Wenn Huw John eine M10 zur Hand nimmt, ist es für ihn wie ein Adrenalinrausch. Der britische Fotograf möchte keine komplexen Menüs und technische Spielereien, sondern er will sich voll und ganz auf seine Arbeit konzentrieren. In den letzten Monaten testete der begeisterte Leica Fotograf die M10-R auf Herz und Nieren und produzierte einen riesigen Output. Nach Tausenden Bildern lautet sein Fazit: „Die M10-R ist genau die Kamera, auf die ich gewartet habe – sowohl für meine Kunden aus der Wirtschaft als auch für die kreative Fotografie.“ Im Interview erzählt John vom Beginn seiner Passion, dem Umgang mit der M10-R in der Praxis und den ganz neuen visuellen Eindrücken während des Lockdowns.

Wann haben Sie angefangen zu fotografieren und wie hat sich daraus Leidenschaft entwickelt?
Zu meinem achten Geburtstag hat mein Vater mir eine Agfa 126 geschenkt. Die Fotografie hat mich immer stärker interessiert. In der Schule legte ich ein Fotografenexamen ab, bei dem mich Dennis Stephens betreute, ein angesehener britischer Pressefotograf, der eine Nachrichten- und Sportfotoagentur leitete. Als 16-Jähriger konnte ich mein erstes großes Sportbild in der Sunday Times veröffentlichen. Da ging ich noch zur Schule. Die nächsten fünf Jahre lernte ich, wie man Bilder für die einheimische Presse macht, wie man Schwarzweiß- und Farbfilme in der Dunkelkammer verarbeitet und wie man Bildausschnitte festlegt und druckt, bevor ein Bild an die Zeitung geht.

Mit welcher Kamera haben Sie Ihre ersten Leica Erfahrungen gemacht?
Mit einer Leica M6 TTL und einem 35-mm-Objektiv. Ich liebte die Haptik und Ergonomie des Kamera-Bodys und erinnere ich mich an die Vorfreude, nach der Entwicklung des Films zu sehen, was man aufgenommen hatte. Das war der aufregendste Teil im Prozess des Fotografierens, dann folgte das Festlegen des Bildausschnitts im Vergrößerungsgerät, das Abwedeln und Abschatten beim Entwickeln der Abzüge. Als die erste Leica Q auf den Markt, besaß ich noch keine digitale Kompaktkamera und beschloss, es mit der Q zu versuchen. Die Ergebnisse des Summilux 28 1:1.7 ASPH. versetzten mich in Erstaunen. Von der Q führte mich der Weg wieder zur Leica M, denn ich wollte auch mit der 50-mm-Brennweite fotografieren. Zunächst war es die M (Typ 240) und dann die M10-P – großartige Kameras für ruhige, überlegte Aufnahmen bei Produktionen und Veranstaltungen. 2016 hatte ich mir aus Neugierde Matt Stuarts Buch All That Life Can Afford gekauft. Die Technik und die Freude an der Leica erinnerten mich an die Freiheit und Einfachheit, mit der ich das Leben betrachtete und fotografierte, als ich neun Jahre alt war. Dann hatte ich das Glück, Workshops von Matt Stuart und Jeff Mermelstein zu besuchen – damit war mein Leica Weg geebnet.

Sie haben alle Bilder während der Corona-Einschränkungen gemacht. Wie haben Sie dabei empfunden?
Die Pandemie bedeutete, dass meine redaktionelle fotografische Arbeit zum Erliegen kam. Ein beispielloser globaler Umbruch. So etwas hat keiner von uns jemals zuvor erlebt. Alles fühlte sich in der Tat sehr seltsam an. Während des ersten Lockdown-Monats in Großbritannien bemerkte ich eine Veränderung der Umwelt. Der Lärm auf den Straßen verstummte. Menschen waren nicht zu sehen. Stattdessen schien es mehr Vögel in der Nähe zu geben. Das Wetter war erstaunlich heiß und sonnig, Tag für Tag. Die Qualität der Luft verbesserte sich, der Himmel wurde blau, ein richtig tiefes Azurblau, das mich an Strandurlaube in meiner Kindheit erinnerte. War das auf die fehlenden Flugzeuge zurückzuführen? Auf weniger Autos, Busse und Züge? Weniger industrielle Emissionen? Ich weiß es nicht, aber ich wusste, dass ich diese Veränderung fotografieren musste.

