Ava Pellor hat selbst als Model gearbeitet und weiß genau, wie sich Menschen vor der Kamera fühlen. In solchen Momenten authentisch zu bleiben, ist Voraussetzung für die, die für sie modeln, aber auch für die Fotografin selbst. Pellor sprach mit uns über den großen Vorteil, bei sich zu Hause zu fotografieren, und über die Idee, die sie mit dieser Serie ausdrücken möchte: dass es sich nur um Momentaufnahmen auf der Lebensreise aller Lebewesen handele.

Warum ist die Fotografie Ihre Ausdrucksform?
Fotografie war schon immer eine Möglichkeit für mich, mit der Welt zu kommunizieren. Ein Großteil meiner Arbeit besteht in der Annäherung an oder die Beobachtung der menschlichen Form. Es ist eine fortlaufende Erforschung von Schönheit und der konventionellen Stereotype, die die Gesellschaft Schönheit zuschreibt.

Ziehen Sie auch andere Kunstformen an?
Als ich aufwuchs, habe ich gezeichnet, gemalt, musiziert – eigentlich alles, was ich in die Finger bekommen konnte. Als Teenager fand ich auf einem verstaubten Regal im Schrank meiner Mutter die defekte Filmkamera meines Großvaters. Ich tat so, als sei es eine funktionierende Kamera, die ich benutzte. Als ich beschloss, nach New York zu ziehen, hatte ich endlich die Mittel, um sie reparieren zu lassen. Danach war ich total begeistert vom Film, der Fotografie und davon, die flüchtigen Momente festzuhalten, die sonst verloren wären.

Wie kam es, dass Porträtfotografie Ihr wichtigstes Sujet wurde?
Ich liebe Porträts. Eine Verbindung zu einer Person aufzubauen und eine fragile, aber sichere Umgebung für alle im Raum schaffen. Man begegnet so vielen Emotionen, wenn man so intime Porträts fotografiert: Stärke, Neugier, Schmerz, Schönheit. Man sieht es an den Körpern, der Art und Weise, wie sie sich bewegen. Den Porträtierten einen sicheren Ort zu bieten, an dem sie sich wohl fühlen, ist ein wichtiger Teil des Prozesses.

Ist Woher wir kommen Ihr eigenes Projekt oder ein Auftrag?
Es ist ein persönliches Projekt, an dem ich seit über einem Jahr arbeite. Ich brauchte etwas, das mich inspirierte, etwas, was ich liebe – ohne den Druck, einen Auftrag oder eine Deadline zu haben. Das hält meine Seele intakt, anders als bloß für andere Menschen zu arbeiten.

Wo haben Sie fotografiert?
Die meisten dieser Porträts habe ich in meinem „Studio“ in New York geschossen: Es ist nur ein Hintergrund in meiner Wohnung, der an einer Gardinenstange befestigt ist. Wegen des Gefühls der Intimität, das damit einhergeht, fotografiere ich persönliche Arbeiten immer gern bei mir zu Hause.

Welche Bedeutung hat der Titel Ihrer Serie?
Es ist ein Weg zu verstehen, woher wir kommen und wohin wir zurückkehren werden.

Die Blumen sind also Metaphern, die mit diesem Gedanken verbunden sind?
Ja. In dieser Serie von Diptychen geht es darum, dass die Betrachtenden durch die Gegenüberstellung von Blumen und Porträts sich unserer Sterblichkeit stellen, die Seite an Seite mit der Energie des Lebens selbst existiert. Ich möchte sie mit der Vorstellung konfrontieren, dass sich meine Bilder gegen die Stereotype von Schönheit und wie Menschen auszusehen haben richten. Ich hoffe auf eine Reaktion.

Was bedeutet Ihnen Licht und wie setzen Sie es ein?
Die Beleuchtung spielt in vielen meiner Arbeiten eine große Rolle und ich experimentiere gern damit. In diesem Projekt arbeite ich ausschließlich mit natürlichem Licht. Ich möchte, dass die Fotos so rau wie möglich sind. Künstliches Licht nutze ich nur selten, es sei denn für Kunden und wenn es unbedingt erforderlich ist. Ich versuche immer, viel Kontrast in den Bildern zu haben. So kann ich mehr Information und Tiefe vermitteln.

Wie wichtig ist das Model für Ihre Arbeit?
In diesem Prozess ist das Model ein sehr wichtiges Element. Es geht um die Verbindung mit der Person und wie wir einander wahrnehmen, im Alltag und während des Shootings.

Was schätzen Sie besonders an der Arbeit mit Ihren Models?
Ich schätze das Vertrauen, das sie mir entgegenbringen. Es ist sehr schwierig, in einen Raum zu gehen, zumeist mit einer fremden Person, und fotografiert zu werden. Ich kenne das aus meinen eignen Erfahrungen als Model. Ich nehme mir immer die Zeit, einfach mit jemandem zusammenzusitzen, zu reden und seine Geschichten zu hören. Sich einfach wohl zu fühlen. Sobald man den Sucher vor dem Auge hat, verdeckt die Kamera das Gesicht und die Verbindung geht oft verloren. Alles, was die Person mir gegenüber sieht, ist die Kamera, die auf sie gerichtet ist. Sie sieht mich nicht, aber sie weiß, dass ich sie sehe. Das ist hart und ich schätze die Stärke, die sie in dieser Position trotzdem haben.

Ava Pellor, 1999 in Elmira, New York, geboren, entschied sich nach dem kurzen Besuch einem Art Colleges im Bundesstaat New York vor fünf Jahren, eine freiberufliche Karriere als Fotografin zu beginnen. Die Autodidaktin produzierte Fotoserien für die National Gallery of Victoria in Australien und für den mexikanischen Fashion-Designer Jose Gonzalez. Ihre redaktionellen Serien erschienen in Zeitschriften wie Paper, Moevir, Goji, Flanelle, Gelatin, Gata und Document Journal. Erfahren Sie mehr über die Fotografie von Ava Pellor auf ihrer Website und in ihrem Instagram-Kanal.

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