Mit der neuen Leica M11 Monochrom und der Leica SL2 hat Alwin Maigler Mitglieder des Stuttgart Balletts fotografiert. Es handelt sich weniger um Porträts der Protagonistinnen und Protagonisten, sondern um Porträts ihrer Bewegungen. Ihnen spürte Maigler nach und fand dabei, dass es die Räume und Momente zwischen zwei Bewegungen sind, die ihn faszinieren. Entstanden sind poetische Studien mit kraftvollem Ausdruck, die in Kürze auch in der Leica Galerie Stuttgart zu sehen sind. Wir sprachen mit dem Fotografen über seine Bewunderung für Tänzerinnen und Tänzer, das Zusammenspiel von Beleuchtung und Bewegung und die Grenzen des Mediums Fotografie.

Wo sind die Bilder entstanden, in welchem Zeitraum haben Sie Ihre Serie Nuancen fotografiert?
Begonnen habe ich die Arbeit an Nuancen bereits 2020 während des Lockdowns im Winter. Die ersten Bilder habe ich wegen des Lockdowns in meinem zum Studio umfunktionierten Wohnzimmer fotografiert. Als sich abzeichnete, dass ich mich mehr mit Tanz und Bewegung auseinandersetzen wollte, verlagerte ich das Setting in mein kleines Studio in Stuttgart-Mitte. Das Hygienekonzept des Balletts ließ es damals nicht zu, dass man vor Ort fotografiert. Tanz lebt von Körperkontakt – eine schwere Kunstform während Kontaktbeschränkung.

Was hat Sie beim Fotografieren besonders herausgefordert?
Technisch waren es vermutlich die Voraussetzungen, die ich mir selbst gesetzt hatte: Bei Tanz und Bewegung geht es zum Teil extrem schnell zu – das in einem Studio vorwiegend ohne Blitz, mit natürlichen Licht einzufangen, ist nicht das Einfachste.

Dem Licht kommt gerade in Nuancen eine zentrale Bedeutung zu. Welche Besonderheiten gab es in dieser Hinsicht?
Da der Ansatz ein sehr reduzierter, puristisch-natürlicher sein sollte, arbeitete ich vorwiegend mit meinem Fensterlicht im Studio, das von rechts kommt. Für ein paar Motive nutzte ich eine Misch-Technik aus Blitz und Available Light oder Dauerlicht in Kombination mit einer längeren Verschlusszeit ein, um gewisse dynamische Bewegungen einzufangen. Ich habe ohne Stativ aus der Hand gearbeitet, um flexibel auf die Tänzerinnen und Tänzer und ihre Bewegungen reagieren zu können.

Wo stößt Fotografie dabei an ihre Grenzen?
Generell lässt sich natürlich vor allem das Paradoxon aufgreifen, ob es überhaupt möglich ist, ein fluides Medium wie Tanz in ein statisches Medium wie Fotografie zu transkribieren. „Bewegung festhalten“ – kann man überhaupt etwas festhalten, was sich bewegt?

Zu welchen Erkenntnissen sind Sie gekommen?
Es hat sich immer mehr herauskristallisiert, um was es eigentlich geht: Das, was beim Tanz zwischen den Takten, zwischen den Noten geschieht, die Nuancen, zwischen dem Schwarz und Weiß – dort liegt mein Interesse als Fotograf. Nicht ob die Figuren vollständig akkurat oder korrekt ausgeführt sind, sondern die Herausforderung des Einfangens dieser flüchtigen Zwischenräume.

Was haben Sie neben den Bewegungen ins Zentrum ihrer Serie gestellt?
Die Körperlichkeit und das Figurative der Tanzenden. Die Symbiose des statischen Mediums der Fotografie und dem fluiden des Tanzes wird zum Forschungsgegenstand. Durch das bewusste Weglassen der Gesichter bei einem Großteil der Bilder gibt es eine gewisse „Entfremdung“, die dem Figurativen der Körper noch mehr Kraft gibt. Man konzentriert sich dadurch noch mehr auf das, was im Bild geschieht. Außerdem wollte ich mich von stereotypen Sehgewohnheiten lösen und nicht nur ästhetische Körper darstellen. Deshalb zeige ich zum Beispiel auch einen männlichen Oberkörper in einer verletzlichen Pose.

Welche Besonderheiten gibt es in der Zusammenarbeit mit Tänzerinnen und Tänzern?
Ehrlich gesagt spricht ihre Ästhetik für sich. Es ist keine Kunst, die Mitglieder des Ensembles zu fotografieren, da Sie selbst bereits Kunstwerke sind. Alles an ihnen ist beeindruckend, diese Menschen stehen nicht umsonst auf Bühnen. Hier vereinen sich neben Schönheit und Charisma, Kreativität, Ausdruckskraft und Körperlichkeit zu dem Limit, was ein Mensch zu leisten vermag. Nuancen ist ein Versuch meiner Bewunderung und meinem Respekt Ausdruck zu verleihen, den ich für deren Leidenschaft und die harte Disziplin habe.

Mit welchem Equipment haben Sie fotografiert?
Die Arbeit ist vor allem mit der Leica SL2 mit dem APO-Summicron-SL 1:2/35 ASPH. und dem APO-Summicron-SL 1:2/90 ASPH. entstanden. Die Key-Motive für die Ausstellung habe ich mit der M11 Monochrom fotografiert. An dieser Kamera habe ich das APO-Summicron-M 1:2/35 ASPH. und das APO-Summicron-M 1:2/50 ASPH. verwendet.

Nach welchem Gesichtspunkt haben Sie die Hintergründe ausgewählt?
Das war eher eine intuitive Entscheidung. Für manche Personen und Motive fühlte sich ein weißer, für andere wiederum ein schwarzer Hintergrund geeigneter an. So wie wir alle eher schüchtern oder aufgeschlossen, eher ernst oder lustig, warmherzig oder eher reserviert sind – so verhalten sich auch die Protagonistinnen und Protagonisten, wenn sie tanzen – ohne dass ich mir anmaßen würde, in den zwei bis drei Stunden, die ich sie jeweils vor der Kamera hatte, einen Einblick in ihre Seelen bekommen zu haben.

In ihrer aktuellen Ausstellung in Stuttgart zeigen Sie 30 ausgewählte Motive, die auf besondere Weise geprintet wurden.
Ich habe mich für das analoge Carbon-Doppel-Transfer-Verfahren entschieden, das der Printer Mario P. Rodrigues meisterlich beherrscht. Es verstärkt die Details und den Charakter jedes einzelnen Prints. Von jedem Bild wird es nur ein einziges Exemplar geben, sodass meine Ausstellung ausschließlich aus Unikaten besteht.

Alwin Maigler
Geboren 1996 in Riedlingen an der Donau. Er ist Autodidakt und assistierte mehreren Fotografinnen und Fotografen. 2019 wurde er Junior Member im BFF – 2021 war er der jüngster BFF Professional in der Verbandsgeschichte. Seit 2020 studiert er an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste in Stuttgart. Maiglers Schwerpunkte sind Mode-, Porträt- und Kunstfotografie. Er ist Partner der Leica Camera AG. Seine Arbeiten erschienen unter anderem in Magazinen wie Harper’s Bazaar, Cosmopolitan und Marie Claire. Erfahren Sie mehr über die Fotografie von Alwin Maigler auf seiner Website www.alwinmaigler.de und in seinem Instagram-Kanal @alwinmaigler.

Ausstellung:
Alwin Maiglers Serie Nuancen ist vom 21. April bis zum 17. Juni 2023 in der Die Leica Galerie Stuttgart zu sehen.