Nichts ist in einem Land wie Mauretanien selbstverständlich – schon gar nicht Frauenfußball. Die farbenfrohe und wirkungsmächtige Serie des französischen Leica Fotografen spricht von diesen mutigen Spielerinnen, die der Gesellschaft die Stirn bieten und ihren eigenen Weg der Emanzipation gehen. Ihr Engagement verleiht ihnen einzigartige Persönlichkeiten und Stärke.

Woher kam die Idee für Ihre Serie?
Ich habe in den letzten vier Jahren an langfristigen Projekten über islamische Staaten gearbeitet. Im April 2019 war ich zum ersten Mal in Mauretanien und war sofort fasziniert von diesem unbekannten und missverstandenen Land. Die Mainstream-Medien sprechen selten darüber und wenn doch, dann immer auf die gleiche Weise: Es geht um Sklaverei oder Dschihadismus … ich wollte eine andere Seite des Landes zeigen. Nach einiger Zeit habe ich Freunde gefunden und das Land besser kennengelernt. Ich reiste entlang der Küste und habe dort unter anderem die Fischer, Imraguen genannt, fotografiert. Ich fuhr mit dem Eisenerzzug durch die Sahara und nahm bei einer Scheidungsfeier an der Grenze zum Senegal auf. Schließlich, nachdem ich mich in der Hauptstadt Nouakchott niedergelassen hatte, erfuhr ich von dieser neu geschaffenen Frauenfußballmannschaft.

Was macht die mauretanischen Fußballspielerinnen so besonders?
Als Mauretanien 1960 die Unabhängigkeit erlangte, wurde das Land zur Islamischen Republik Mauretanien. In der Verfassung heißt es: „Die Religion des mauretanischen Volks ist der Islam.“ Die Gesellschaft ist noch immer zutiefst konservativ, für viele ist die Vorstellung, dass Frauen einen Sport wie Fußball ausüben, unangenehm. Also mussten sie sich langsam etablieren, Schritt für Schritt die Linien verschieben und das Risiko eingehen, etwas zu tun, was vorher nicht getan worden war.

Hat sich die Situation der Frauen durch den Fußball verändert?
Frauenfußball ist ein Weg der Emanzipation. Für einige Spielerinnen ist Fußball eine Möglichkeit, von einer besseren Zukunft zu träumen. Viele von ihnen hoffen auf internationale Spiele, um die Welt bereisen zu können. In einer Gesellschaft, die immer noch stark in ethnische Gruppen gespalten ist, ermöglicht die Zugehörigkeit zum Frauenteam gemeinsam mit Frauen jeglicher Herkunft zu spielen. Auf dem Platz spielt die ethnische Zugehörigkeit keine Rolle. Dort sind sie alle gleich, spielen als Team und arbeiten hart daran, jeden Tag besser zu werden. Die 16-jährige Coumba, eine der besten Spielerinnen, trug früher Handschuhe und einen Schleier, um ihren Körper zu verbergen. Das Coach überzeugte sie, dass sie in Shorts und T-Shirt spielen kann, den Kopf unbedeckt. Das bleibt für jede eine persönliche Entscheidung.

Was wollen Sie mit Ihren Bildern zeigen?
Ich bin Journalist, also war meine Idee einfach: ihre Geschichten zu erzählen. Ich wollte ihr Training zeigen, aber auch, wie ihr Alltag als junge mauretanische Frauen aussieht. Mit meiner Kollegin Thea, mit der ich an dieser Geschichte gearbeitet habe, folgten wir ihnen in die Schule, in ihre Häuser mit ihren Familien, während ihrer Gebete … das war wichtig, um das ganze Bild zu verstehen, nicht nur die „sportlichen“ Aspekte der Geschichte.

