„Less is more“ pflegte der Architekt Mies van der Rohe zu sagen – einem Motto, dem auch der Fotograf Sebastian Rijkers in seinen Kompositionen folgt. Mit seinen minimalistischen Motiven schafft er Raum für scheinbar unbedeutende Dinge und Details, deren verborgene Schönheit sich im richtigen Licht offenbart.

Was fasziniert Sie an geometrischen Formen?
Geometrische Formen sehe ich als Grundbausteine unseres visuellen Eindrucks. Unsere gesamte Umwelt lässt sich in diese Bausteine zerlegen. Diese Reduktion nimmt jegliche Bedeutung und Schwere und fokussiert uns auf die reine Ästhetik der Objekte.

Welches Ziel verfolgen Sie mit Ihren Bildern?
Meine erste Einzelausstellung hatte den Titel Raum geben. Die Bilder zeigten Innenräume, die mit minimalistischen und neutralen Motiven viel Platz für eigene Gedanken und Assoziationen ließen. Jede Komposition sollte dabei eine Einladung an die Betrachtenden sein, gedanklich einen Raum zu betreten, sich „umzusehen“ und in ihm einen Rückzugsort und einen Moment der Stille zu entdecken. Mein bescheidenes Ziel ist es also, dass Betrachtende die Bilder nicht nur ansehen, sondern sich individuell mit ihnen beschäftigen.

Ihre Arbeiten kommen ohne Menschen aus, erzählen sie dennoch etwas über sie?
Durch Feedback auf meine Ausstellungen weiß ich, dass die Betrachtenden sich lange mit den wenigen Linien und Formen beschäftigten, welche in ihnen vielfältige Gedanken, Erinnerungen und sogar Emotionen hervorrufen. Sagt das nicht viel über den Menschen aus? Vielleicht eine Sehnsucht nach Orten der Ruhe, vielleicht ein Erkennen einer bis dato verborgenen Welt. Amüsiert hat mich eine weitere Beobachtung: Es scheint ein starker Drang zu sein, das Reale in den Motiven zu erkennen. Ich spiele immer ein bisschen mit dem Grad der Abstraktion. Aber auch, wenn ein Foto abstrakt ist, ist es ein Abbild der Realität.

Wie finden Sie Ihre Motive und nach welchen Kriterien wählen Sie sie aus?
Besonders ergiebig sind für mich architektonisch interessante Bauwerke, die ich per Internetrecherche auswähle und gezielt besuche. Auch bei einem Museumsbesuch habe ich meine Kamera dabei. Dort lasse ich mich durch die Ruhe, die Atmosphäre und die ausgestellte Kunst inspirieren. Ebenso begegnen mir im Alltag Motive, die ich gern festhalte.

Wie gehen Sie in Ihrer fotografischen Arbeit genau vor – vor allem in Hinsicht auf die Komposition?
Wenn ich etwa Architektur fotografieren möchte, sehe ich mir das Objekt und den Lichteinfall in aller Ruhe und zunächst ohne Kamera an und probiere bereits verschiedene Perspektiven. Erst im Anschluss gehe ich die Komposition mit einem Blick durch den Sucher an. Ich wähle die Brennweite und meinen Bildausschnitt. Um das Motiv harmonisch wirken zu lassen, nutze ich klassische Regeln der Bildgestaltung. Möchte ich mehr Spannung erzeugen, breche ich sie bewusst.

Das Licht hat eine enorme Bedeutung in Ihren Bildern.
Ich arbeite ausschließlich mit available light, denn ich liebe die Suche nach Motiven, weniger die Inszenierung. Außen fotografiere ich entgegen der Regel gern in der Mittagssonne. So finde ich besonders kontrastreiche Schatten. Motive in Innenräumen leben von Schattierungen, die zum Beispiel Flächen eines einheitlich weißen Raumes in verschiedenen Graustufen zeigen.

Warum haben Sie sich für Schwarzweiß entschieden?
Die Darstellung von Formen und Schatten benötigt Kontraste. Die Kanten sind monochrom klarer und verstärken den grafischen Effekt. Schattierungen werden in Grauwerten deutlicher als in Farbe. Zudem bedeuten Farben weitere Details, die ablenken. Wenn ich Farbe einsetze, dann dezent und nur, wenn sie eine bildgestalterische Relevanz besitzt.

Sie haben mit der Leica SL2 gearbeitet, was macht sie geeignet für die Architekturfotografie?
Neben einer überragenden Bildqualität begeistert mich die leichte Bedienbarkeit der Kamera. Die Einstellungen mache ich, während ich bereits durch den Sucher mein Motiv anvisiere. Damit lenkt mich nichts ab. Außerdem bieten meine Objektive maximale Flexibilität, mit Brennweiten vom Superweitwinkel für Innenarchitektur und spannende Perspektiven bis hin zum leichten Tele für Details (Sigma 1:2.8/16–28 DG und Leica Vario-Elmarit-SL 1:2.8/24–70 ASPH.).

Wie wichtig sind die Details, was können sie über das Leben erzählen?
Es mag etwas abgedroschen klingen, wenn ich sage, man soll mit offenen Augen durch die Welt gehen. Aber genau das sollte man tun. Offen sein für alles, was man entdeckt. Die Schönheit auch in unbedeutenden Dingen suchen. Vielleicht erfreut sich eine Person, die das liest, bereits jetzt oder in Zukunft genauso sehr an einem Schatten oder an einfachen Formen wie ich.

Die Schönheit von Form und Licht – ist das Ihr ästhetischer Anspruch in der Fotografie?
Natürlich kann ich meine Vorliebe für Licht und Formen nicht verbergen. Unabhängig vom Genre halte ich sie sogar für essenziell bei der Bildgestaltung. In meinem ästhetischen Anspruch hat der Minimalismus einen noch höheren Stellenwert. Die Bildkomposition ist vergleichbar mit einer Komposition in der Musik. Dort sind es auch die Pausen, die den Noten ihre Strahlkraft geben und uns aufmerksam zuhören lassen. Um es wie der Architekt Mies van der Rohe zu sagen: „Less is more.“

Sebastian Rijkers, geboren 1981 in Viersen am Niederrhein, studierte bis 2007 Elektrotechnik und arbeitete bis 2016 in verschiedenen Branchen. Seit fast sechs Jahren verbindet er die Arbeit mit seiner Leidenschaft – der Fotografie. Er ist in der Entwicklungsabteilung der Leica Camera AG tätig. Nach mehreren Gemeinschaftsausstellungen präsentierte er im vergangenen Jahr seine erste Einzelausstellung. Erfahren Sie mehr über die Fotografie von Sebastian Rijkers in seinem Instagram-Kanal.

Leica SL2

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