Für Luca Locatelli schließt sich mit seiner Serie ein Kreis – bereits seit Jahren setzt er sich mit den Themen Umwelt und Zukunft auseinander, und so konnte er mit The Circle an sein Projekt Future Studies anknüpfen. Entstanden ist die Serie im Rahmen einer Ausstellung für die 2022 neu eröffnete Niederlassung der Gallerie d’Italia in Turin. Eine Gelegenheit für den Fotografen, das Thema noch einmal ganz anders und neu auszuleuchten – und eine Gelegenheit für die Betrachtenden, sich intensiv mit Zukunftsfragen auseinanderzusetzen.

Was war der Punkt, an dem Sie begonnen haben, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen?
Mein Ausgangspunkt war, darüber zu sprechen, was der beste Weg ist, auf unserem Planeten zu leben – Stichwort Kreislauf. Ich hatte gerade einen Auftrag für National Geographic über Kreislaufwirtschaft beendet und wollte dazu ein weiteres Projekt machen: eine größere Studie über Kreislaufwirtschaft als eine Art zu leben.

Sie beschäftigen sich seit mehr als zehn Jahren mit diesem Thema. Welche Entwicklungen sind in diesem Zeitraum zu beobachten?
Als ich angefangen habe, ging es mir mehr um technologischen Fortschritt zur Bekämpfung der Klimakrise. Aber dann, während Covid, hat sich meine Wahrnehmung wie bei vielen Menschen geändert. Ich begann, mich mehr dafür zu interessieren und zu untersuchen, wie wir einen Ausgleich mit der Natur finden, wie wir sie ins Zentrum der Klimakrise stellen und die Menschheit nicht als unbesiegbar sehen. Wir sollten den Ansatz ändern und uns mehr von der Natur inspirieren lassen. Ich denke, das war der größte Wandel, den ich in meiner Karriere erfahren habe, ich fotografiere anders, nicht mehr nur auf Technologie bezogen.

Welche Entwicklung können wir in Ihrer Arbeit beobachten?
Eine der größten Entwicklungen, die ich während des Projekts The Circle durchlaufen habe, ist die meiner visuellen Sprache. Bis dahin hatte ich hauptsächlich mit redaktionellen Umgebungen zu tun, auf einmal hatte ich 5000 Quadratmeter Platz in einem Fotografiemuseum. Jetzt hatte ich die Freiheit, mich ohne Limitierung auszudrücken; ich konnte mehr Crossmedia-Inhalte wie Video, Audio und Fotografie produzieren, um eine Ausstellung zu realisieren, die magnetisch wirkt, Menschen anzieht und über mögliche Lösungen informiert.

Die Bilder sind eine Mischung aus Natur und Industrie. Beides wird ästhetisch in einer Bildsprache zusammengeführt. Welche Verbindung sehen Sie?
Das ist der wichtigste Teil von The Circle: Ich glaube, dass die Natur – und wir sind Teil dieser Natur – uns schon jetzt den Weg zeigen kann, wie wir die beste Symbiose mit der Industrie hinbekommen. Darum ging es mir in diesem Projekt: Natur und Technologie zu fotografieren und eine visuelle Sprache zu definieren, die beide miteinander kommunizieren lässt, um von diesen magischen Werkzeugen der Natur für industrielle Prozesse inspiriert zu werden und das verlorene Gleichgewicht zu regenerieren und wiederherzustellen.

Sehen Sie sich selbst eher als Künstler oder als Aktivisten?
Ich werde als visueller Aktivist bezeichnet, was ich liebe, weil ich als Umweltaktivist geboren wurde. Damals in den frühen 2000ern habe ich mich für den Schutz des Amazonasregenwaldes engagiert, und die Fotografie war für mich ein perfektes Werkzeug, um den Wert von Lösungen zu kommunizieren. Daraus bestand ein Großteil meiner Karriere: Aktivist zu sein und mich als Künstler zu entwickeln. Ich sorge mich um die Umwelt, und ich liebe die Kraft des Visuellen zur Kommunikation von Lösungen.

Was bedeutet es für Sie, Ihre Bilder in den Gallerie d’Italia auszustellen?
Es war eine lange Reise, diese Ausstellung zu produzieren, zu designen und zu koordinieren. Ich habe sehr viele Erfahrungen sammeln können, sodass ich heute weiß, dass auch solche Themen in Kunsträumen, in Museen und bei kulturellen Events funktionieren. Kulturelle Veranstaltungen haben eine enorme Macht, Diskussionen über die Umwelt anzustoßen.

Werden Sie weiter an diesem Projekt arbeiten?
Auf jeden Fall. The Circle wurde in Europa fotografiert, und ich würde gern auf anderen Kontinenten – in Afrika, Asien, Amerika – weitermachen. Ein Thema, an dem ich für das neue Projekt arbeite, sind auf der Natur basierende Lösungen, also Safe Nature  – die Natur ist der größte Einfluss, den wir haben, um den Klimawandel zu bekämpfen.

Ausstellung: Luca Locatelli, The Circle, 21. September 2023 — 18. Februar 2024, Gallerie d’Italia, Turin.

Ein ausführliches Portfolio von Locatelli finden Sie im LFI Magazin 1.2024.

Nach einem Studium der Informationstechnologie hat der 1971 in Italien geborene Luca Locatelli als Softwareentwickler gearbeitet, bevor er sich 2006 der Fotografie zuwandte. Im Rahmen seiner Arbeit produziert er seine Geschichten gemeinsam mit Journalisten, Umweltschützern und Wissenschaftlern, um seine Forschung zu kontextualisieren. 2020 konnte er mit Future Studies den Leica Oskar Barnack Award gewinnen. Mehr über seine Arbeit erfahren Sie auf seiner Webseite und seinem Instagram-Kanal.

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