2019 wurde Jan Frodeno zum dritten Mal Ironman-Weltmeister – als einziger Deutscher in der Geschichte dieser Veranstaltung. Seit 2016 begleitete der Berliner Fotograf Tino Pohlmann den Triathleten bei seinen Rennen auf Hawaii, im Allgäu, in Frankfurt, Hamburg und Nizza. Im Juli 2024 erschien seine Langzeitbeobachtung als Bildband unter dem Titel Till I Collapse – Jan Frodeno. Darin zeigt er den Kampf des Athleten mit sportlichen Gegnern und mit sich selbst, seine bedingungslose Hingabe an den Sport und das Leben des Athlethen. Hier gibt Tino Pohlmann Einblicke in die Entstehung seines Buchs.
Sie begleiten die Tour de France fotografisch seit 21 Jahren. Ihr gerade eben (im Juli 2024) erschienenes aktuelles Buch Till I Collapse – Jan Frodeno dreht sich um das Thema Triathlon bzw. Ironman. Wie sind Sie darauf gekommen?
Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich Jan Frodeno bei einem Aerotest auf einer Radrennbahn bei Köln zum ersten Mal traf. Irgendwie war er anders als andere Athleten, die ich vor ihm fotografiert hatte. Wir sprachen über Fotografie, er kannte sich aus. Das machte mich neugierig auf den damals frisch gekürten Ironman-Weltmeister. Erst im Jahre 2019, als ich reflektierte und anfing, das Gesehene um Jan Frodeno aus den letzten Jahren in Geschichten zu packen, entstand der Wille, das Ganze irgendwann in einem Buch zu veröffentlichen. Wann genau, war mir damals noch nicht klar, nur dass ich da gern weitermachen wollte.
Till I Collapse – Jan Frodeno ist ein fotografischer Essay über den Ausnahmetriathleten Jan Frodeno. Was hatten Sie dabei im Fokus?
Mich hat der Mensch Frodeno sehr interessiert und neugierig gemacht. Mithilfe meiner Kamera versuchte ich, ein Verständnis für das Großereignis Ironman, für den Extremsport und die Person Frodeno zu gewinnen. Versuchte das Gesehene zu destillieren, um es dann aus meiner Perspektive wiederzugeben. Big Island/Hawaii, Frankfurt, das Allgäu, Hamburg und Nizza sind die Stationen meiner Reise mit dem weltweit besten Triathleten, die dieses Buch dokumentiert.
Was lag im Vorfeld des Buchs?
Von 2016 bis 2023 konnte ich Jan Frodeno bei einigen der herausragendsten und vielleicht auch schwierigsten Momente seiner Profisportkarriere begleiten. So im Oktober 2019, als Jan den Ironman-Weltmeistertitel auf Hawaii noch einmal holte. Oder 2017, als Jans Körper streikte und sich die Aussicht auf den dritten Ironman-Titel in Folge plötzlich zerschlug. Für mich als Fotografen waren das jene Momente, in denen ich dem Menschen hinter dem Ironman näherkam, in denen ich verstand, was ihn antreibt und warum er diese sportlichen Grenzerfahrungen sucht.
Worin liegen die Herausforderungen, einen Spitzensportler oder überhaupt Sportler zu fotografieren?
Für mich ist es immer der Ansatz, Unmittelbarkeit zu versinnbildlichen. Es muss eine geistige und letztlich auch eine physische Nähe hergestellt werden. Dafür benötigt es etwas Feingefühl und auch Empathie für die Person und das Thema, um Teil der Szene, der Situation zu werden. Die räumliche Nähe möchte ich nicht über lange Brennweiten herstellen, vielmehr möchte ich selbst physisch nah dran sein. Wenn das gelingt, ist es für mich das Angenehmste, beim Arbeiten gar nicht bemerkt zu werden. Absolute gegenseitige Akzeptanz. Wenn du jemanden begleitest, der sich fast täglich im Grenzbereich befindet, musst du zusehen, dass du dich eher zurücknimmst und im entscheidenen Augenblick dann da bist und dein Foto machst.
