Für ihn ist die Mongolei fast schon ein zweites Zuhause: Mehr als ein halbes Dutzend Mal war Sven Zellner bereits in dieser unwirtlichen Region, um Zeit mit den dort lebenden Nomadenvölkern zu verbringen und in ihren Alltag einzutauchen. Immer dabei: sein Film- und Fotowerkzeug. Das Ergebnis seiner Trips ist nicht nur eine international ausgestrahlte und preisgekrönte Dokumentation, sondern auch zahlreiche einzigartige Aufnahmen.
Wie kann man sich den Alltag der Nomaden vorstellen?
Der Alltag der Nomaden kann sehr unterschiedlich sein und lässt sich nicht so einfach verallgemeinern; sie teilen jedoch alle ein Leben mit der Natur unter recht extremen klimatischen Bedingungen. So etwas wie Ackerbau ist in den mongolischen Wüsten und Steppen nicht möglich. Die Nomaden müssen ihr Vieh regelmäßig weitertreiben, damit die Tiere die Vegetation nicht vollständig zerstören. Insofern leben Nomaden immer am Rande einer ökologischen Katastrophe und benötigen sehr viel Fläche, um keine bleibenden Schäden zu verursachen. Vor allem Ziegen, die neben dem Fleisch auch die wertvolle Kaschmirwolle liefern, können große Schäden anrichten, da sie die Pflanzen mit den Wurzeln fressen. Darum bemühen sich Nomaden immer, eine gemischte Herde mit einem hohen Anteil an Schafen zu unterhalten. Daneben haben sie normalerweise Pferde und oft auch Kamele, Rinder oder Yaks. Sie verwerten neben der Wolle auch die Milch und das Fleisch und versorgen sich damit vor allem selbst. Durch ihre Lebensweise sind sie extrem vom Klima abhängig – bereits kleine Veränderungen können zu Katastrophen führen und sie dazu zwingen, ihre Lebensweise aufzugeben. In den letzten Jahren haben extreme Trockenheit, Starkregen aber auch extreme Winter den Nomaden in der Mongolei sehr zugesetzt.


Wie haben Ihre Protagonisten auf Sie als Fotografen reagiert?
Die Menschen sind immer sehr herzlich und gastfreundlich, sie teilen bereitwillig ihr Essen und ihre Schlafplätze. Sie sind sehr bescheiden und zurückhaltend, und es ist wichtig, sich ebenso zu verhalten, die Situation nicht auszunutzen und niemals geizig sein. Teilen und hilfsbereit sein lautet die Devise – und nicht aufdringlich. Ich bin selbst eher scheu und möchte die Leute auch nicht einfach so fotografieren. Ich warte lieber ruhig, und mit der Zeit beginne ich auch Fotos zu machen. Aber ich versuche, das nicht zu sehr in den Vordergrund zu stellen.
Gab es große sprachliche oder kulturelle Hürden zu überwinden?
Ich kenne die mongolische Kultur schon sehr lange und war als Student der Filmhochschule mehrmals mit dem Regisseur Batmunkh Sukhbaatar in der Mongolei. Ich bin dort viel gereist und verbrachte große Teile meiner Zeit mit Mongolen, die keine Fremdsprachen sprechen. Ich verstehe die Sprache mittlerweile sogar ein wenig und ich arbeite seit vielen Jahren mit der mongolisch-deutschen Regisseurin Uisenma Borchu zusammen.
Was waren in fotografischer Hinsicht die größten Herausforderungen?
Die Fotos, über die wir gerade sprechen, sind auf einer Reise entstanden, bei der wir begonnen haben, für unseren Kinofilm Schwarze Milch zu recherchieren. Die Aufnahmen sind dabei eher nebenbei entstanden. Die größte Herausforderung war in diesem Zusammenhang das Fotografieren von illegalen Goldgräbern in der Gobi, von Kohleschürfern in Nalaikh – dem gefährlichsten Kohlebergwerk der Welt – und in Denjiin Myanga.
Wie lange waren Sie insgesamt schon in diesem Teil der Welt? Was konnten Sie persönlich von diesen Reisen mitnehmen?
Seit 2004 komme ich auf insgesamt acht Reisen, wenn ich mich nicht verzählt habe. Die Begegnungen mit allen möglichen und auch sehr unterschiedlichen Menschen in der Mongolei haben mich sehr bereichert. Die Wüste, die Stille und scheinbar endlose Weite aber auch die Gelassenheit, Geduld, Bescheidenheit und die menschliche Wärme der Nomaden bewegen mich und bringen mich dazu, mich stärker selbst infrage zu stellen. Das ist etwas, an dem ich mir als im Westen geprägter Mensch selbst ein Vorbild nehmen sollte.
Welche Kamera haben Sie benutzt, und inwiefern war sie bei der Umsetzung Ihrer Ziele von Nutzen?
Ich benutze die Leica M und dazu immer das Leica Summicron-M 1:2/35 Asph. Das fokussieren mit dem Messsucher ist schnell und präzise, und gleichzeitig ist die Leica M klein, leicht und unauffällig – ein sehr entscheidender Vorteil, wenn man sich beim Fotografieren nicht in den Vordergrund drängen möchte.
Auf welche Projekte kann man sich als Nächstes freuen?
Ich bin als Fotograf gerade auf der Suche nach neuen dokumentarischen Themen – unter anderem auch wieder in der Mongolei. Es ist im Moment schwer zu sagen, was genau kommen wird … Ich hoffe sehr, dass wir als Nächstes einen Kinospielfilm in der Mongolei drehen – das steht aber noch in den Sternen.
Sven Zellner studierte Bildgestaltung und Kinematographie an der HFF München und veröffentlichte seinen ersten Fotoband im Alter von 22 Jahren. Er ist Director of Photography von Filmen wie Walchensee Forever unter der Regie von Janna Ji Wonders sowie Schwarze Milch und Schau mich nicht so an unter der Regie von Uisenma Borchu. Er feierte sein Kino-Dokumentarfilmdebüt als Regisseur von Preis des Goldes. Seine Fotos erschienen unter anderem in Geo, der Zeit, dem Magazin und Terra Mater.
Erfahren Sie mehr über seine Fotografie auf seiner Webseite und seinem Instagram-Account.
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