Der US-amerikanische Fotograf, der mit dem „komplexen regionalen Schmerzsyndrom“ lebt, hat für sein Leiden, das ihn physisch und psychisch beeinträchtigt, starke visuelle Metaphern gefunden. Für die Ausstellung Frames Between the Pain in der Leica Galerie Los Angeles hat LaRue sein Archiv geöffnet und eine berührende Serie zusammengestellt. Seine zum Teil mit interessanten Techniken aufgenommenen Bilder kreisen um Themen wie Schmerz, Verzweiflung und Angst, bieten aber auch immer wieder Anlass zur Hoffnung. LaRue sprach mit uns über den Zusammenhang zwischen Introspektion und Außenwelt, Fotografie als Therapieform und kreative Lösungen für spektakuläre Bildeffekte.

Ihre Serie Frames Between the Pain Serie ist im Januar 2023 in der Leica Galerie Los Angeles zu sehen. Worum geht es?
Diese Aufnahmen sind ein kleiner Teil einer größeren Serie, die die Verbindung zwischen meiner inneren Welt und der äußeren Welt, die wir alle teilen, darstellt. Es geht darum, wie die Erfahrungen, die ich in meinem Leben gemacht habe, und meine inneren Kämpfe die Weise, wie ich die Welt betrachte, verzerren können. Die Bilder zeigen mir, was sich hinter meiner äußeren Hülle verbirgt. Frames Between the Pain steht zwischen meinen inneren Kämpfen und der äußeren Realität.

Wie hilft Ihnen die Fotografie bei der Bewältigung Ihrer Erkrankung?
Meine Leidenschaft für die Fotografie habe ich durch das Team der Leica Galerie Los Angeles, namentlich Paris Chong, entdeckt. Ein Ort, an dem man Fotografie jeglicher Art schätzen und feiern kann, während dich unzählige inspirierende Menschen umgeben, ist wirklich etwas Besonderes. Das führte mich zu einer viel weiteren Sicht darauf, was Fotografie sein könnte und was sie zu bieten hat. Es hat etwas Ansteckendes, wenn sich eine Gruppe von Fotografen versammelt, um die Leistung zu feiern, in einer Leica Galerie gezeigt zu werden. Zu hören, wie die Fotografie das Leben aller in diesem Raum berührt und verändert hat, war sehr inspirierend und ich wollte selbst erfahren, was die Fotografie für mich tun könnte. Ich lernte langsam, mich davon abzulenken, was mein Körper mir sagte.

Ihre Serie ist eher eine künstlerische Arbeit.
Ja, das ist eine Sammlung, die ich aus früheren Arbeiten und Bildern zusammengestellt habe. Sie sind in einem kleinen Studio entstanden, das ich ursprünglich zu Hause eingerichtet hatte, bevor ich in ein Studio in Seattle gezogen bin. Leider hat sich meine Krankheit weiterentwickelt. Meistens bin ich nicht in der Lage, viel mehr als einen Kilometer zu laufen. Also muss ich entweder irgendwo sitzen und warten – das Bild der Silhouette vor der Wand wäre ein Beispiel dafür – oder einfangen, was ich in so einem Moment direkt vor Augen habe.

Was können Sie über das Foto der Orange im zerbrochenen Fenster berichten?
Ein Mann hatte die Frucht in ein Schaufenster geworfen und war weitergegangen. Ich saß am frühen Morgen in einem Café auf der anderen Straßenseite und war schockiert, aber mich faszinierte sofort die Form, die das Loch in der Scheibe aufwies. Ich hatte eine M10 Monochrom mit dem Super-Elmar-M 1:3.4/21 dabei – eigentlich nicht mein Favorit für eine Nahaufnahme wie diese, aber jetzt kann ich es mir gar nicht mehr anders vorstellen. Als ich mich näherte, um ein Bild zu machen, bemerkte ich, dass die Orange immer noch im Fenster hing. Die kleinen, unauffälligen Dinge im Leben sind manchmal die härtesten Brocken.

