangen, was um mich herum passiert. Gleichzeitig ist sie interessant, spannend und einzigartig. Auf der Straße tiefgründig und wohl durchdacht zu fotografieren, erfordert große visuelle und praktische Erfahrung. Man muss stets hellwach sein, um die Geschenke des Schicksals nicht zu verpassen, um rechtzeitig und richtig darauf reagieren zu können. Wenn alles passt, muss man einen Rahmen finden, der dem Ideal nahekommt, einen Rahmen, der der eigenen Persönlichkeit entspricht. Vielleicht ist es das, was ich an der Street Photography am meisten mag.
Was ist Ihre Herangehensweise auf der Straße?
Ich verzichte auf technische Spielereien und bemühe mich, die Genres und meine Herangehensweise an die Fotografie ständig zu verändern. Daher hängt wahrscheinlich alles von der Situation ab, in der ich mich befinde. Früher war ich sehr voreingenommen gegenüber bestimmten Ansätzen, aber jetzt ist mir klar, dass wichtig in erster Linie nur das Ergebnis ist. Wie es dazu gekommen ist, spielt keine Rolle, die Hauptsache ist das Bild, das die Betrachtenden sehen werden. Konventionen stehen einem gelungenen Foto nur im Weg.
Sie fotografieren sowohl in Farbe als auch in Schwarzweiß. Warum haben Sie sich bei Sychiw für Schwarzweiß entschieden?
Ich bin generell daran interessiert, abhängig von dem Projekt, an dem ich arbeite, meine visuelle Sprache zu ändern. In diesem Fall wollte ich mich auf eine Form konzentrieren, von der nichts ablenkt, und diesen Bildern auch Zeitlosigkeit verleihen.
Welche Kamera haben Sie verwendet?
Sychiw habe ich mit der Leica M6 TTL mit einem Summicron-C 40 und einem Summicron-M 50 aufgenommen. Für mich ist die Leica M6 die perfekte Kamera, die nichts Überflüssiges hat und es mir ermöglicht, mich so gut wie möglich auf den Aufnahmeprozess zu konzentrieren. Eine wichtige Komponente war auch, die Fotos selbst zu entwickeln und zu drucken.
Was ist das Besondere an Street Photography in der Ukraine?
Gern würde ich sagen, dass die ukrainische Street Photography tiefer geht und nicht irgendwelchen oberflächlichen Wow-Effekten hinterherjagt. Aber sie ist ehrlich und lebensnah und versucht, mit tieferen Bedeutungen zu arbeiten.
Welche grundsätzliche Bedeutung hat Fotografie für Sie?
Fotografie ist eine Sprache, die es mir ermöglicht, zu sprechen und gehört zu werden. Dafür bin ich unendlich dankbar.
Taras Bychko, 1987 in Lwiw geboren, arbeitet als Dokumentar- und Kunstfotograf und ist als Kurator, Dozent und Juror für verschiedene internationale Wettbewerbe tätig. Er ist Mitglied des internationalen Street-Photography-Kollektivs Little Box Collective und Mitbegründer der ukrainischen Gruppe Street Photography. Seit 2021 arbeitet er als Kurator von Fotoprojekten im Städtischen Kunstzentrum. Er war u.a. Gewinner und Finalist des Photographer of the Year National Award (2016), des Leica Street Photo (2019) und des Miami Street Photo Festivals (2016, 2017, 2018). Er ist Autor von zwei Büchern, Sychiw (2020) und 2 rooms (2021). Seine Arbeiten haben Magazine wie LFI, Burn, National Geographic und andere Publikationen veröffentlicht. Erfahren Sie mehr über die Fotografie von Taras Bychko auf seiner Website und in seinem Instagram-Kanal.
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