Sie waren einer der ersten, die die neue Leica M10-R getestet haben. Erinnern Sie sich an Ihre ersten Eindrücke?
Auf den ersten Blick sah die Kamera genauso aus wie eine M10 – abgesehen von der kleinen Gravur auf dem Blitzschuh. War es mit der größeren Pixelzahl schwieriger zu fokussieren? Nein. Bedurfte es sehr kurzer Verschlusszeiten, um die Kamera ruhig genug zu halten? Nein. An den glitzernden sonnigen Tagen erhielt ich die besten Farben, die ich je hatte. Die Detailauflösung ist enorm beeindruckend und knackig scharf, in Photoshop konnte ich oft sogar Textdetails bei 300 Prozent lesen. Wenn ich die Leica FOTOS App auf meinem iPhone nutze, erstellt die einfache neue Galerie eine schnelle Auswahl der Bilder, das funktioniert prima.

Ihre Aufnahmen sind sehr farbenfroh und leuchtend. Gibt es eine bestimmte Stimmung, die Sie beim Betrachter hervorrufen wollen?
Ich wusste, dass ich keine leeren Straßen oder Menschen mit Masken in Geschäften fotografieren wollte, sondern einfache, eventuell mehrdeutige, Bilder mit starken Farben. Ich liebe lebendige Farben, zum Beispiel etwa die in Robert Walkers Buch Colour is Power. Ich wollte eine positive Serie von Bildern schaffen, die die schlichte Schönheit dessen zeigt, was ich sah; dass selbst simple Elemente wie eine Wolke am Himmel ein erhebendes Bild ergeben können, wenn man sie mit einem Baum verbindet. Ich stellte fest, dass ich die Bezüge, die sonst Menschen einem Bild geben, durch Schaufensterpuppen, Wandmalereien oder Skulpturen ersetzte, um etwas Emotion ins Spiel zu bringen. Die M10-R erzeugt wunderbare Farben – kräftig, kühn und lebhaft. Ich hatte nicht das richtige Profil für Adobe Camera Raw, aber egal, ich brauchte es nicht. Ich habe die Farbeinstellungen kaum angefasst.

Wie mussten Sie Ihre gewohnte fotografische Herangehensweise in diesen Zeiten ändern?
Es war wichtig, Abstand zu den Menschen zu halten und eine Maske zu tragen. Daher habe ich hauptsächlich mit dem 50er-Summilux fotografiert, da ich nach Szenen suchte, die kein Weitwinkel erforderten.

Sie haben etwa 17.000 Bilder aufgenommen. Nach welchen Kriterien haben Sie die Bilder ausgewählt?
Das war nicht einfach. Aber am Ende ging es von 17.000 auf 700, von 700 auf 100 und von 100 auf 50 herunter. Die Bilder mussten zusammenwirken, um den positiven Eindruck der lebhaften Farbsättigung widerzugeben.

Worin besteht der größte Unterschied zwischen der M10-R und den Leica Kameras, mit denen Sie bisher gearbeitet haben?
In dem neuen Sensor mit seiner höheren Auflösung, der mir die Möglichkeit gibt, problemlos einen Teil des Bilds freizustellen. Und in der enorm beeindruckenden, knackig scharfe Detailauflösung. Bei den Lichtern schlägt sich die Kamera viel besser als die M10. Sie ist hervorragend für Porträtaufnahmen bei natürlichem Licht und weit geöffneter Blende geeignet. Der erhöhte Dynamikumfang führte dazu, dass ich mich nicht mehr allzu intensiv um eine ganz exakte Belichtung gekümmert habe. Die großen DNG-Dateien sind einfach wunderschön.

Welche Orte wollen Sie besuchen, wenn es wieder sicher ist zu reisen?
Es gibt viele Orte, die ich gern besuchen würde. Einer der ersten auf meiner Liste ist Wetzlar. Meine Leidenschaft für die Fotografie ist mit dem Leica Messsucher weitergewachsen. Er ist meine Möglichkeit, in einer chaotischen Welt fokussiert zu bleiben, mich in meiner Umgebung zu verlieren und bereit zu sein, alles anzunehmen, was sich mir bietet. Jemand hat mir einmal gesagt, dass die reale Welt so fabelhaft ist wie alles, was wir herstellen können. Das habe ich im Kopf, wenn ich mit meiner M Leica durchs Leben gehe.

Huw John ist ein Berufsfotograf, der seit über 30 Jahren in Großbritannien lebt und für führende Markenunternehmen und Organisationen in den Bereichen Film, TV, Redaktion und Corporate PR tätig ist. In seiner Leidenschaft für die Fotografie sucht er nie nach Bildern, sondern beobachtet einfach: Wenn ihm etwas auffällt, macht er das Bild. Erfahren Sie mehr über Huw Johns Fotografie auf seiner Website, seinem Instagram-Kanal und auf einer speziellen Seite showcase-page, auf der Sie die besten Ergebnisse seines Feldtests mit der Leica M10-R genießen können.