Es war heiß und laut und bunt: Sechs Monate lang lebte und arbeitete Jan Michalko auf Sri Lanka. Dort sind situative, farbenfrohe Bilder aus Alltag und Kultur des Landes entstanden – so fantasie- wie geheimnisvoll.

Was macht Sri Lanka für Sie besonders?
Die Insel ist einfach wunderschön: Überall stehen Palmen, auch mitten in den Städten, etwa in der Hauptstadt Colombo. Die Vegetation ist sehr variationsreich und das Land zeichnet sich auch durch den 50er-Jahre Stil in der Architektur aus. Es scheint, dass an manchen Orten der Insel die Zeit stehen geblieben ist – das finde ich faszinierend. Mich reizen auch die üppigen Farben – ob nun in der Natur oder auf der Straße, auf den Wänden, den Bussen oder den Gegenständen des täglichen Lebens. Ich kann mich dort perfekt in eine komplett andere Welt versetzen.

Vor welche Herausforderungen stellt Sri Lanka einen Fotografen?
Es ist heiß. Wirklich heiß. Manchmal besteht die Herausforderung schon darin, bei dieser Hitze überhaupt das Haus zu verlassen und dann auch noch motiviert zu sein, Bilder zu machen – mit einer relativ schweren Ausrüstung im Gepäck. Wenn du einmal draußen in der Hitze bist, brauchst du Geduld: Wann kommt der Zug? Wann der Bus? Wo ist der Ticketschalter? Alles dauert dort sehr lange. Das Gefährlichste an Sri Lanka ist – ähnlich wie in Indien – der Straßenverkehr. Viel zu viele Menschen tummeln sich in zu kleinen Räumen: in Tuk Tuks, auf Motorrädern, in Lastwagen, Bussen. Manchmal passieren Unfälle.

Ihre Schwester ist an der Serie nicht ganz unbeteiligt.
Anfang 2018 begleitete ich meine Schwester Monika Michalko und ihre Familie nach Colombo. Ihr Mann leitete ein Start-up-Projekt bei einer NGO, das ich anfangs für eine Dokumentation fotografierte. Ich habe aber die meiste Zeit von früh bis spät allein in den Straßen, auf Märkten, an Kreuzungen und Bahnhöfen fotografiert. Nach einiger Zeit arbeiteten Monika und ich künstlerisch zusammen – sie ist Malerin und wir ergänzten uns in Form, Farbe, gestalterischen Prinzipien. Schon das tägliche Leben auf Sri Lanka inspirierte uns und wir tauschten uns über unsere Eindrücke aus: Palmen, Szenen in Geschäften, Moskitos, das Tropische im Urbanen. Monika malte dann beispielsweise Flächen und Farben, die ich draußen auf meinen Touren wieder aufgegriffen habe. Oder ich zeigte ihr die Fotografien des Tages mit bunten Lastern, tropischer Vegetation, kolonialer Architektur, die sie in ihre Bilder einfließen ließ. Daraus entstand die Ausstellung In the Tropics the hair feels different.

Welche Bedeutung haben Grafik und Komposition in Ihren Arbeiten?
Ich inszeniere meine Bilder nicht, ich gebe den Menschen keine Anweisungen, ich lasse die Situationen einfach entstehen. Dafür verweile ich lange an einem Ort, lerne ihn langsam kennen. Ich sehe meist erst den passenden Hintergrund – eine bunt gemusterte Fläche, abgeblätterte Farben, lustige Alltagsgrafiken, Linien, Tupfer, Flecken. Wenn dieser „imaginierte Raum“ für mich stimmt, dann passiert das Fotografieren wie von selbst. In Sri Lanka habe ich mich auf die Formen und das Grafische in den Bildern konzentriert. Früher bin ich quasi den Menschen hinterhergerannt, um sie zu fotografieren, heute fungieren sie eher als Statistinnen oder Statisten, sind Teil einer Komposition. Bei einem guten Bild stimmt für mich die Komposition ganz genau: Jede Position, jede Geste steht im Zusammenspiel mit dem Hinter- und Vordergrund des Fotos.

Was drücken Farben für Sie aus?
Farbe bedeutet für mich Lebendigkeit und ist im Prinzip das Leitmotiv meiner fotografischen Arbeit. Ich fotografiere nicht die Inhalte. Wenn etwa jemand in Indien Chai kocht, dann ist nicht das Teekochen das Interessante. Es sind das metallische Glänzen des Kessels, der Dampf, die pinke, zerrissene Plastikplane im Hintergrund, die mich reizen, die Kombination aus Farben, Formen und Linien.

Sie haben zwei Leica Kameras benutzt: die M (Typ 240) und die M10.
Das M-System von Leica ist großartig – für meine Zwecke musste ich allerdings noch etwas nachhelfen. Ich habe die Blitzverbindung so umgebaut, dass sie für mein Fotografieren geeignet war. Dafür habe ich mir ein Blitzkabel angefertigt und es mit dem Transmitter verbunden. Den Transmitter habe ich dann nicht – wie üblich – oben auf der Kamera befestigt, sondern an meinen Gürtel gehängt. So konnte ich die Kamera einfacher handhaben. Die Blitze habe ich auf kleinen und großen Stativen positioniert, auf Kisten gelegt, in Bäume gehängt oder an Tuk Tuks befestigt und dann im Vorbeifahren fotografiert und geblitzt. Manchmal habe ich auch Leute in der Nähe spontan zu meinen Assistenten gemacht und ihnen die Blitze in die Hand gedrückt.

Wie haben Sie das Blitzen für sich entdeckt?
Die Idee hatte ich schon vor Jahren auf einer Reise durch Indien. Was das mit meinen Bildern macht? Ich mag es einfach „candy“, also farbenfrohe, poppig-bunte Situationen. Das Blitzen hat noch eine weitere Qualität: Grelles, helles Licht ist auffällig und weckt sofort Aufmerksamkeit. Die Menschen drehen sich neugierig nach dir um, sie sind irgendwie verwirrt und du stehst ganz kurz im Mittelpunkt. Dieser Moment der Überraschung lässt sich sehr gut nutzen, er eröffnet eine Art kleine Tür und zeigt einen speziellen Aspekt der fotografierten Personen.

Jan Michalko, Jahrgang 1975, begann als Autodidakt und wurde dann für die Joop Swart Masterclass von World Press Photo ausgewählt. Er ist für zahlreiche Projekte durch Europa, Asien und andere Länder und Regionen gereist. Er lebt in Berlin und arbeitet als freiberuflicher Fotograf mit den Schwerpunkten Reportage- und Dokumentarfotografie. Seine Arbeiten wurden im In- und Ausland publiziert und ausgestellt. Erfahren Sie mehr über die Fotografie von Jan Michalko auf seiner Website und in seinem Instagram-Kanal.

Leica M

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