Ruslan Hrushchak fotografiert mit großem Interesse Menschen und in der Natur. In Griechenland fand er einen Ort, der seit Jahrhunderten in zeitloser Stille verharrt und genau diese beiden Bedürfnisse bedient: die Republik orthodoxer Mönche auf dem Berg Athos. Mit einer Leica M10 und drei Objektiven hat er die ganz besondere Atmosphäre auf der autonomen Halbinsel eingefangen.

Wie kam es zu diesem Projekt?
Ich habe lange davon geträumt, Athos zu besuchen, inspiriert von den alten Fotografien, die ich in meiner Jugend gesehen hatte. Die Exklusivität des Ortes und die Vorstellung, dass die Zeit dort stehen geblieben ist, haben mich fasziniert. Ich wollte wissen, wer die Menschen dort sind und wie es sich anfühlt, in dieser abgeschotteten Landschaft zu leben. Die Organisation einer Reise nach Athos ist allerdings nicht einfach und man benötigt eine besondere Erlaubnis, deshalb musste ich mein Interesse lange und geduldig hegen.

Wo genau liegt Athos?
Athos ist ein heiliger Ort für die Orthodoxe Kirche und beherbergt insgesamt 20 große Klöster und eine Vielzahl kleinerer Mönchsiedlungen, die sich auf einer Halbinsel in Nordgriechenland befinden. Die Insel hat ihre eigenen Regeln, die teilweise sehr archaisch und für die heutige Zeit schwer nachvollziehbar sind. Eines der bekanntesten Gesetze ist das Einreiseverbot für Frauen. Eine besondere Einreiseerlaubnis, „Diamonitirion“ genannt, ist erforderlich, um Athos betreten zu dürfen. Man muss sie lange vor der Reise beantragen. Es gibt nur eine begrenzte Anzahl von Plätzen für Besucher, aber man muss nicht notwendigerweise einer Kirche angehören, um die Erlaubnis zu erhalten. Es heißt, dass das Los über die Vergabe der Plätze entscheidet.

Wie sieht ein Gottesdienst auf Athos aus?
Ein Mönch geht durch den Klosterhof und schlägt auf einem Holzbalken den Rhythmus „to talanto to talanto“ und ruft so die anderen Mönche. Sie betreten die Kirche, verneigen sich tief vor den Ikonen, küssen sie und nehmen im Altarraum Platz. Während des Gottesdienstes ist die Tür in der Ikonenwand geöffnet, sodass der Blick auf den Altar frei ist. Das hat eine tiefe Bedeutung für die orthodoxen Mönche, denn die offene Pforte symbolisiert die geöffneten Tore des Paradieses. Die Mönche haben die Welt verlassen, um Gott zu finden, und die Liturgie vermittelt schon einen Vorgeschmack auf das Paradies.

Wie gestaltete sich die fotografische Umsetzung Ihres Projekts – hatten Sie bereits vorher einen bestimmten Ansatz, den Sie verfolgen wollten?
Bei diesem Projekt habe ich mich ganz von meiner Intuition, meiner persönlichen Reiselust und meiner Neugier leiten lassen. Ich habe versucht, keine „Katalogbilder“ zu machen, vielmehr waren mir die persönlichen Begegnungen wichtig. Obwohl ich mich auf die Reise vorbereitet hatte, glaube ich nicht, dass eine einzige Reise nach Athos für das endgültige Projekt ausreicht. Beim nächsten Mal werde ich das Projekt mit einem etwas erfahreneren Blick und dem Wissen um die Gepflogenheiten fortsetzen.

Welche fotografischen Herausforderungen mussten Sie bewältigen?
Rückblickend sehe ich zwei: Das Gewicht der Foto-Ausrüstung darf nicht zur Last werden. Die Wege zwischen den Klöstern sind sehr anstrengend, lang und steil. Dazu kommt das Gewicht von Wasser und Proviant. Und man muss seine Kamera blind beherrschen. Ein geschulter und sicherer Blick für Licht und Momente ist entscheidend für die Bilder in der Kirche. Blitzen ist verboten, oft entscheidet eine Millisekunde, ob man das Bild, das man sich vorstellt, bekommt.

