Seit dem Jahr 2008 fotografiert Frederik Busch an verschiedenen Orten Deutschlands Büropflanzen und liefert damit auch ein Porträt der Werktätigen. Für das Umweltfotofestival Horizonte hat er nun in Zingst mit der Leica SL2 eine neue Serie konzipiert, die einen mit Humor getragenen Blick in den Alltag von Unternehmen, Institutionen und Verwaltungen der Gemeinde Mecklenburg-Vorpommerns wirft.

Sie arbeiten mittlerweile seit 15 Jahren an dem Projekt der German Business Plants, wie sind Sie ursprünglich darauf gekommen?
Schon während meines Studiums in Karlsruhe habe ich mich mit fotografischen Porträts beschäftigt. Dabei haben mich nicht nur die Menschen interessiert, sondern auch die persönliche Umgebung, die die Lebensverhältnisse spiegeln kann. Nach meinem Studium musste ich dann erst einmal Geld verdienen und habe in der Werbefotografie als Fotoassistent gearbeitet. Bei einem dieser Jobs für ein Unternehmen standen da im Flur Pflanzen herum, eigentlich so wie die Büromöbel selbst: exponiert wie lebende Skulpturen oder wie eine Installation. In der Pause des Shootings habe ich gefragt, ob ich meine neue Kamera testen dürfe, das war natürlich ein Trick, und so habe ich begonnen, Porträts von Pflanzen zu machen. Das verfolge ich jetzt seit 2008.

Was fasziniert Sie an Pflanzen?
Ich bin sehr pflanzenaffin, mag Pflanzen sehr, und habe überall, wo ich bisher gewohnt habe, immer viele um mich herum gehabt. In der Serie German Business Plants wollte ich mich ihnen fotografisch so nähern, wie ich es bei einem höher entwickelten Lebewesen tun würde. Menschen und Tiere haben ein Gesicht und sind deswegen die bestimmenden Sujets in der Porträtfotografie. Aber wie sieht es mit Pflanzen aus, die analog zu vielen Lebewesen ebenso entwurzelt sind, die normalerweise in warmen Regionen leben und nun gezüchtet und woanders platziert werden? Mich fasziniert an ihnen ihre Resilienz.

Welchen Impuls verfolgen Sie mit Ihrer Langzeitserie?
Mir geht es darum, Mitgefühl gegenüber Lebewesen zu erzeugen, die weit entfernt von ihrem ursprünglichen Lebensraum versuchen zu überleben. Als Pars pro Toto untersuche ich die Lebensrealität von Pflanzen in deutschen Betrieben. Ich will zeigen, wie sich eine Pflanze im Raum verhält, welche Gestalt sie in einer für sie widrigen Umgebung annimmt, mitunter ohne Licht und Nahrung und manchmal in einem viel zu kleinen Topf. Ich bin ein Fan davon, auch in der Tragik das Komische zu suchen, die Komik herauszuarbeiten. Die Bilder sind auch eine Allegorie der Berufstätigen, die lange im Büro arbeiten und deren Körper ebenso verwundbar werden wie die der Pflanzen: Wir fangen an, uns vom vielen Sitzen zu beugen, oder wir ziehen uns von den immer gleichen Arbeitsabläufen und Bewegungen Sehnenscheidenentzündungen zu. In der Vermenschlichung der Pflanzen mache ich die Tragikomik des Arbeitslebens im Büro sichtbar.

Ihre porträtierten Pflanzen tragen Namen, Sie begleiten die Bilder immer mit einem kleinen Text.
Das ist eine Anlehnung an das „Icon“, das man kunsthistorisch etwa bei den Familienwappen finden kann, in dem Text und Bild sich vereinen. Die Namen sind von mir immer frei erfunden, sie sind Teil des kreativen Prozesses, sie haben nichts zu tun mit den Besitzerinnen oder Besitzern der Pflanze oder der Firma, in der die Pflanze lebt. Die Bildunterschriften präzisieren das, was auf dem Foto zu sehen ist, und gleichzeitig bestärken sich Text und Bild gegenseitig. Beim Kreieren der Texte frage ich mich: Wie steht die Pflanze, was umgibt sie, und was würden die anderen über sie sagen, wenn diese Pflanze ein Mensch wäre? Zum Beispiel: „Rolf war nicht immer so.“ Das ist wie Klatsch und Tratsch auf dem Büroflur.

Für das Fotofestival Horizonte, das sich in diesem Jahr dem Thema Flora widmet, haben Sie nun eigens eine Serie der Büropflanzen in Zingst umgesetzt. Wie war Ihre Erfahrung?
Es war alles richtig gut organisiert, ich hatte Termine an neun verschiedenen Orten, in mittelständischen Unternehmen, in Stadtverwaltungen, Institutionen und im Klärwerk. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben mich unterstützt und sich auf das Projekt eingelassen. Gerade in Zingst habe ich gemerkt, dass viele ihre Pflanzen sehr gut behandeln, dass sie sie mögen, schließlich verbringen sie ja bei der Arbeit viel Zeit mit ihnen.

Sie haben dort mit der Leica SL2 fotografiert …
Ich habe mir für diese Serie strenge Regeln auferlegt: nur mit vorhandenem Licht zu arbeiten, ohne Blitz und ohne Stativ. Die SL2 ist super, weil sie so leicht ist und ich sie sehr gut in der Hand halten kann. Sie ist toll im Handling, rauscht wenig und verfügt über kurze Verschlusszeiten. Der Energiesparmodus sorgt für sehr lange Akkulaufzeiten, und die Auflösung der Bilder im Vollformat ist hervorragend. Besonders beeindruckt war ich von den Zoomobjektiven, Weitwinkel bis Tele, ich konnte mich frei im Raum bewegen, und die Qualität ist wirklich ausgezeichnet, besonders, wenn ich durch eine offene Blende den Hintergrund unscharf darstellen will.

Welche Bedeutung hat Ihre Serie für ein Festival wie Horizonte Zingst?
Es geht ja dort um das Thema Zusammenleben und Koexistenz, um die Beziehung von Lebewesen und darum, wie überlegen wir Menschen uns gegenüber der Natur fühlen. In meiner Serie geht es neben der Frage, wie wir Pflanzen behandeln aber auch darum, wie wir uns selbst behandeln. Wie geht es uns bei der Arbeit? Dort befinden wir uns entwurzelt an einem Ort, an dem wir eine Funktion erfüllen müssen, aber uns nicht unbedingt wohlfühlen. Das ist auch eine Kritik am Wirtschaftssystem, die in meiner Kunst aber nicht mit einer traurigfordernden Anklage daherkommt, sondern mit Humor verbunden ist. Das funktioniert oft besser.

Ausstellung im Max Hünten Haus auf dem 16. Umweltfotofestival Horizonte Zingst vom 7. bis 11. Juni 2023. 

Frederik Busch (*1974) ist Medienkünstler, Autor, Berater und Fotograf. Er studierte an der Universität der Künste Berlin und an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. Seine Arbeiten wurden in Einzel- und Gruppenausstellungen in Frankreich, Griechenland, Norwegen, Korea, Belgien und Deutschland gezeigt und in diversen Magazinen und Zeitschriften publiziert. Sein Buch German Business Plants (2018) erhielt den Deutschen Fotobuchpreis in Silber. Seit 2019 ist er Juryvorsitzender des internationalen Fotografiewettbewerbs des Queer Festivals Heidelberg.

www.frederikbusch.com
Instagram: frederik.busch