Wie ist das Bild der verdrehten Uhr entstanden?
Das ist eine Hommage an eine meiner Lieblingsfotografien von André Kertész. Ich habe dafür einen Zerrspiegel verwendet. Die Zeitschleife steht für eine Zeit, die niemals kommt. Chronische Schmerzen neigen nun mal zur Wiederholung und bringen die Zeitwahrnehmung durcheinander. Die Uhrzeiger reichen weit in die Zeit, die wir kaum sehen können. Die Uhr wirkt wie eine unendliche Schleife, in der sich die Ziffern miteinander verschlingen.

In einem anderen Bild reflektiert eine Ansammlung von Blasen den Körper einer Frau. Wie haben Sie diesen Effekt erzeugt?
Ich lerne oft durch Misserfolge. Als ich mit dem Objektiv eines Mikroskops experimentierte, das ich an die Leica S (Typ 007) angepasst hatte, fiel mir der vordere Teil des Objektivs in ein Glas mit Handdesinfektionsmittel. In Panik zog ich die Kamera hoch und schoss ein Bild, während die Flüssigkeit heruntertropfte. Das erzeugte einen sehr interessanten Effekt, mit dem ich weiter experimentierte, bis ich in der Lage war, eine menschliche Figur einzufangen, die sich in den mikroskopisch kleinen Blasen in einem Tropfen spiegelte.

Wollten Sie in einem Bild etwas ganz Konkretes einfangen?
Ich wollte einen Weg finden, um das Gefühl bei einer Infusion mit dem Anästhetikum Ketamin darzustellen – von sich selbst getrennt zu sein und ins Leere zu fallen. Ich muss dem Model Alaina Wolf ein großes Kompliment machen, die die Pose zwei Tage lang gehalten hat, während ich versuchte, ein gescheites Bild zu machen.

Das Bild des Wurms, der aus einer Maske kriecht, erscheint mir höchst symbolisch.
Ich sehe es als eine Reaktion zwischen der Medikation und der Seele eines Menschen. Ich fange nicht wirklich mit einem Konzept an. Ich kaufte einen Haufen Kompostwürmer und füllte sie in den Kopf einer Puppe. Ich wollte wissen, was sie machen würden, und sah, dass sie auf interessante Weise aus den Augen kamen. Das Gesicht der Maske ist völlig flach und emotionslos, ich fügte auf der Stirn eine Tablette als Seele oder Geist hinzu. Das schien mir eine gute Metapher für Sucht zu sein. Ein Medikament, ein Antidepressivum sitzt auf der Stirn. Ich habe nichts gegen Medikamente und benutze sie, weil sie helfen. Aber manchmal sind seine Nebenwirkungen schlimmer sein als das, was es beheben soll.

Was liegt als nächstes an?
Ich probiere ständig neue Dinge aus, um mich von den Schmerzen abzulenken. Anpassung an neue Situationen und Ausprobieren verschiedener Aufnahme-Arten. Deshalb mögen meine Bilder manchmal ein wenig zufällig aussehen; aber sie erfüllen ihren Zweck. Egal in welcher Situation ich mich befinde, ich schaffe es immer, ein Foto zu machen. Ich sehe keine Notwendigkeit, mich nur an einen Stil der Fotografie zu halten: Alles sollte erforscht und genossen werden.

Terry LaRue, geboren 1985 in Riverside, Kalifornien, lebt heute in Seattle, Washington. Der Autodidakt arbeitet seit 15 Jahren mit semiprofessionellen Camcordern und dokumentiert Profi-Skateboarder. Er hat unter anderem für Emerica, Bones Wheels und Swiss Bearings, Unternehmen aus der Skate-Branche, gearbeitet. Zwei Jahre nachdem er sich 2014 den linken Daumen gebrochen hatte, erhielt er die Diagnose „komplexes regionales Schmerzsyndrom“, das sich auch auf die rechte Hand und andere Extremitäten erstreckt. Wegen der starken Schmerzen ist LaRue auf intensive medikamentöse Behandlungen angewiesen und kann keiner regulären Arbeit mehr nachgehen. 2017 reiste er nach Shanghai, um an seiner ersten redaktionellen Geschichte zu arbeiten. Erfahren Sie mehr über die Fotografie von Terry LaRue auf seiner Instagram-Seite. Seine Serie Frames Between the Pain ist vom 12. Januar bis zum 27. Februar 2023 in der Leica Galerie Los Angeles zu sehen.

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