Porträts, die nicht nur auffallen, sondern auch nachwirken: Mit Arbeiten aus vier Serien wird jetzt im Ernst Leitz Museum (vom 26. Juni bis zum 22. September 2024) deutlich, wie brillant Bryan Adams die fotografische Kommunikation mit den Porträtierten, aber auch mit dem Publikum beherrscht. Seit den 1990er-Jahren hat der 1959 in Kanada geborene und in London lebende Künstler – parallel zu seinen Erfolgen als Sänger, Songwriter und Produzent – seine rasante und sehr selbstbewusste Karriere als Fotograf verfolgt. Das schon im Teenageralter entwickelte Interesse an der Fotografie, die er zunächst nur als Hobby betrieb, ist längst zur intensiven Leidenschaft geworden, die ihn international auch als Fotografen erfolgreich werden ließ.
Die aktuelle Ausstellung in Wetzlar belegt eindrücklich die Wandlungsfähigkeit des Fotografen. So zeigt die bekannte und titelgebende Serie Exposed, ergänzt um die Gruppe In Colour, die Inszenierungen von berühmten Kolleginnen und Kollegen, Schauspielerinnen und Schauspielern, Models und Celebrities. Packende Porträts in spannenden Dialogen mit überraschenden Einblicken. Doch Bryan Adams fotografiert nicht nur berühmte Persönlichkeiten, wie zwei weitere Werkgruppen zeigen: Für Wounded: The Legacy of War porträtierte er 2011 kriegsversehrte britische Soldaten nach ihren Einsätzen in Afghanistan oder im Irak. Trotz aller schockierenden Einschränkungen stellten sich die jungen Männer und Frauen selbstbewusst dem Kamerablick des Fotografen. Mit ebenso großer Empathie hat sich Adams in der Serie Homeless Magazinverkäufern genähert, die in London das Obdachlosenblatt The Big Issue anbieten. Auch hier steht jedes einzelne Porträt für ein individuelles Schicksal. Wir sprachen mit dem Fotografen über die Kunst des Porträts.
Was ist für Sie ein gutes Porträt?
Ein gutes Foto ist eines, an das man sich erinnern kann, so einfach ist das.
Wie ist das Verhältnis zwischen Spontaneität und Inszenierung bei Ihren Porträts?
Immer wenn man die Kamera auf jemanden richtet, verändert sich sein Ausdruck und seine Körpersprache. Das Geheimnis besteht darin, die Leute nicht in Verlegenheit zu bringen, deshalb sind die besten Fotos manchmal die zwischen den Fotos.
Haben Sie spezielle Tipps für Fotografen, wie man am besten hinter die Oberfläche der porträtierten Personen gelangt?
Ich habe eigentlich keine Tipps. Ich erinnere mich, dass ich einen Clip über Garry Winogrand gesehen habe und wie er beim Fotografieren mit der Kamera herumfuchtelt. Das war clever. Ich erinnere mich auch daran, dass ich mit Andrew Catlin gearbeitet habe und seine Technik bei der Arbeit mit seiner Rolleiflex-Kamera gesehen habe, mit der man im Grunde geräuschlos und ohne die Notwendigkeit, überhaupt in die Kamera zu schauen, fotografieren konnte, weil sie mit einem Lichtschachtsucher ausgestattet war.
Ist es einfacher, Porträts von Freunden und Kollegen oder von Fremden zu machen?
Menschen sind meistens gleich, es sei denn, man fotografiert Profis, die wissen, wie man mit der Kamera umgeht, z. B. Models oder Schauspieler.
Gibt es Porträts, die einen besonderen Platz in Ihrem reichhaltigen Œuvre einnehmen und deshalb in keiner Ausstellung fehlen dürfen?
Ich denke, das ist völlig subjektiv, des einen Freud ist des anderen Leid. Jeder mag andere Dinge. Ich hatte einmal fünf Minuten mit Königin Elizabeth, das war schon etwas Besonderes.

Die Serie Wounded entstand 2011, hat aber nichts von ihrer Wirkung und Bedeutung verloren. Wie blicken Sie heute auf die Serie?
Die Wounded-Serie ist für immer, denn sie ist ein Dokument einer Zeit in der Geschichte, als die Soldaten aus den katastrophalen Kriegen im Irak und in Afghanistan zurückkehrten. Leider lernen wir nicht aus unseren Fehlern, und die Regierungen benutzen die Menschen als Kanonenfutter, um die Kriegsindustrie und ihre Profitmacherei aufrechtzuerhalten.
An welchen fotografischen Projekten arbeiten Sie derzeit?
Ich mache weiterhin Porträts von Leuten, fotografiere Musikvideos und Albumcover für Musik und gestalte gelegentlich Bücher.
Wenn Sie sich eine andere Leica Kamera wünschen könnten, welche wäre es? Digital oder analog?
Ich würde mir wünschen, dass Leica eine digitale Mittelformatkamera herstellt, die mit Fuji, Hasselblad und Phase One konkurriert. Das ist aber nur ein Traum.
Vielen Dank für das Gespräch. Und wir dürfen gemeinsam gespannt bleiben, wie die neuen Entwicklungen des Leica S-Systems aussehen werden.
Der Sänger, Songwriter, Produzent und Fotokünstler Bryan Adams wurde 1959 in Kingston, Ontario, Kanada, geboren. Veröffentlicht hat er seine Arbeiten u. a. in der britischen Vogue, der amerikanischen Vanity Fair, Harper’s Bazaar, der britischen GQ, Esquire, Interview und i-D. 2003 war er Mitbegründer des Kunstmodemagazins Zoo. Zu seinen Werbekampagnen gehören Marken wie Hugo Boss, Guess Jeans, Converse, Montblanc, Fred Perry und Escada sowie Automarken wie Jaguar und Opel. 2022 fotografierte er den Pirelli-Kalender. Mittlerweile hat er fünf Bildbände veröffentlicht: American Women (2004), Exposed (2012), Wounded: The Legacy of War (2013), Untitled (2015) und Homeless (2019). Erfahren Sie mehr über den Fotografen auf seiner Webseite.
Die Ausstellung im Ernst Leitz Museum Wetzlar entstand in enger Kooperation mit Crossover, Anke Degenhard.
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