Was war Ihr ästhetischer Ansatz?
Vielleicht haben die Bilder generell bei mir einen leicht cineastischen Look. Wobei die Lichtführung im Grunde ganz klassisch aufgebaut ist. Es sind ganz bekannte stilistische Mittel, die letztlich ein Raumgefühl oder eine Bildtiefe beim Betrachter vermitteln. Und die kleinen Dinge sichtbar zu machen, die einem z. B. als Zuschauer verborgen bleiben, ist mir wichtig. Wenn es gelingt, das dann auch in einem Moment festzuhalten, in dem z. B. jemand mit seiner Zeitfahrmaschine mit über 60 km/h an einem vorbeirauscht – dann fängt es an, ernsthaft Spaß zu machen.
Aus wie vielen Bildern etwa haben Sie den Edit für das Buch ausgewählt, wie sind Sie vorgegangen?
Aus all den Jahren existiert ein Archiv zum Thema mit etwa 12 000 Motiven, daraus habe ich eine Auswahl erstellt … Im Buch sind letztlich gut 200 Motive. Bei der Zusammenstellung ist mir wichtig, dass die Motive auch das Tragen, was ich zum Ausdruck bringen möchte. Es ist ein wenig wie ein gedruckter Film. Die Story muss getragen werden, es muss einen dramaturgisches Auf und Ab geben, um möglichst etwas Imaginäres zu erreichen, den Betrachter ins Thema direkt hineinzuziehen, ihn eintauchen zu lassen.
Hat ihre dokumentarische Arbeit an dem Projekt auf Sie persönlich abgefärbt?
Jans emotionale und körperliche Hingabe für den Sport hat mich sehr inspiriert. Für mich ist er einer der außergewöhnlichsten Menschen, denen ich je begegnet bin. Und so ist die Ironman-Weltmeisterschaft auf Hawaii für mich heute mehr als nur ein Rennen – vielmehr eine Metapher für das Leben selbst, ein Fest der Menschlichkeit und der unendlichen Möglichkeiten, die in jedem von uns schlummern.
Welche spannenden Projekte haben Sie als Nächstes vor?
Es geht weiter mit meinem Projekt 25 Jahre Tour de France, das 2028 veröffentlicht werden soll, und einer Publikation zur Tour de France Femmes, der Tour de France der Frauen, die innerhalb der nächsten sechs Monate veröffentlicht wird.
Tino Pohlmann
Jahrgang 1976, aus Frankfurt (Oder), besuchte ab 1989 die Sportschule Frankfurt (Oder) und war von 1986 bis 1996 Leistungssportler im Radsport. Er studierte Design an der HTW Berlin. Seit 2006 arbeitet er als freischaffender Fotograf sowie an eigenen künstlerischen Projekten. Zudem unterrichtet er seit 2015 als Dozent an der HTW Berlin. Zu seinen Sujets zählen Landschafts-, Porträt- und Sportfotografie. Für seine Arbeiten und Buchprojekte gewann er nationale und internationale Auszeichnungen. Heute lebt er in Berlin.
Die Veröffentlichung des Buchs wird von einer Wanderausstellung begleitet, präsentiert von Leica Camera Deutschland als offiziellem Partner. Kommende Termine: 17. Oktober 2024 im Leica Store Düsseldorf und 14. November 2024 im Leica Store/Galerie Stuttgart mit Vortrag von Tino Pohlmann und Führung durch die Ausstellung. Weitere Ausstellungen sind in Planung.
Format: 32 x 24cm, 254 Seiten, 200 Abbildungen, Englisch/Deutsch, Hardcover und erhältlich im Buchhandel und unter http://collected.photo
Equipment: Leica SL2, Vario-Elmarit-SL 1:2,8–4/24–90 Asph., Apo-Summicron-SL 1:2/75 Asph., Leica M11, Apo-Summicron-M 1:2/35 Asph., Apo-Summicron-M 1:2/50 Asph.
Website: pohlmann.photo | collected.photo
Instagram: @pohlmann.photo
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