Wie war die Arbeit mit der Leica M10? Welche Objektive haben Sie verwendet?
Ich bin froh, dass ich mich bei diesem Projekt für eine Leica M10 entschieden habe. Eine analoge Leica wäre auch eine gute Wahl gewesen, vielleicht sogar besser, da man sich keine Gedanken über die Laufzeit des Akkus machen muss. Die Leica M ist leicht, schnell und dank der manuellen Fokussierung sehr gut geeignet, um diskret zu fotografieren. Ich hatte drei Objektive: ein 28er-Elmarit-M, ein 50er-Summilux-M und das Thambar-M 90. Das Summilux setzte ich für Innenaufnahmen ein, das Elmarit und das Thambar für Landschaftsaufnahmen. Besonders die verträumte, mittelalterlich anmutende Kulisse der Insel hat von der einzigartigen Thambar-Optik profitiert.

Wie sind Sie mit Ihren Protagonisten in Kontakt gekommen und wie haben sie auf Sie reagiert?
Es gibt einige Besucher auf der Insel, mit denen man schnell ins Gespräch kommt. Auch mit den Mönchen kommt man ins Gespräch, wenn man sie nicht bei der Arbeit oder beim Gebet stört. Nach dem Abendessen haben die meisten Mönche Zeit und auch Interesse, mit den Besuchern zu sprechen. In manchen Kirchen ist das Fotografieren verboten. Oberstes Gebot: Als Fotograf nicht stören oder sensationslüstern sein. Das könnten die Mönche als Eingriff in ihre Welt empfinden.

Wie lange waren Sie in der Mönchsrepublik und welcher Aspekt wird Ihnen in besonderer Erinnerung bleiben?
Als Besucher darf man fünf Tage auf der Insel bleiben. Aber auch nach dieser relativ kurzen Zeit in dieser anderen Welt bemerkte ich danach im lauten, hektischen Alltag von Thessaloniki den Unterschied: Wertschätzung für die Ruhe und für eine besondere Klarheit der Gedanken. Zusammen mit dem Kräutertee aus dem Kloster hat mich diese Erfahrung auch zu Hause in Leipzig noch lange positiv begleitet.

Hat Sie das Projekt auf persönlicher Ebene etwas gelehrt?
Als jemand, der nicht religiös ist, fand ich die mystische Atmosphäre sehr faszinierend, die Unaufdringlichkeit und die enorme Gastfreundschaft der Mönche haben alle kritischen Gedanken, die ich im Vorfeld hatte, gemildert. Was hier noch zu erwähnen wäre: Der Aufenthalt auf der Insel, die Übernachtungen und die Verpflegung in den Klöstern sind für die Besucher kostenlos. Man darf an den Gottesdiensten teilnehmen, auch am gemeinsamen Frühstück und Abendessen. Diese Gastfreundschaft verstehen die Mönche als einen wichtigen Auftrag: Athos soll ein Ort sein, an dem man Ruhe und Abgeschiedenheit genießen kann, um sich auf die innere Einkehr zu konzentrieren. Es ist ein Ort der spirituellen Energie und der Schönheit der Natur.

Der Porträt- und Dokumentarfotograf Ruslan Hrushchak, geboren in der Ukraine, lebt derzeit in Leipzig. Er studierte Fotografie an der Ostkreuzschule Berlin, Journalismus in Lwiw und Informatik in Leipzig. Zudem ist er Gründer der appPlant GmbH, eine Firma für die Entwicklung mobiler Software, und hat an der Universität Leipzig Softwaretechnik unterrichtet. Im Laufe der letzten Jahre gab es zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen mit seinen Arbeiten, unter anderem in Berlin, London, New York und Tokio. Sein erstes Fotobuch The Road Beyond ist 2022 in Berliner Verlag kominek erschienen. Mehr über die Fotografie von Ruslan Hrushchak erfahren Sie auf seiner Website und in seinem Instagram-Kanal.

Leica M

Die Leica. Gestern. Heute. Morgen.