Im Rahmen eines dreiteiligen Projekts für die norwegische Zeitung Verdens Gang hat sich Espen Rasmussen illegaler Adoptionen angenommen. Das Blatt hatte die Fälle ecuadorianischer Kinder aufgedeckt – illegale Adoptionen, von denen die norwegischen Behörden seit 1989 wussten. Mit einer Leica Q2 hat der Fotograf Simon Eriksen Valvik auf der Suche nach seiner leiblichen Mutter begleitet und die erste Begegnung mit ihrem inzwischen über 30 Jahre alten Sohn im November 2022 dokumentiert. Rasmussen sprach mit uns über seinen Arbeitsprozess und die Geschichte hinter dem Projekt.

Wie wählen Sie Ihre Themen aus?
Ich arbeite auf unterschiedliche Weise, je nach Geschichte und Projekt. Oft sind es meine eigenen Ideen, die ich durch Recherche und Kontakte mit den Menschen entwickele. Da ich für eine Zeitung arbeite, sind die Projekte, an denen ich arbeite, oft mit Herausforderungen in Norwegen oder der Welt verbunden – politisch, ökologisch oder sozial.

Worauf konzentrieren Sie sich bei der Arbeit?
Für mich geht es immer um die Menschen, die ich treffe. Ich versuche, sie so gut wie möglich kennenzulernen, um ihre Lage und Gefühle in meine Bilder übersetzen zu können.

Wie sind Sie auf die illegalen Adoptionen in Norwegen gestoßen?
Bei diesem Projekt lag der Fall etwas anders. Ich habe mich mit einer Gruppe investigativer Journalisten bei der Zeitung Verdens Gang, für die ich arbeite, angeschlossen. Sie hat sich um die Texte gekümmert, recherchiert und Interviews geführt, ich habe die Fotos dazu gemacht. Es ist eine interessante, aber schockierende Geschichte: Vor 30 Jahren sind mehrere ecuadorianische Kinder gegen den Willen ihrer Eltern in Norwegen adoptiert worden. Das war bereits in den 1980er-Jahren bekannt, aber nicht das ganze Ausmaß. Den Reportern gelang es, mehrere Kinder aufzuspüren; sie arbeiteten in Archiven in Ecuador und dokumentierten, wie Kinder nach Norwegen entführt worden waren – und wie das Adoptionsunternehmen zusammen mit norwegischen Behörden versucht hat, das zu vertuschen.

Sind illegale Adoptionen in Norwegen ein großes Problem?
So würde ich das nicht sagen, aber nachdem das Investigativteam mehrere Monate an dem Projekt gearbeitet und mehrere adoptierte Kinder, die jetzt als Erwachsene in Norwegen leben, befragt hatte, fand es Beweise dafür, dass das in den 1980er- und 90er-Jahren keine Einzelfälle waren. Die Recherchen führten auch zu dem Adoptionsunternehmen, das daran beteiligt war, und enthüllten die Methoden von Anwälten und Kriminellen in Ländern wie Ecuador, die nach Kindern für die Adoption in Norwegen suchen. Es geht dabei um viel Geld. Das Investigativteam arbeitet noch an diesem Projekt.

Wie haben Sie Simon, Ihren Protagonisten, gefunden? Ein Anwalt in Ecuador hat Simon gekauft und dann zur Adoption nach Norwegen gegeben, nicht wahr?
Ja, er war einer der ersten. Nachdem seine norwegische Mutter vor einigen Jahren verstorben war, hatte Simon schon selbst viel geforscht. Als wir ihn letztes Jahr trafen, besaß er viele Dokumente und hatte Verdacht geschöpft. Die Reporter von Verdens Gang halfen bei weiteren Nachforschungen und fanden einige Anhaltspunkte. Ein Kollege und ich trafen Simon in seinem Zuhause in Kristiansand in Südnorwegen. Dort vereinbarten wir, zusammen nach Ecuador zu reisen, um in Otavalo, einer etwa eine Autostunde von Quito entfernten Stadt, zum ersten Mal seine Familie zu treffen.

Worauf haben Sie sich bei diesem Projekt konzentriert?
Je mehr das Investigativteam herausfand, desto schockierender wurde Simons Geschichte. Seine leibliche Mutter, damals 15, war gezwungen, Simon an einen Anwalt zu verkaufen, und stand später in Ecuador vor Gericht, weil sie an der Entführung eines weiteren Kindes für eine Adoption beteiligt war. Entsprechend gemischt waren Simons Gefühle vor der Begegnung mit seiner Mutter. Aber sie war erst 15 und bei diesen Adoptionen gab es viel Druck und Kriminelle, deren Opfer seine Mutter wohl war.

Wann ist Ihre Serie entstanden?
Die ersten Bilder habe ich im Oktober 2022 in Simons Wohnung in Kristiansand gemacht und im Monat darauf waren wir neun Tage in Ecuador.

Welche Intention stand hinter diesem Projekt?
Das Wichtigste war aufzudecken, was an Simons Adoption illegal war. Und zu dokumentieren, dass es nicht nur ein Kind gab, das in Norwegen illegal adoptiert worden war. Wir wollten auch Druck auf die Verantwortlichen ausüben, damit sie erkennen, was ihre Handlungen ausgelöst haben. Für Simon war es sehr emotional: Er hatte den Kontakt zu seiner Familie verloren und die Art und Weise, wie er adoptiert wurde, war nicht korrekt. Einige, die das erlebten, haben wegen der Adoption mental und emotional schwere Zeiten durchgemacht, während andere in der Lage waren, auf eine gute Weise damit umgehen zu können. Ich denke, Simon gehörte zu denen, die gut und stark damit umgegangen sind, auch wenn es schwer herauszubekommen war, was tatsächlich passierte, als er als kleines Kind adoptiert wurde.

Espen Rasmussen, Jahrgang 1976 und derzeit in der Nähe von Oslo lebend, hat an der OsloMet University Fotojournalismus studiert. und arbeitet als Bildredakteur und Online-Produzent bei Verdens Gang, Norwegens führender Tageszeitung. Zuvor war er Bildredakteur bei Helg, dem Wochenendmagazin der Zeitung. Daneben arbeitet Rasmussen kontinuierlich an eigenen Fotoprojekten. Er konzentriert sich insbesondere auf humanitäre Fragen und Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Das Mitglied der Fotoagentur VII hat zahlreiche Preise erhalten, darunter 2007 und 2018 der World Press Photo, mehrere Picture of the Year International und zuletzt 2022 der BarTur Photo Award. Seine Arbeiten sind in zahlreichen internationalen Magazinen und Zeitungen erschienen. Erfahren Sie mehr über die Fotografie von Espen Rasmussen auf seiner Website und in seinem Instagram-Kanal.

Leica Q

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