Wie sind Sie den Frauen nahegekommen?
Zeit war ein Schlüsselelement. Am Anfang habe ich nur am Training teilgenommen. Dann konnten wir mit ihnen sprechen, Freundschaften schließen und einige Momente teilen. Sie gewöhnten sich allmählich an die Kamera, vergaßen mich und verhielten sich langsam wieder natürlich. Fotografen nehmen normalerweise viel und geben wenig. Also haben wir darauf geachtet, all ihre Fragen über Frankreich, über uns, über unsere Sicht auf Mauretanien zu beantworten: Es war ein echter Austausch, bei dem alle voneinander lernten. Das ist es, was diesen Job so einzigartig macht: Eine Kamera ist der beste Weg zu jedermann, überall.

Wie hat sich die Leica Q geschlagen?
Ihre Handlichkeit macht die Q perfekt für ein Land, in dem es wichtig ist, diskret zu sein, besonders auf der Straße, wo man nicht die Aufmerksamkeit der Menge auf sich ziehen möchte. Zudem, und das ist mir wirklich wichtig, ist es eine leise Kamera ist, sehr hilfreich etwa in einer Moschee, in der Menschen beten. Das 28-mm-Objektiv der Q ist großartig, als Weitwinkel zwingt es dazu, seinem Motiv näherzukommen und mit ihm zu interagieren.

Worauf achten Sie bei der Komposition Ihrer Bilder besonders?
Als Fotojournalist bin ich der Meinung, dass jedes Bild eine Geschichte erzählen muss. Zehn Prozent meiner Arbeit bestehen darin, Fotos zu machen. Den Rest der Zeit lese ich, lerne etwas über den Ort, an dem ich bin oder wo ich arbeiten möchte, und denke darüber nach, welche Geschichten ich erzählen will. Normalerweise ist das Fotografieren der einfachste Teil der Arbeit. Kompliziert ist in der Regel der Zugang vor Ort, wenn man möchte, dass die Menschen sich öffnen, um sie in ihrer Privatheit zu fotografieren.

Was passiert bei Ihnen in der Postproduktion?
Ich folge den Prinzipien des Fotojournalismus: Ich entferne oder ändere nie etwas im Bild. Ich erlaube mir nur, Kontraste, Weißabgleich und Helligkeit zu ändern. Normalerweise schaue ich mir meine Bilder an, nachdem ich sie aufgenommen habe, und treffe eine erste Auswahl. Zwei oder drei Wochen später schaue ich mir die erste Auswahl noch einmal an, trete einen Schritt zurück und verfeinere die Auswahl.

Was haben Sie von den Fußballerinnen gelernt – über das Spiel und für Ihre persönliche Sicht auf die Welt?
Ich bin selbst kein Fußballfan; aber ich bin beeindruckt von der Kraft des Fußballs, Menschen auf der ganzen Welt zusammenzubringen. Wie bei jeder Reportage geht es darum, etwas über Menschen zu lernen, über das Beste und Schlechteste der menschlichen Natur, in jedem Teil der Welt. Das verändert dich, nicht nur als Fotograf, sondern auch als Mensch.

Lucas Barioulet, geboren 1996 in Angers, Frankreich, ist freiberuflicher Fotojournalist, der an der École publique de Journaliste in Tours und der San Diego State University studiert hat und sich auf islamische Staaten konzentriert. Er hat mit Jugendlichen in Mauretanien gearbeitet, die pakistanische Identität dokumentiert und die Wüstenbildung in der russischen Arktisregion beobachtet. Darüber hinaus arbeitete er mit Agence France-Presse zusammen und fotografierte die Gelbwestenbewegungen und die Covid-19-Krise in Frankreich. Kürzlich, von März bis Mai 2022, berichtete er für Le Monde über den Krieg in der Ukraine. Die Serie, The Long and Difficult Path of the Mauretanian National Women’s Football Team gewann den 2. Platz beim Sony World Photography Award 2020 in der Kategorie „Sport“. Erfahren Sie mehr über die Fotografie von Lucas Barioulet auf seiner Website und in seinem Instagram-Kanal.

Der Fotograf ist in der LFI 6/2022 mit einem Mauretanien-Portfolio vertreten.

Leica Q

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